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»Also«, sagte Lloyd, und nahm den Faden auf, »schlagen Sie vor, daß Dave im Krematorium wartet, während wir Manovitch in seine Richtung treiben. Aber was tun wir, wenn Manovitch im Krematorium ist?« Er schaute Rajeb an.

Rajeb zuckte die Achseln. »Wie ich gehört habe, ist er sehr stark.«

Petra beugte sich über den Tisch und sagte: »Er ist ungeheuer stark. Man braucht zwanzig Mann, um ihn zu überwältigen, und sie würden dabei einander im Weg stehen. Er besitzt auch noch andere Kräfte – Kräfte, die wir nur ahnen können.« Kakerlaken liefen über Petras Hände, um an die Zuckerschale zu gelangen.

»Lassen Sie ihn erst einmal dorthin kommen«, sagte Dave. »Sobald er einmal im Krematorium ist, können wir ihn entweder zu Asche verbrennen oder ihn in Stücke schießen und ihn dann ins Feuer werfen. Meinetwegen können Sie auch die Luftwaffe rufen. Der Bastard muß vernichtet werden. Stellen Sie Männer mit Flammenwerfern, Raketenwerfern und schwerer Artillerie auf, wenn Sie möchten, aber lassen Sie es uns tun.«

»Verdammt richtig«, schrie Rajeb und schlug mit der Faust auf den Tisch.

KAPITEL DREIUNDDREISSIG

Rajeb legte weiße Blumen auf das Grab, wo Daphnes Asche in einem Zedernholzkästchen ruhte. Rajeb war weder Christ noch Anhänger einer bestimmten Religion, aber er erkannte die Gegenwart eines höheren Wesens an. Seiner Meinung nach war das Universum für gewöhnliche Sterbliche viel zu kompliziert, und da er glaubte, daß nichts, was existierte, jenseits allen Begreifens war, mußte es ein Wesen, eine Wesenheit geben, das die Komplexität begriff. Er wußte nicht, wie diese Wesenheit aussah, aber er war bereit, aufzustehen und zu jenen gezählt zu werden, die glaubten, das Leben habe einen Sinn.

»Ich werde ihn erwischen«, flüsterte Rajeb. »Ich werde dafür sorgen, daß er für das zahlt, was er dir angetan hat, Darling.«

Kakerlaken krochen über die Gräber. Rajeb war froh, daß Daphne verbrannt worden war. Die Vorstellung, daß sie sich an Daphnes sterblichen Überresten gütlich tun könnten, hätte ihn umgeworfen.

Es war ein windiger, grauer Tag. Die Wolken eilten wie Flüchtlinge über den Himmel. Die Baumwipfel schwankten, die Äste peitschten. Ein schwarzweißes Blatt Papier wurde über den Friedhof geweht, um schließlich an den Eisengittern hängenzubleiben. Rajebs lange, kohlrabenschwarze Haare legten sich um seinen Hals und spielten mit seinem Hemdkragen. Es war einer dieser Tage, der einen Abschied noch trauriger machte. Dunkle Niedergeschlagenheit war aus einer sonnenlosen Region hinabgesunken, schwebte über der Erde und machte die Atmosphäre stumpf, schwer und so trübe wie den Rauch einer Dampflok.

Rajeb schwelgte nicht in wilden Rachegedanken. Seine Vorfahren hatten einem unzivilisierten Stamm angehört, der Blutfehden als ehrenhaft und angemessen betrachtete. Sie wären bereit gewesen, einen Mann zu töten, nur weil er in ihren Schatten getreten war oder ihre Frauen zu lange angestarrt hatte. Die hitzige Natur seiner beiden Großväter war auch nach zwei Generationen noch nicht ganz aus seinem Körper herausgefiltert worden. Selbst als Junge auf dem Pausenhof einer Londoner Schule hatte sein Temperament ihm Respekt verschafft und die Schläger und Rassisten gelehrt, sich von ihm fernzuhalten.

Er hatte weiße Rosen auf Daphnes Grab gelegt. Sie standen für Unschuld und Reinheit. Rajeb schmerzte es, daß sie sich in einem Netz verfangen hatte, das durch seine Arbeit entstanden war. Wäre sie nicht seine Freundin gewesen, würde sie noch leben. Jetzt durchschaute er Manovitchs Plan, ihn aus dem Weg zu räumen, indem er ihn durch Kummer betäubte und unbeweglich machte. Nun, der Plan hatte funktioniert – wenigstens bis zu einem gewissen Grad. Doch jetzt war die Zeit des Weinens vorbei und die Zeit des Handelns gekommen. Rajeb wollte nur eins: daß Manovitch vernichtet, und daß er persönlich daran beteiligt sein würde.

Rajeb schaute auf, weil er auf der anderen Seite des Friedhofes eine Bewegung wahrgenommen hatte. Er sah eine dunkle Gestalt. Es war jemand, den er kannte. Die Gestalt kam auf ihn zu, schlängelte sich zwischen den Grabsteinen hindurch, stets darauf bedacht, nicht auf die Hügel zu treten.

»Erzdiakon?« sagte Rajeb.

»Ich bin nur gekommen, um Daphne meine Wertschätzung zu bezeugen«, sagte Lloyd ernst. Er schwieg kurz und starrte auf die frisch aufgeworfene Erde. »Seltsam, diese Ausdrücke. Wertschätzung. Ich habe sie kaum gekannt, warum also soll ich sie als Tote wertschätzen? Vielleicht…«, er schaute Rajeb an, »vielleicht halte ich Daphne für einen integren und ehrenhaften Menschen, weil ich Sie wertschätze. Ich erkenne diese Wesenszüge in Ihnen, Rajeb, und nehme deshalb an, daß auch Daphne sie besessen hat. Habe ich recht?«

Rajeb hob den Blick nicht von Daphnes Grab. »Ich weiß nicht.«

»Nun, ich denke, ich habe recht«, sagte Lloyd. »Diese Eigenschaften sind gut, besonders wenn ein Polizist sie besitzt. In Ihrem Beruf ist es, wie in meinem, leicht, korrumpiert zu werden. Nicht unbedingt durch Geldgier, sondern durch die Arbeit selbst. Polizisten haben derart häufig mit der unerquicklichen Seite des Lebens zu tun, daß sie leicht dem Irrtum erliegen können, die ganze Welt sei schlecht – es gebe keine anständigen Menschen mehr, und es sei besser, auf jeden Fall ein Geständnis zu bekommen, selbst wenn das bedeutet, daß jemand für das Verbrechen eines anderen bezahlen muß. Der gewohnheitsmäßige Kontakt mit schlechten Menschen mag für die Vorstellung verantwortlich sein, daß es, wenn alle Mensch schlecht sind, gleichgültig ist, wer für ein Verbrechen verurteilt wird. Aber das ist meiner Meinung nach ein Irrtum.«

»Was versuchen Sie mir zu sagen, Mr. Smith?«

Lloyd seufzte. »Ich denke, ich sehe in Ihnen einen guten Polizisten, einen rechtschaffenen Detective. Und diese Rechtschaffenheit muß beschützt werden. Lassen Sie sich von diesem Unglück nicht verbittern. Sie sind zu jung, um von verderbten Kreaturen wie Manovitch besudelt zu werden.«

Rajeb krümmte sich in seiner Jacke. »Ich will, daß er vernichtet wird, Mr. Smith. Ich würde ihn auch gern leiden sehen, obwohl ich nicht denke, daß er uns dieses Vergnügen machen wird. Aber ich möchte ihn brennen sehen.«

»Das ist ganz natürlich. Aber belassen Sie es dabei. Lösen Sie sich von ihm, sobald er vernichtet worden ist. Fahren Sie nicht fort, ihn in anderen zu suchen.«

Der junge Polizist nickte. »Ich will es versuchen.«

Lloyd lächelte und legte die Hand auf Rajebs Schulter. »Kommen Sie. Auf uns wartet noch Arbeit. Wir können doch nicht zulassen, daß die Yankees allen Ruhm einheimsen. Wir haben auch eine Rolle zu spielen.«

»Das hatte ich auch vor«, sagte Rajeb, während er eine Kakerlake zertrat. »Mir ist noch eine Idee gekommen.«

Lloyd bedachte ihn mit einem Seitenblick. »Eine Idee?«

»Ja. Eine Idee, wie wir Manovitch erwischen könnten.« Lloyd nickte. »Nun, es ist zwar schon ein wenig spät, aber lassen Sie hören.«

Dann gingen sie über den windigen Friedhof zu den schmiedeeisernen Toren.

Dave Peters stand unter den Augen vorsichtiger Wachposten vor der Barriere und starrte auf die Lichtkuppel. Man hatte ihm den Anschlag noch nicht verziehen, und viele Militärs hätten liebend gern gesehen, wenn man ihn aus Großbritannien ausgewiesen hätte. Es war nur Lloyd Smith’ Einfluß zu verdanken, daß er noch hier war. Dave hatte ohne Erlaubnis vom Militär okkupierten Boden betreten, und er war ein Fremder. Beides reichte für die Generäle in ihren Whitehall-Pubs aus, Versprechen und Drohungen in ihren Gin-Tonic zu speien.

Dave verbrachte die letzten Minuten vor dem Aufbruch zum Krematorium vor der Lichtkuppel, in der Hoffnung, daß Danny herauskommen würde. Dave wollte wissen, daß sein Freund lebendig und gesund war, falls etwas geschehen und er ihn nie wiedersehen sollte.