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»Was machen Sie hier?« fragte Lloyd.

»Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten«, schnappte die Frau, deren Gelassenheit für einen Moment verschwand.

Lloyd gab nicht auf. »Wie sind Sie durch die Barrieren gekommen?«

»Wir sind durch keine Barrieren gekommen«, antwortete der Jugendliche. »Wir waren schon da, bevor er kam. Wir waren da, als er landete, genau hier, an dieser Stelle. Die Leute, die durch die Barrieren kamen, sind zum Kai zurückgegangen.«

»Wen meinst du mit ›er‹? Den Erzengel?«

Der Jugendliche nickte. »Ja, wir drei haben in dem Ladeneingang geschlafen. Er sagte, wir könnten bleiben, wenn wir wollten. Er hätte nichts dagegen. Er sagte, wir sollten unsere Augen bedecken, um nicht blind zu werden.«

»Und ihr drei wart die ganze Zeit hier?« fragte Lloyd ungläubig. »Was habt ihr denn gegessen und getrunken?«

»Die ganze Zeit?« fragte der Jugendliche. »Es war doch nur eine Nacht, oder?«

»Ich will euch mal eins sagen«, meldete sich der Mann, »so gut habe ich schon lange nicht mehr geschlafen.« Er räusperte sich und spuckte aus, um seiner Behauptung Nachdruck zu verleihen.

»Fahren Sie«, sagte Lloyd zum Fahrer, einem Corporal, doch Dave unterbrach ihn: »Einen Augenblick noch.«

Dann fragte er die drei: »Haben Sie noch jemanden in der Gegend gesehen?«

»Nein.« Der Jugendliche schüttelte den Kopf. »Nur uns.«

Sie fuhren weiter. Dave lotste sie zu der Stelle, wo er Danny mit Petras Hilfe abgesetzt hatte. Doch die Treppenstufen waren leer.

»Nun, das war’s«, sagte Lloyd. »Ich schlage vor, wir fahren ins Hotel zurück.«

Dave hoffte, daß Danny dort auf sie warten würde, aber Bruder Tuck war nirgends zu entdecken.

Um zwölf Uhr mittags am selben Tag kamen die Glaubensführer dieser Welt aus ihrem Bunker. Sie lächelten und wanderten gemeinsam auf ihren bisher voneinander getrennten Wegen.

KAPITEL ACHTUNDDREISSIG

Zweiundzwanzig Uhr, St. Michael und All Angels Day, 2002 n. Chr. San Francisco.

Dave saß bei Mario, trank eine Tasse kolumbianischen Kaffee und biß gerade in eine Focaccia, als Danny durch die Tür spaziert kam und sagte: »Ich nehme das gleiche.«

Dave wäre fast vom Stuhl gefallen. »Jesus! Wo zum Teufel hast du gesteckt? Ich habe London zwei Monate lang nach dir abgesucht. Wir dachten, du wärst tot.«

Bruder Tuck kam an den Tisch, setzte sich und grinste Mutter Teresa an. Er sah gut aus, besser als früher. Er hatte abgenommen und trug einen modischen Anzug.

Danny runzelte die Stirn. »Wo ich gewesen bin? Da, wo ich war, ist es mir besser gegangen. Ich war…« Er wirkte ein wenig verwirrt, als er fortfuhr: »… um die Wahrheit zu sagen, ich weiß nicht, wo ich gesteckt habe. Ich weiß nur, daß ich heute morgen um drei Uhr über Fisherman’s Wharf spaziert bin. Ich weiß nicht einmal, welches Datum wir haben. Ich glaube, Petra hat mich irgendwo abgesetzt, bevor sie…«

»Du weißt Bescheid…«

»Ja.« Danny runzelte die Stirn. »Frag mich nicht, weshalb –ich weiß es einfach. Ich hatte diese Träume, all diese verschwommenen Bilder. Sie hat sich geopfert, nicht wahr? Sie stieg in einer Flammensäule auf – einer hellen Flamme. Sie tötete sich in einem Turm aus heiligem Feuer.«

»Sie hat Manovitch mitgenommen.«

»Ja«, sagte Danny. »Er hat schon wieder verloren, der Idiot. Das kommt davon, wenn man sich ablenken läßt und uns jagt. Rache mag ja süß sein, aber sie kann auch sehr störend wirken. Wäre er bei seinem Ziel geblieben, die Konferenz aufzulösen, hätte er es schaffen können. Statt dessen ging er auf die Jagd und tappte in eine Falle. Wie dumm er selbst als Toter noch war.«

»Aber erst eine andere tote Seele konnte ihn zur Strecke bringen.«

Danny nickte ernst. »Sieht so aus, als würde mir jede Frau genommen, für die ich mich interessiere.«

»Jetzt hör auf, dich selbst zu bemitleiden«, sagte Dave. »Was möchtest du – Geigen und Rosen? Glaubst du, ich hätte niemanden verloren? Ich habe meine Frau verloren. Und ich dachte, ich hätte dich verloren, aber da war ich wohl zu optimistisch.«

»Du bist ein zäher Bastard«, brummte Danny.

»Das muß ich sein, bei einem so gefühlvollen Wesen wie dir«, sagte Dave. »Ansonsten lägen wir beide weinend auf den Knien.« Dave griff in seine Tasche und holte Petras Kette heraus. »Petra bat mich, sie dir zu geben.«

Danny schaute sich den Anhänger an der Silberkette genauer an. Es war eine Viertelmünze.

Dave legte den Arm um seinen schmal gewordenen Freund. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich glaube, ich bin ein eifersüchtiger Hundesohn – aber sie war in dich verknallt, nicht in mich.«

Sie starrten einander minutenlang an, bis Dave lachte und Danny auf die Wange küßte, worüber in einem Cafe in San Francisco nur ein Tourist die Brauen hob.

»Scheiße. Gut siehst du aus, Bruder Tuck. Hey, haben wir den alten Hundesohn Manovitch nun verbrannt, oder was? Haben wir dem Erzengel gezeigt, was die Jungs aus San Francisco drauf haben, oder nicht? Teufel, sind wir die guten Jungs, oder sind wir die guten Jungs?«

Danny lächelte. »Mutter Teresa, Mann, wir sind die besten Jungs seit Jimmy Stewart.«

Am selben Tag, fast im selben Augenblick, wenn auch zu einer anderen Uhrzeit, fuhr Lloyd Smith über die Landstraßen von Buckinghamshire, England, als er plötzlich starke Schmerzen im Unterleib bekam. Er blinkte und fuhr an den Straßenrand, wobei er die von einem Farmtor gebildete Lücke als Parkplatz benutzte. Dort blieb er sitzen und starrte auf eine Weißdornhecke.

Die stechenden Schmerzen überfielen ihn erneut. Lloyd stöhnte und schwitzte.

Dunkle Wolken begannen über die kreisförmigen Baumgruppen auf den Hügeln zu rollen, die das Tal umgaben, durch das er gerade gekommen war. Lloyd war heiß. Er fühlte sich krank und sah in den Wolken ein unheilvolles Vorzeichen. Er hatte am Abend zuvor in Stratford-upon-Avon Macbeth gesehen und stand immer noch unter dem deprimierenden Einfluß des Stückes.

Ein Schmerz brannte sich durch seinen Unterleib.

Häßliche Gedanken schossen ihm durch den Kopf, während sein Hemd feucht wurde. Düstere, schreckliche Gedanken. Gedanken an Tod, Vergewaltigung und Geburt. Mit wachsendem Entsetzen fragte er sich, wie lange ein Teufel ausgetragen werden mußte. Würde er hier, in diesem Wagen, einer entsetzlichen Kreatur das Leben schenken? Sollte er sich darauf vorbereiten und den Wagenheber aus dem Kofferraum holen, um ihr damit den Schädel einzuschlagen?

Feuer. Brauchte er heiliges Feuer, um die Kreatur zu vernichten? Würde er – oh, er wollte lieber nicht daran denken – würde er möglicherweise dieses Wesen wie sein eigenes Kind lieben? Vielleicht würde er nicht verhindern können, daß er diese Kreatur zärtlich liebte, dieses Wesen, das auch ein Teil von ihm war?

Donnergrollen zerriß die Stille und ließ Lloyd erschreckt zusammenzucken.

Jemand klopfte ans Fenster.

Lloyd drehte das Seitenfenster herunter. Eine Frau in Wachstuchjacke, Stulpenstiefeln und mit Jagdmütze starrte ihn an. Hinter ihr stand ein Golden Retriever.

»Alles in Ordnung?« fragte sie. »Sie sehen ein wenig blaß aus.«

»Nein, mir geht es gar nicht gut«, stieß Lloyd hervor.

Sie schaute ihn genauer an. »Was haben Sie gegessen?« fragte sie. »Mein Mann ist immer so grau im Gesicht, wenn er verdorbenes Curry gegessen hat.«

Plötzlich fielen Lloyd die Austern ein. Er hatte um drei Uhr morgens in Simons Hausboot Austern gegessen. Lloyd atmete erleichtert auf. Er würde keinen Widersacher gebären. Er litt nur an einer Nahrungsmittelvergiftung.