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Mein Bruder Samuel brach jeden Kontakt ab, nachdem er England verlassen hatte. Er begann, für ein Magazin Artikel zu schreiben, und nannte mich einen britischen Kolonisten. Mich. Er ist doch derjenige, der in die Kolonien ausgewandert ist, nicht ich; also, weshalb bin ich der Kolonist? Wie dem auch sei, vielleicht verstehen Sie nun, wie ich zu meinen Vorurteilen komme. Es macht mich immer noch ein wenig wütend… Jetzt wissen Sie, was mich quält; es hat nichts mit dem Erzengel zu tun.«

Dave hatte herausgefunden, was er wissen mußte, und war zufrieden darüber, daß es nicht ihre Zusammenarbeit betraf. Was ihm Sorgen gemacht hatte, war, daß der Erzengel das Unterbewußtsein der Menschen kontrollieren konnte; woher sollten er und Danny wissen, daß sie nicht von diesem Smith manipuliert wurden? Das Geschöpf im Mittelpunkt des weißen Lichtes konnte auf die Erde gekommen sein, um die Vernichtung des gefallenen Engels zu rächen. Es hätte sie drei hierher locken können, bevor es sie zerstörte. Luzifer war einst der Engel des Lichtes. Vielleicht war dieser blendendweiße Ball überhaupt kein Erzengel. Vielleicht war er – der größte und böseste Typ aus der Hölle – gekommen, um den Tod seines jüngsten Rekruten zu rächen, nachdem sechs Jahre auf der Erde oder eine Nanosekunde in der Hölle vergangen waren. Dave konnte sich nur auf seine Intuition verlassen, und eine Ahnung hatte ihm gesagt, er solle sich um Smith’ Probleme kümmern. Jetzt wo er sie kannte, war es okay.

Nach einer Weile sagte Smith: »Ich hoffe, mein kleiner Ausbruch war Ihnen nicht peinlich?«

Danny lachte. »Verdammt, wir kommen aus San Francisco, Mann.«

»Ja.« Smith lächelte sie an. »Ich war einmal dort. Eine hübsche Stadt, nicht wahr?«

»Hübsch. Ich hoffe, das ist eine ihrer britischen Untertreibungen«, rief Danny. »Es ist die verdammt beste Stadt der Welt!«

»Oh, das würde ich nicht sagen«, erwiderte Lloyd Smith, und wurde präziser, »ich persönlich bin der Meinung, daß Florenz ein wenig mehr zu bieten hat als San Francisco.«

»Spülen Sie sich den Mund aus«, sagte Danny.

Damit ließen sie das Thema fallen. Dave starrte durch das stark getönte Glas der Limousine auf die näher kommende Lichtkuppel und fragte sich, was im Inneren des Domes vor sich ging. Falls sich ein lebendiger Erzengel dort befand: woran dachte er, und weshalb hatte er beschlossen, dort zu bleiben? Weshalb jagte er das Böse nicht selbst, statt auf Sterbliche zu vertrauen?

Dave fühlte sich sehr privilegiert, zu den Untersuchungsbeamten in diesem Fall zu gehören, obgleich er wußte, daß er nicht wegen seiner Polizeiarbeit ausgewählt worden war, sondern wegen eines Vorfalles, in den er und sein Partner vor sechs Jahre verwickelt gewesen waren. Doch sei es, wie es sei: Er war hier, arbeitete an einem großen Fall, und war zufrieden darüber.

Hätte Dave gewußt, was durch Südlondons Straßen streifte, würde er möglicherweise seine Meinung geändert haben.

KAPITEL VIER

Er plante, seinen Stützpunkt im und um den Richmond Park herum einzurichten, wo er sich von seiner Arbeit ausruhte. Bei seiner Ankunft war er sehr schwach gewesen, doch er hatte seine Kraft durch jene Nahrung aufgebaut, die nötig war, ihn wiederzubeleben. Wenige Abende, nachdem er den Körper des jungen Mannes übernommen hatte, stand er im Richmond Park und begann, Passanten anzusprechen. Seine Botschaft war nicht die eines gewöhnlichen Seifenkisten-Predigers, der die Menschen dazu drängte, ihren Sünden zu entsagen und den Pfaden der Bibel zu folgen. Tatsächlich schien er darauf zu bestehen, daß sie genau das Gegenteil taten.

Anfangs ignorierte man ihn, doch dann blieb eine Gruppe betrunkener Tölpel stehen, um ihn zu verhöhnen. Er setzte sich mit ihnen auf eine für einen Laienprediger recht spektakuläre Art auseinander: Er drohte ihnen mit Gewalt. Sie spotteten lauter. Einer der Jugendlichen nahm ihn beim Wort, und der freundlich aussehende Prediger fällte ihn mit einem einzigen Schlag seiner schmalfingrigen Faust.

Seine blauen Augen glühten und sein Mund verwandelte sich in eine rote Sichel als er schrie: »Wenn dein Bruder dich kränkt, schlag ihn nieder, hört er nicht auf, dich zu beleidigen, stampfe sein Gesicht in die Erde, zerbrich seine Knochen mit deinem Stiefel und vernichte ihn, denn er ist es nicht länger wert, dein Bruder genannt zu werden, und muß für sein Vergehen mit dem Leben bezahlen.«

Das klang sehr biblisch, wie ein Zitat aus dem Alten Testament. Jene, die es hörten, meinten, sich daran erinnern zu können. Obgleich es ein wenig verdreht schien, waren sie sich sicher, es manchmal in der Kirche oder in der Schule gelesen oder gehört zu haben. Es hörte sich genau wie die Losung an, die man brauchte, um den Hooligan-Gangs, den Autodieben, Einbrechern, Rowdys und Vergewaltigern, und der Gemeinschaft der Mörder den Garaus zu machen.

Die anderen Jugendlichen wollten ihrem Freund helfen, der am Boden lag, während der Prediger auf seinem Kopf herumstampfte. Sie zogen Eisenstangen und Hämmer, Messer und Fahrradketten hervor, mit der Absicht, dem Prediger eine Lektion zu erteilen, doch ihnen wurde die Lektion erteilt: einem wurde der Arm gebrochen, einem anderen der Kiefer. Der unbewaffnete Prediger bewegte sich wie ein Blitz. Seine Kraft strafte seine schlanke Gestalt Lügen; er kämpfte wie eine Wildkatze. Die Jugendlichen flüchteten, schleiften ihre Verwundeten mit sich und schrien Zeter und Mordio.

In der Zwischenzeit hatten sich eine Menge Schaulustiger versammelt.

»Ihr braucht euch diese Einschüchterungen nicht gefallen zu lassen«, sagte der gutaussehende junge Prediger. »Wenn jemand euch bedroht, gebt ihm das, was er verdient. Wir wurden schon viel zu lange von Maulhelden und Feiglingen eingeschüchtert. Wenn ein Fremder nachts in euer Haus einbricht, dürft ihr ihn dann angreifen?«

»Es ist gegen das Gesetz, mehr Gewalt als notwendig anzuwenden«, meldete sich eine Stimme aus der Menge.

»Aber woher wißt ihr, wieviel Gewalt notwendig ist? Woher wißt ihr, daß er nicht gekommen ist, um euch zu töten? Ich rate euch, ihm bei der erstbesten Gelegenheit ein Messer in den Leib zu stoßen, oder – falls ihr ein Gewehr habt – es zu benutzen. Erklärungen können später abgegeben werden.«

Ohne es zu wollen, war die Menge von dieser ultrarechten Rhetorik hypnotisiert. Normalerweise wären ihnen solche Reden unangenehm gewesen, aber wenn sie in die Augen des jungen Mannes schauten, kam es ihnen vor, als hörten sie endlich die Wahrheit. Er sah nicht kräftig genug aus, um sich selbst zu verteidigen, dennoch hatten sie gesehen, wie er sich erfolgreich gegen sieben starke, bewaffnete Jugendliche wehrte. Sicher war er eine Art rächender Puritaner – gekommen, die Welt von ihrem Abschaum zu säubern.

Er hatte einen so sanften Tonfall, eine so schmeichelnde Stimme. Gewiß konnte ein junger Mann wie er, der wie ein Engel aussah, nicht schlecht sein. Und wenn er nicht schlecht war, mußte er gut sein, und die Worte, die er sprach, mußten wahr sein.

Sie fielen unter seinen Bann, tranken seine Worte, nickten einander zu und sagten: »Ja, er hat recht, weshalb sollen wir uns alles gefallen lassen? Weshalb haben wir diese mentalen Blockaden? Wir sollten das Recht in die eigene Hand nehmen und die Dinge auf unsere Weise regeln. Das nächste Mal, wenn wir jemanden sehen, der eine Handtasche stiehlt, einen Ladendiebstahl begeht oder eine Wand besprüht, werden wir ihn lynchen, bei Gott, und ihn am nächsten Laternenpfahl oder Baum aufknüpfen. Wir sollten sie an ein Auto binden und durch die Gegend schleifen. Danach werden sie es nie wieder tun.«