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»In den Staaten würde man Sie ein Klassemädchen nennen, Sylvia«, sagte Dave.

»Das können Sie hier auch, wenn Sie möchten«, sagte sie und ging lachend davon.

»Kolumbianischer Kaffee«, sagte Lloyd nachdenklich, als er an seinem Getränk nippte. »Was ist das Besondere daran? Ist er mit Kokain versetzt?«

»Nein. Es ist einfach nur reiner, köstlicher Kaffee«, erklärte Dave. »Genießen Sie ihn.«

»Also«, sagte Lloyd, um wieder zum Thema Danny zurückzukehren, »wie sieht es aus?«

»Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder hat Danny einen anderen Flug genommen, in die Mongolei oder sonstwohin, oder er ist hiergeblieben und versteckt sich in London.«

»Es gibt noch eine dritte Möglichkeit«, sagte Lloyd.

»Und die wäre?«

»Manovitch wurde nicht vernichtet und hat Danny in seiner Gewalt.«

Diese Möglichkeit hatte Dave bereits in Betracht gezogen. »Das ergibt keinen Sinn«, sagte er. »Es wäre ein unglaublicher Zufall, daß Manovitch gerade in dem Augenblick am Flughafen war, als Gates Danny zu seinem Flug brachte.«

Lloyd nickte. »Das stimmt, aber wir werden jeden, der zu diesem Zeitpunkt auf dem Flughafen etwas Ungewöhnliches bemerkt hat, bitten, sich zu melden. Wir werden das Flughafenpersonal befragen und einen allgemeinen Aufruf im Fernsehen ausstrahlen, um weiterzukommen. Man kann nie wissen.«

»Noch eines. Gates erklärte, er hätte Danny zum Flugzeug gebracht.«

»Er sagte, er hätte ihn am Ticketschalter zurückgelassen.«

Petra kam an ihren Tisch. Sie setzte sich und schenkte Dave ein Lächeln, das die Antarktis hätte schmelzen lassen.

»Die letzten Passagiere wurden gefunden. Keine der Beschreibungen paßt auf Danny.«

Dave boxte sich in die Handfläche. »Phantastisch. Trinken Sie einen Kaffee, Petra. Das ist großartig.«

Er stand auf, fuhr mit dem Aufzug auf sein Zimmer und rief Vanessa an.

»Gute Neuigkeiten«, sagte er. »Danny lebt.«

»Er hat den Absturz überlebt?« fragte sie entzückt.

»Niemand hat den Absturz überlebt. Er war überhaupt nicht im Flugzeug.«

»Aber Stan Gates…«

»Gates ließ ihn am Ticketschalter zurück. Er hat ihn nicht bis zum Flugzeug begleitet. Das ist verboten. Niemand ohne Flugticket darf in die Abflughalle.«

»Das stimmt. Also lebt Danny irgendwo? Wissen wir auch schon, wo?«

»Nein. Aber darüber mache ich mir im Augenblick keine Gedanken. Bruder Tuck kann auftauchen, wann immer es ihm gefällt, der alte Krieger-Priester. Mir geht es gut, Vanessa, sehr gut.«

»Das höre ich«, murmelte sie.

»Nun, ich hoffe, daß wir bald angemessen Wiedersehen feiern können.«

»Ich liebe dich, Dave – oh, wie sehr ich dich liebe. Du wirst nie, nie erfahren…«

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG

Es war Nacht.

Die Frau befand sich auf dem Heimweg von einem Besuch bei ihrer Mutter, die in einem Dorf in der Nähe von High Wycombe lebte. Die Straßen, die aus Chalfont St. Peter hinausführten, lagen im Dunkeln. Sie fuhr äußerst ungern über unbeleuchtete Straßen und war froh, als sie das hell erleuchtete London erreicht hatte. Aber ihr Haus lag am westlichen Kanal zwischen verlassenen alten Lagerhäusern, und in seiner Nähe begann ihr Herz abermals vor Angst heftig zu klopfen. Sie parkte den Wagen am Ende der Reihenhäuser, eilte schnurstracks auf das zweite von ihnen zu und schloß die Haustür auf.

Sie ging geradewegs in die Küche, um sich einen starken Tee zu machen, froh, wieder zu Hause zu sein. Während sie den Kessel mit Wasser füllte, hörte sie ein schwaches Geräusch aus dem Wohnzimmer dringen. Wieder stieg das Entsetzen wie ein Brechreiz in ihrer Kehle auf und drohte diesmal, sie zu ersticken. Nachdem sie auf dem Highway Vergewaltigung und Mord entkommen war, überwältigte sie jetzt ihre zweitgrößte Angst: nachts, wenn niemand da war, der ihr helfen konnte, einen gefährlichen Fremden im Haus zu haben. Ihr Mann, der als Wachmann in den Docklands arbeitete, war um zwanzig Uhr zur Schicht gegangen.

Mit klopfendem Herzen nahm sie ein Tranchiermesser vom Messerblock, blieb abwartend stehen und lauschte, während sie sich fragte, ob sie schreien sollte. Die Uhr im Flur schlug einmal leise an. Das Geräusch ließ ihre Haut prickeln. Sie hätte gern geweint, aber ihre Angst ließ es nicht zu. Statt dessen blieb sie mit erhobenem Messer wie angewurzelt stehen.

Eine kurze Weile war es ruhig. Dann hörte sie ein Stöhnen. Jemand stolperte in den Flur.

»Bleib weg von mir«, kreischte sie. »Ich habe ein Messer.«

Einen Augenblick später kam die Kreatur durch die Küchentür auf sie zugewankt, ein widerliches, häßliches Geschöpf, das einem Horrorfilm entsprungen zu sein schien. Sein ganzer Körper war mit Beulen bedeckt, aus denen Blut und Eiter rannen. Offensichtlich war es blind, denn seine Augen lagen tief unter den Beulen in seinem Gesicht begraben. Sein Mund war ein zusammengekniffenes Loch, das unter den Kratern verschwand, die zähflüssig über den tropfenden Brustkorb aufzubrechen schienen.

»O Gott!« schrie sie. Ihre Handknöchel, die das Messer umklammerten, standen weiß hervor. »Bleib, wo du bist!«

Die fremde Kreatur schien nicht geneigt zu sein, von ihrer Bitte Notiz zu nehmen. Mehrere Beulen platzten auf. Eiter und Blut spritzten auf den Boden. Das Wesen stöhnte wieder und streckte die Hände nach ihr aus; bemühte sich, sie zu berühren. Sie schrie und hieb nach den unförmigen Armen, schnitt durch die Entzündungen. Blut spritzte über den Körper der Kreatur, lief über ihre beulenbedeckte Haut.

Die Kreatur kreischte wie eine aufgespießte Ratte und zog sich zur Küchentür zurück. Die Frau nahm eine Flasche vom Abtropfbrett und warf sie der zurückweichenden Gestalt nach. Die Flasche prallte gegen den Türrahmen und zersplitterte. Ein konzentriertes Bleichmittel regnete auf das Wesen hinab. Es blieb stehen, winkte mit seinen geschwollenen Armen und schwankte um sich schlagend auf sie zu, während es durchdringend schrie.

Sie stach immer wieder auf seinen Brustkorb ein, in der Hoffnung, daß es ein Herz besaß. Das Messer war scharf, die Streiche folgten rasch aufeinander, und schon bald fiel das gurgelnde Monster unter der langen Schneide, um sich auf den Küchenfliesen in einer Lache aus seinen eigenen, widerwärtigen Säften zu ihren Füßen zu krümmen. Selbst als es im Sterben lag, wurden die Beulen auf seiner Haut größer, dehnten sich und platzten auf, und neue, groteske Beulen erschienen dort, wo die alten Krater hinterlassen hatten.

Schließlich schaffte sie es, von der Küche zur Haustür zu gelangen, wo sie um Hilfe rief. Ihre Nachbarin reagierte. Zu ihrem großen Erstaunen wies auch sie Beulen und wunde Stellen auf, wenn auch ein Großteil der Haut noch sauber war. Die Frau ließ das Messer fallen und begann zu jammern. Als sie an sich hinabschaute, sah sie, wie auch an ihren Armen und Beinen Beulen auftauchten; häßliche Schwellungen mit einem ekelhaften Inhalt und tropfende Krater. Die Nachbarin sprach beruhigend auf sie ein, erklärte ihr, daß es in Ordnung sei und nichts, worüber man sich wirklich ängstigen müsse.

»Es sind die Beulen. Alle haben sie, manche schlimmer als andere. Die Beulenplage. Ihren Ken«, sagte sie, »hat es schlimm erwischt. Konnte nicht zur Arbeit gehen. Er liegt auf dem Wohnzimmersofa und wartet auf Sie…«

Manovitch schwamm am algenbewachsenen Themsedamm entlang in Richtung Tower Bridge. Das schmutzige Wasser ließ die Beulen an Stan Gates’ Hals, Gesicht und Schultern schmerzen. Als tote Seele wurde Manovitch nicht von den Plagen heimgesucht, die den Erzengel reizen sollten, aber sein menschlicher Körper hatte darunter zu leiden. Gates hatte die Beulen, und Manovitch mußte sie in Kauf nehmen, wenn er seinen Körper übernahm.