Выбрать главу

»Ich weiß immer noch nicht, wo wir sind«, sagte er. »Wie komme ich hierher? Ich hatte doch nur wieder einmal Kopfschmerzen.«

»Manovitch«, stöhnte Danny. »Manovitch steckt in dir.«

Stan Gates’ Verstand stand auf der Kippe. Er griff nach den Worten wie nach einem Strohhalm. Manovitch in ihm? Er spürte nichts. Niemand steckte in ihm. Er mußte in einem Drogentraum gefangen sein. Jemand hatte ihm LSD oder Kokain oder eine andere Droge ins Glas geschüttet. Er war nicht hier, er war anderswo. Vielleicht lag er im Princess Louise auf dem Fußboden und kämpfte mit seinen dunklen, unbewußten Ängsten, während eine Gruppe Menschen um ihn herumstand. So mußte es ein.

»Sie sind nicht real, Danny«, sagte er.

»Ich komme mir auch nicht real vor«, stöhnte Danny. »Ich fühle mich tot.«

In Gates’ Verstand klickte es. »Tot? Genau. Das ist es. Man sagt, Sie wären beim Absturz nicht dabeigewesen. Aber das stimmt nicht. Sie sind mit abgestürzt, nicht wahr? Sie waren an Bord der Maschine?«

»Und was zum Teufel machst du dann hier?« knurrte Danny in einem Anfall von Klarheit.

»Ich? Ich… schlafe.«

»Das könnte gut sein. Du bist mir nicht gerade eine große Hilfe, du Arschloch«, stöhnte Danny.

Gates wußte nicht, was er als nächstes tun sollte. Falls er weiter nach einer Eisenstange oder einem Werkzeug suchte, um Dannys Kettenglieder aufzustemmen, würde er den dunklen Mächten des Wahnsinns Vorschub leisten. Aber er konnte nicht einfach hier herumstehen und darauf warten, daß der Traum vorüberging. Seltsam, er konnte in seinem Traum bestimmte Dinge riechen. Das sollte eigentlich nicht sein. Hatte er sich während des Anfalls in die Hosen gemacht, dort auf dem Boden, von Zuschauern umgeben? Mein Gott, das wäre ihm ungeheuer peinlich. Er würde vor Scham sterben.

Manovitch hatte genug von Gates’ Unentschlossenheit. Er tauchte wieder auf, drängte Gates in die hinterste Ecke seines Verstandes und begrub ihn.

»Nun gut, du hattest deine Chance, Dickkopf«, sagte er zu Danny. »Du hast sie vermasselt.«

Danny sammelte Speichel und spie in Manovitchs Richtung. Aber er hatte zu knapp gezielt. Manovitch lachte.

»Ist das alles, was du kannst?«

Die Beulen auf Dannys Rücken scheuerten bei jeder Bewegung gegen die Wand, also hörte er mit den Versuchen auf, Manovitch seinen Haß zu zeigen, und begann wieder damit, seine Mantras zu singen, bis Manovitch genug von ihnen hatte und durchs Traitor’s Gate verschwand, in das kalte Wasser der Themse glitt und sich bis zur nächsten Anlegestelle flußabwärts treiben ließ…

Danach schleppte er sich zu Fuß zum Princess Louise und trat ein. Ein paar Gäste starrten ihn an. Er ignorierte die offenen Münder des Personals und bestellte ein Glas Bier. Als es sicher in seiner Hand war, ließ er Stan Gates heraus.

Stan zuckte erschreckt zusammen, als er sich an der Theke wiederfand.

»Jesus Christus«, sagte er, sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Er starrte entsetzt an sich hinunter.

Er war naß bis auf die Haut. Wasser tropfte auf die Querstange aus Messing.

»Tut mir leid«, sagte er. »Ich hatte einen Blackout oder so was ähnliches. Ich weiß, daß es ein Traum war.«

»Geht es dir jetzt besser?« fragte ein Gast.

»Ja, ja. Es geht mir gut«, sagte Stan, der sich überhaupt nicht gut fühlte. »Ich habe nur… ich glaube, ich leide… wie nennt man es noch… an Schizophrenie oder so. Ich tue Sachen, ohne zu wissen, was ich mache.«

»Dann hast du wohl mit deinen Klamotten ein Bad genommen, oder was?« fragte eine alte Frau am Thekenende.

Stan lachte nervös. »Sieht so aus, oder?«

»Du solltest besser nach Hause gehen und die Sachen trocknen lassen«, riet ihm der Wirt.

»Genau. Das Ganze tut mir leid.«

»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf«, sagte ein Jugendlicher, um sich bereits im nächsten Satz zu widersprechen: »Du solltest zum Arzt gehen.«

»Ja… zum Arzt.«

Stan verließ den Pub und stieg in seinen Wagen. Zum Glück lief der Londoner Verkehr wieder normal. Die Plage der toten Fahrzeuge war vorbei. Die Maschinen waren wieder zum Leben erwacht. Jetzt hatte man nur noch mit diesen häßlichen Beulen zu kämpfen. Jeder war mit ihnen geschlagen. Sie tauchten meistens am Hals und im Gesicht auf und waren ziemlich häßlich, egal, wie man’s drehte.

Stan startete den Motor, fuhr rasch nach Hause, nahm ein Bad und zog andere Sachen an. Dann setzte er sich mit einem Whisky ins Wohnzimmer, bereit, sich zu betrinken. Etwas stimmte ganz und gar nicht mit ihm, aber er wollte sich erst krank melden, wenn seine Arbeit getan war. Er haßte es, seine Pflicht zu vernachlässigen. Er arbeitete an einem wichtigen Fall, und obwohl er sich anscheinend die Abneigung von Rajeb Patel und Lieutenant Peters zugezogen hatte, wollte er ihn bis zum Ende durchziehen.

Er trank den Whisky und hoffte, daß das Fieber verschwinden würde.

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG

Nach der versuchten Vergewaltigung war ein schmaler Riß in der Beziehung zwischen Daphne und Rajeb aufgetaucht. Es war kein ernsthaftes Beziehungsproblem, aber etwas, mit dem sie sich früher oder später würden auseinandersetzen müssen. Daphne hatte sich nach dem Vorfall klugerweise dafür entschieden, eine Therapie zu machen. Rajeb war aufgebracht und verwirrt. Er verstand nicht, weshalb sie zu einem fremden Menschen gehen wollte, um mit ihm über den Vorfall zu sprechen, wo er doch da war, um sie zu trösten. Sie saßen am frühen Abend im Wohnzimmer, tranken Tee und diskutierten die Angelegenheit.

»Du verstehst nicht…«, sagte Daphne.

»Ganz richtig. Ich verstehe nicht«, erwiderte Rajeb. »Deshalb frage ich dich ja, weshalb du damit zu einem fremden Menschen gehen willst.«

»Schau mal. Ich gehe zu dieser Frau, gerade weil sie eine Fremde ist. Eine Fremde, die Übung darin hat, Menschen bei der Bewältigung einer traumatischen Erfahrung zu helfen. Wenn ich dich bitten würde, mir zu helfen, gäbe es nur ein heilloses Durcheinander. Du bist emotional zu sehr darin verwickelt.«

»Ich habe nicht versucht, dich zu vergewaltigen.«

Daphne seufzte. »Nein, natürlich nicht – ich will damit nicht sagen, daß alle Männer gleich sind. Aber wir beide lieben uns – ich hoffe, wir lieben uns –, und in einem Fall wie diesem könnten wir füreinander die falsche Medizin sein. Ich muß mit jemandem reden, Rajeb. Mach, es mir doch nicht so schwer.«

Er wiegte sich auf seinem Sessel vor und zurück. Sie sah, daß er sehr unglücklich war. Im Kulturkreis seiner Familie hielt man Privates privat, und man schüttete keinem Fremden sein Herz aus. »Wir werden allein damit fertig«, sagte er gern. Falls in Rajebs Familie einmal etwas geschah, das ihr Schande bereitete, blieb es ein streng gehütetes Geheimnis, und nur die engsten Familienmitglieder wurden darüber informiert.

Obwohl Rajeb normalerweise ein vernünftiger, sensibler Mann war, mußte Daphne jedesmal gegen diese tief verwurzelte Familientradition kämpfen, wenn es um die Lösung von Problemen ging.

»Ich begreife es einfach nicht.« Er seufzte.

»Dann müssen wir es dabei belassen. Ich hab’ es dir erklärt so gut ich konnte. Diese Menschen sind wie Ärzte, Rajeb. Sie besitzen einen Moralkodex, sie wahren die Schweigepflicht, und es besteht eine Chance von eins zu fünfzig Millionen, daß du sie auf einer Party, auf der Straße oder im Supermarkt triffst. Also brauchst du mir nicht damit zu kommen. Meine geistige Gesundheit ist auf jeden Fall mehr wert als deine Verlegenheit. Es wird ein Geheimnis zwischen vier, statt zwischen drei Menschen bleiben, mehr nicht.«