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Ein Hubschrauber kam mit trüben glühenden Scheinwerfern von Westen her über den Fluß. Er flog nur wenige Meter über dem Wasser und bewegte sich langsam, fast vorsichtig. Dave tröstete sich mit dem Gedanken, daß diese Maschinen gute Radargeräte besaßen und auch in vollkommener Dunkelheit ihren Weg finden würden. Sie schwebten wie mechanische Fledermäuse durch dieses Meer der Dunkelheit. Lloyds Männer würden zweifellos auch andere Geräte wie Nachtsichtgeräte einsetzen.

Dann versuchte Dave sich vorzustellen, was Manovitch tun würde.

Natürlich würde er sich die Dunkelheit zunutze machen. Aber wie? Würde er zum Lastkahn fliegen? Nein. Damit würde er seinen verwundbaren irdischen Körper nur als Zielscheibe anbieten. Wahrscheinlich würde Manovitch bis zum Lastkahn tauchen, während die Polizei den Himmel nach ihm absuchte.

Dave lauschte. Das Warten war eine Qual. Er bemühte sich, die Dunkelheit zu durchdringen, zu sehen, ob sich die Wasseroberfläche kräuselte. Ihm war, als befände er sich in einer Taucherkugel auf dem Meeresboden und starre in eine Dunkelheit, die nur von Nachtleuchten erhellt wurde. Nichts. Er konnte weder etwas sehen noch hören. Er konzentrierte sich stärker.

»Sind Sie noch da, Dave?«

Dave wäre vor Schreck fast über Bord gegangen. Lloyd benutzte das Megaphon eines der Polizeiboote.

»Rufen Sie mich an, Dave.«

Dave zog das Handy aus der Tasche und stellte fest, daß er vergessen hatte, nach dem letzten Anruf den Trennknopf zu drücken. Wahrscheinlich hatte Lloyd versucht, ihn zu erreichen. Nachdem er den Knopf gedrückt hatte, klingelte das Telefon. »Lloyd?«

»Am Apparat. Wir haben das Signal verstärkt, um durchzukommen. Eine schöne Bescherung, nicht wahr? Ich denke, wir hätten so etwas voraussehen sollen. Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«

»Im Augenblick, ja«, sagte Dave, während er sich nervös umschaute, »aber unser Freund muß auf dem Weg zu mir sein. Haben Sie an die Möglichkeit gedacht, daß er die ganze Strecke tauchen könnte?«

»Hören Sie zu«, sagte Lloyd. »Bleiben Sie in Kontakt. Seien Sie bereit.«

»Bereit für was? Was ist los, Lloyd?«

Einen Augenblick hörte er nichts, dann sagte Lloyd. »Es würde Sie viel zu nervös machen, wenn ich es Ihnen sagte. Glauben Sie mir. Es kommt jetzt auf jede Sekunde an, und ich möchte nicht, daß Sie durch Panik Zeit verlieren. Es ist ein guter Plan. Machen Sie sich keine Sorgen.«

»Würde ich auch nicht, wenn Sie mir sagen würden, was los ist«, schrie Dave. »Dann wüßte ich genau, was zu tun ist. Verflucht, wie soll der Plan funktionieren, wenn alles dunkel ist?«

»Die Männer im Hubschrauber können noch sehen.«

»Oh, ich nehme an, ich soll mich darüber freuen, oder?«

Lloyd seufzte hörbar. »Wir passen auf Sie auf, Mann, keine Sorge.«

»Ist das ein offizielles oder ein privates Versprechen?«

»Das Versprechen eines Freundes«, erwiderte Lloyd.

»Okay. Ich will Ihnen vertrauen. Ich muß Ihnen vertrauen. Warten Sie, ich höre jemanden…«

KAPITEL FÜNFUNDDREISSIG

Vom Bug her drang ein leises Plätschern. Dave, der am vorderen Ende des Lastkahns stand, war klar, daß er sich in unmittelbarer Gefahr befand. Er fragte sich, ob er über die strohbedeckte Stelle in der Mitte des Kahns springen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Statt dessen sprang er auf den Bootsrand, wo er balancierend stehen blieb. Dann ging er vorsichtig, Schritt für Schritt, über den abgenutzten Holzrand in Richtung Heck. Er hatte die strohbedeckte Stelle fast hinter sich, als er ausrutschte.

Im Fallen griff er nach einem glitschigen Pfosten. Es gelang ihm, sich trotz der schlüpfrigen Oberfläche festzuhalten. Daves Körper hing über der Reling, der rechte Fuß berührte das Wasser. Schließlich schaffte er es, den rechten Fuß über den Bootsrand zu hieven. Dabei fiel sein Revolver ins Wasser. Das Handy hätte den gleichen Weg genommen, wenn es sich nicht in seiner Jackentasche verheddert hätte.

»Scheiße«, murmelte Dave.

Er zog sich am Schiffsrand entlang bis zum Heck. Dann kroch er aufs Deck und rief Lloyd an.

»Ich bin jetzt am anderen Ende des Schiffes, Lloyd. Verstanden?«

Er starrte besorgt in die Dunkelheit. Die unnatürliche Nacht wirkte tropisch, feucht und schwül. Er konnte kaum die Lichter in den umliegenden Gebäuden erkennen. Es war, als schienen sie durch dichten, schwarzen Nebel. Von Süden her kam das gedämpfte Geräusch der Rotorblätter des Hubschraubers, der sich am Flußlauf orientierte. Im Osten war die Lichtkuppel des Erzengels nur noch eine verschwommene Halbkugel.

»Ich bin froh, daß Sie mir das gesagt haben«, hörte Dave die leise Stimme des Erzdiakons. »Es hätte mir ganz und gar nicht gefallen, den falschen Mann im Netz zu haben. Ist er schon an Bord?«

Während Peters mit Lloyd sprach, kletterte eine tropfnasse Gestalt über den Bug aufs Deck. Stan Gates’ Körper, jetzt in Manovitchs Besitz, stand nur zehn Meter von Peters entfernt. Die Kreatur wirkte so unbarmherzig, so entschlossen, daß es Peters kalt den Rücken hinunterlief.

Dave griff unwillkürlich nach dem Revolver, nur um festzustellen, daß das Holster leer war.

Manovitch beobachtete ihn mit offensichtlichem Vergnügen. »Du wirkst ein wenig wehrlos, Peters. Hast du danach gesucht?«

Manovitch öffnete den Mund. Flammen schossen heraus und versengten Daves Haare.

»Jesus«, schrie Dave.

»Der wird dir nicht helfen«, sagte Manovitch lachend. »Er ist beschäftigt.«

»Du bist entschlossen, mich zu töten, nicht wahr?« fragte Dave.

»Ja. Und dann werde ich die letzte Plage auf diese dummen Menschen loslassen, um die Konferenz der heiligen Männer aufzulösen.«

Dave versuchte Zeit zu schinden. »Und du glaubst, daß das funktioniert? Sie stehen kurz vor einer Einigung. Du könntest zu spät kommen.«

»Der Tod aller Erstgeborenen in London wird sie auseinanderbringen. Ich weiß es, und du weißt es.«

Dave wußte es, und er wußte auch, daß Manovitch, wenn er wollte, aus dem Stand heraus zehn Meter weit springen konnte. Dave hätte bei einem Zweikampf keine Chance, selbst wenn er die Reinkarnation von Bruce Lee wäre. Vor einem solchen Kampf brauchte man nicht einmal Wetten abzuschließen. Er konnte nur hoffen, daß es ihm gelang, Manovitch in die richtige Position zu bringen, im letzten Augenblick in die Themse zu springen und so schnell wie möglich zum Ufer zu gelangen.

Manovitch kam langsam und vorsichtig auf ihn zu, als erwarte er einen Angriff. »Aus welcher Richtung werden sie kommen, eh?« brummte er. »Sag es mir, Peters. Welche Waffen werden sie benutzen? Raketen? Flugkörper? Flammenwerfer? Dieser Jesusmixer hat auch was damit zu tun, nicht wahr?«

»Der Hubschrauber? Ja. Er ist das reinste Kanonenboot. Er wird dich in Stücke pusten«, fauchte Dave ihn mit allem Mut an, den er aufbringen konnte.

»Wenn sie diesen Körper töten«, rief Manovitch, »nehme ich einfach deinen. Hast du schon einmal daran gedacht? Ich werde diesen kleinen, niedlichen Verstand in Besitz nehmen – diesen strammen, hübschen Körper – und beides langsam und schmerzhaft vernichten. Ich werde dir deine Innereien ins Hirn hochsaugen, bis du nur noch Scheiße im Kopf hast. Ich werde deine Persönlichkeit zerstören. Ich werde dich in einen Kindermörder, einen Dieb und Triebtäter verwandeln; in einen, der mit alten Frauen herumhurt. Ich werde Vangellan finden und sie vögeln, bis sie um Gnade winselt. Ich werde ihr die verdammten Augen aus dem Gesicht ficken – wie hättest du sie gern zubereitet, Scheißkerl? Ich werde sie ficken, bis sie aus jeder Körperöffnung blutet. Und alle werden glauben, sie hätte einen wahnsinnigen Orgasmus, Peters. Sie werden lachen und sagen: ›Hör mal, die beiden feiern Manovitchs Vernichtung.‹ Und inzwischen wird sie an zuviel Manovitch unter Schmerzen sterben. Klingt lustig, nicht wahr? Wie gefällt dir das? Also hol schon deine Kanonenboote her und laß sie Stan Gates in Stücke schießen, damit ich endlich deinen anständigen, aufrechten, engärschigen Körper in Besitz nehmen kann…«