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»Es war nur ein Meteor«, sagte der Erzdiakon abschließend.

Das Feuer griff wütend um sich, und das Geräusch des Windes, der einfiel, das Vakuum zu füllen, war ohrenbetäubend.

O Gott, dachte er plötzlich, die Konferenz!

Hinter Lloyd, aus dem Inneren der Feuersbrunst, waren Explosionen, Knirschen, Rumpeln und das Geräusch einstürzender Gebäude zu hören. Hunde, Katzen, Mäuse und Ratten liefen an der Menge vorbei, flohen vor den Flammen. Sie ignorierten die Menschen und einander, und waren seltsam still, allein darauf bedacht, in Sicherheit zu gelangen. Es war eine wilde, surreale Szene, wie einem gräßlichen Kinderlied entsprungen. Lloyd begann zusammen mit den anderen erneut zu laufen und duckte sich instinktiv, wenn eine weitere Explosion den frühen Morgen zerriß. Die Jugendlichen, sportlich und aufgeregt, bildeten die Vorhut. Am langsamsten waren Eltern, die ihre kleinen Kinder trugen, oder Menschen, die ihren kranken Nachbarn halfen. In der Mitte befanden sich Leute wie Lloyd, denen Alter und Wohlleben die Flucht beschwerlich machten.

Lloyd konnte die Sirenen der Feuerwehrautos hören, die auf die Flammensäulen zurasten. Sie eilten wie prächtige Schlachtschiffe zwischen den Fliehenden hindurch, bereit, den Feind zurückzuschlagen. Ein paar Kinder jubelten. Lloyd wußte, daß es sich hier nicht um ein gewöhnliches Feuer handelte, das von der großartigen Londoner Feuerwehr leicht unter Kontrolle gebracht werden konnte, die auch in der Bekämpfung von Brandbomben geübt war.

In seinem Kopf ertönten, wie ein aufdringliches, eindringliches Lied, das nicht verstummen wollte, die Fakten über das Große Feuer von 1666. Als Schüler hatte er die Daten für eine Geschichtsprüfung auswendig gelernt, und nun stürzten sie wieder auf ihn ein.

Das Feuer von 1666 hatte in einer Bäckerei in der Pudding Lane begonnen und war, der Legende nach, am Pie Corner erstickt. Es zerstörte vier Fünftel der Stadt; dreizehntausend Gebäude, einschließlich der alten St. Paul’s Cathedral und siebenundachtzig Pfarrkirchen.

Lloyd erkannte, daß die Pudding Lane – welch erstaunlicher Zufall – nur wenige hundert Meter von der Einschlagstelle des Meteors entfernt lag und vom Feuer verschlungen worden war. Er fragte sich, ob es stimmte, daß ähnlich wie Ley-Linien*, Orte existierten, die für Feuer empfänglicher waren als andere Bereiche der Erde. Er war kein Freund paranormaler Mutmaßungen, aber es kam ihm seltsam vor, daß zwei große Feuersbrünste im selben Bereich ihren Anfang genommen hatten – vielleicht wäre es ihm noch seltsamer vorgekommen, wenn ihm ein vollständiger historischer Bericht über diesen Ort zur Verfügung gestanden hätte.

Die junge Frau, die neben ihm lief, riß ihn mit einer Frage aus seinen Gedanken. »Wenn es nur ein Meteor ist, weshalb laufen Sie dann in Unterhosen herum? Und weshalb haben Sie Ihre Wohnung verlassen? Warum haben die anderen ihre Wohnungen verlassen? Glauben Sie, daß ein Meteor vor seinem Fall eine Vorwarnung schicken würde?«

»Nein, natürlich nicht«, sagte er. Ihm war unbehaglich zumute. Er war sich seines schlaffen Körpers wohl bewußt und wünschte sich, eine Hose und ein Hemd anziehen zu können. »Nun, vielleicht hat er auf seinem Weg eine Art Strahlung verursacht, Schwingungen oder etwas Ähnliches in Gang gesetzt…« Noch während er sprach, war ihm bewußt, daß er dummes Zeug redete.

Es war immer noch schwierig, direkt in die Feuersbrunst zu schauen. Kranken- und Polizeiwagen trafen ein, Decken wurden an spärlich bekleidete ältere Leute und an Kinder verteilt. Lloyd beschloß, für eine oder zwei Stunden zu den älteren Menschen zu gehören, bis er etwas Anständiges zum Anziehen bekommen konnte, obwohl er diese Bezeichnung normalerweise übelgenommen hätte.

Als er sich umwandte, um das Gespräch mit der wunderschönen Frau fortzusetzen, war sie weitergegangen. Er folgte ihr mit wachsender Neugierde.

Schließlich gelang es Lloyd, der sich mit seiner Decke wie ein nordamerikanischer Indianer vorkam, die Frau einzuholen. »Wohin gehen Sie?« fragte er.

»In ein Hotel. Wohin sonst? Ich habe keine Verwandten hier.«

»Haben Sie denn Geld dabei?«

»Ja«, sagte sie. »Möchten Sie welches haben?«

Möchten Sie welches haben? nicht Soll ich Ihnen etwas leihen? Sie war wirklich eine sehr ungewöhnliche Frau.

»Danke. Ich würde lieber in ein Hotel gehen als den Rest der Nacht in einer provisorischen Unterkunft zu verbringen. Ich nehme an, sie bringen all diese Menschen in Hotels. Ich empfinde dieses Ereignis immer noch als schrecklich, trotz ihrer… ihrer Vorstellungen.«

»Weil Sie es noch nicht begreifen. Sie werden es noch verstehen.«

»Aber Sie verstehen es, nehme ich an? Ist Ihnen bewußt, daß sich in der Feuersbrunst noch Menschen aufhalten müssen? Nicht jeder hat fliehen können. Vielleicht gibt es dort noch ein oder zwei Betrunkene und Obdachlose, die nicht in der Lage waren, dem Ruf zu folgen.«

Sie nickte freudig. »Ihnen geht es gut.«

»Sie scheinen sich dessen sehr sicher zu sein.«

Sie bedachte ihn mit einem weiteren Blick aus ihren dunklen Augen. »Ich bin mir dessen absolut sicher. Nun, das hier sieht nach einem vielversprechenden Hotel aus. Es wird vermutlich von einer Menge dubioser Gestalten frequentiert, aber sie werden wenigstens freie Zimmer haben. Möchten Sie auch eins?«

Lloyd betrachtete mißbilligend das heruntergekommen aussehende Hotel, das sich Majestic nannte. Die eine Hälfte der Neonschrift war dunkel, die andere summte und zischte, als würde sie jeden Moment explodieren. Hinter der Tür, einer ganz normalen Haustür, lag ein schmaler Flur; keine Lobby, kein Foyer. Zweifellos war das Hotel früher, als dies hier noch eine anständigen Wohngegend war, ein Privathaus gewesen. Er fragte sich, ob die Decken gelüftet worden waren, oder, schlimmer noch, wie es mit Flöhen aussah.

Aber was blieb ihm anderes übrig? Morgen konnte er Freunde anrufen oder nach etwas Besserem Ausschau halten. Plötzlich war er sehr müde.

»Danke, ja. Ich werde Ihnen das Geld morgen zurückgeben.«

Sie lächelte. »Wenn Sie wirklich möchten.«

Sie gingen ins Hotel. Lloyd fühlte sich unter seiner Decke sehr unwohl. Er drehte sich um und warf noch einen letzten Blick auf die zerstörte Stadt.

»Nichts mehr übriggeblieben«, murmelte er.

»O doch«, sagte die Frau. »Die Pynchon-Konferenzräume. Unter und in dieser Kuppel aus Licht befinden sich die Repräsentanten der Weltreligionen und arbeiten immer noch an einem gemeinsamen Ziel.«

»Ja«, erwiderte Lloyd wütend, »das hat uns einiges gekostet – und der Meteor hat die Möglichkeit der Einheit und des Weltfriedens zerstört.«

»Sie verstehen nicht.« Sie lächelte. »Er ist gekommen, um die Konferenzteilnehmer zu beschützen. Es ist kein Meteor, es ist ein Erzengel.«

Er konnte sich nicht mehr an seinen Namen erinnern.

Zuerst fürchtete der junge Mann verrückt zu werden, doch schließlich gelangte er an einen Punkt, an dem er sich keine Sorgen mehr über Wahnsinn oder seine Geisteszustände machte. Er spürte, wie sein Geist, seine Psyche, gefressen, von einem fremden Wesen verschlungen wurde, das in seinen Körper eingedrungen war. Dieses Ding in seinem Inneren sprach zu ihm, versuchte ihn in eine Diskussion zu verwickeln.

Er hatte auf dem Highgate Cemetery Fotos von Karl Marx’ Grab gemacht, von denen eines wahrscheinlich einen Artikel über den Vater des Kommunismus zieren würde. Die Sonne schien auf eine ganz bestimmte Weise schräg auf den Marmor und verlieh ihm einen Glanz, den der junge Mann mit seinem fotografischen Geschick bekämpfen mußte.

Er liebte solche Schwierigkeiten. Es befriedigte ihn zu wissen, daß er einen langen Weg zurückgelegt hatte, seitdem er seine Karriere mit Fotos aus dem Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien begonnen hatte. Die romantische Gestalt des Tim Page, der als junger Mann in den sechziger Jahren seinen Weg nach Vietnam gefunden hatte und gezeichnet, aber gereift, wieder auftauchte, war in jenen Tagen ein Idol. Er dachte gern, daß seine Erfahrungen denen Pages glichen, daß sie ähnlich angefangen hatten.