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Die Predigt wurde immer frevelhafter, nährte das Tier in ihnen, aber die Menge, die jetzt Hunderte zählte, hörte nur, was ihnen als die Stimme des gesunden Menschenverstandes erschien. Zu lange schon, erklärte er ihnen, hätten sie gelitten und die andere Wange hingehalten; jetzt, jetzt, sei die Zeit gekommen, sich zu erheben und zurückzuschlagen. Die Worte des jungen Mannes erreichten einen Grund, wo Mr. Hyde sich regte, erwachte und lauschte. Das Tier in ihnen wuchs, erfüllte Seele und Geist. Der reine Teil ihres Denkens löste sich ab und flog davon, und der verfaulte, krebsige Teil kroch durch ihren Körper, durchwucherte ihn.

Der Lieferwagen eines politischen Kandidaten samt Lautsprechersystem wurde requiriert, und der junge Aufwiegler konnte nun bequem zu den Tausenden sprechen, die inzwischen vor ihm standen. Er sagte, er sei gekommen, um sie zu retten – nicht vor der Sünde, sondern vor der Tyrannei. Er sei gekommen, um sie aus der Wüste der Qual in eine Zukunft zu führen, in der es keine Angst mehr gab. Doch erst müßten die Straßen mit dem Blut der Schuldigen überflutet werden.

»Ihr müßt euch erheben und für das kämpfen, was euch gehört, und niemanden zwischen euch und das Gesetz lassen.«

Sie jubelten ihm zu. Jeder, der eine andere Meinung vertrat, wurde von Mitgliedern des Mobs niedergeschrien, von gepflegt aussehenden Männern und Frauen zum Schweigen gebracht, die zum Team des Predigers zu gehören schienen. Sie waren als Individuen gekommen, doch sie erkannten einander augenblicklich, und sie betrachteten den Prediger als einen der ihren. Es war, als hätten sie auf ihn, der für sie so etwas wie ein Messias war, gewartet, damit er sie anführe.

Ein Polizeiwagen fuhr vor. Mehrere Polizisten stiegen aus, bahnten sich einen Weg durch die Menge und bauten sich vor den Leuten auf.

»Zeit, nach Hause zu gehen«, rief ein älterer Beamter. »Trollt euch.«

Der Prediger schien größer zu werden, sein Gesicht verwandelte sich in eine schreckliche Maske, seine Stimme klang nicht mehr sanft. Er brüllte ins Mikrofon. »Diese Polizisten wurden bestochen. Sie nehmen Geld von der Mafia. Die Verbrecher benutzen sie, während wir uns in unseren Straßen, in unseren Häusern, in unseren Betten ängstigen. Die Schuldigen laufen frei herum, während die Unschuldigen gerade von jenen in Zellen geworfen und geprügelt werden, die uns schützen sollen. Sie verdienen es, gesteinigt zu werden…«

Es waren nicht die Worte, die er sprach, sondern der Ton seiner Stimme, der die Menge rasend machte. Die Polizisten wurden zu Boden gezerrt, getreten und geschlagen, als sie versuchten, sich ihren Weg durch die Menge zu erzwingen. Einer von ihnen, ein junger Constable, nicht älter als zwanzig, geriet in Panik, zog seinen Gummiknüppel und begann, um sich zu schlagen. Die gepflegt aussehenden Bodyguards des Predigers bemächtigten sich seiner. Zwei Frauen zogen ihn an einem Parkbaum hoch und erhängten ihn mit seinem eigenen Gürtel vor der plötzlich schweigenden Menge. Sein Gesicht wurde zu einer Maske des Entsetzens, während er verzweifelt an dem Ledergürtel riß. Dann hörte er plötzlich auf, um sich zu treten. Seine Augen trübten sich, sein Körper wurde schlaff.

Einige Menschen verzogen sich, liefen in die Nebenstraßen, offensichtlich von dem erschreckt, was sie gesehen hatten. Andere blieben, immer noch hypnotisiert. Der Prediger fing an, den Mob mit sanfter Stimme aufzuhetzen, erinnerte sie an die Greueltaten, die von Straßenbanden, Rowdys – und der Polizei an ihnen verübt wurden. Die Menge bemächtigte sich des Benzins aus dem Polizeiwagen und aus anderen Wagen, die um den Park herumstanden. Die Menschen zogen den übel zugerichteten Polizisten die Uniformen aus und verbrannten sie. Sie stoppten Autofahrer, zerrten sie aus ihren Wagen, warfen die leeren Autos um und verbrannten sie.

»Du sollst die Bösen bestrafen«, schrie der junge Prediger, »du sollst deine Feinde vernichten.«

Die Menge brüllte entzückt.

»Und jetzt geht«, rief der Prediger. »Geht und zerrt die Selbstgefälligen aus ihren Häusern; sagt ihnen, daß den Sanftmütigen niemals die Erde gehören wird, daß nur die Starken überleben werden. Und wenn sie sagen, daß sie euch nicht helfen wollen, dann verbrennt ihre Wagen, verbrennt ihre Häuser, laßt sie für ihre Selbstzufriedenheit bezahlen…«

So begann der Aufruhr, der sich über die Straßen von Richmond und noch darüber hinaus ausbreitete. Wahnsinn lag in der Luft, eine Gier nach Blut, die in jeder dem Menschen bekannten Weise gestillt wurde. Es gab Mord und Vergewaltigung, alte Rechnungen wurden augenblicklich beglichen, alte Fehden wieder aufgenommen und bis zum blutigen Ende ausgetragen.

Acht Stunden lang dauerte das Gemetzel. Die Häuser und Parks von Richmond stanken nach geronnenem Blut. Das Böse hatte sich in der Nachbarschaft etabliert, und selbst bewaffnete Polizisten und die Armee würden es nicht ausrotten können.

Auf der Karte wurde ein ungleichmäßiger Kreis um Richmond gezogen, und überall in diesem Kreis war es unsicher: eine Frau würde garantiert angegriffen, wenn sie sich ungeschützt dort aufhielt; ein Mann überfallen und geschlagen, oft auch getötet, wenn er mit Höchstgeschwindigkeit durch die Straßen fuhr, mit verriegelten Türen.

»Wurdest du gesandt, um uns zurückzuholen?« fragten die eleganten, jungen Bodyguards den Prediger.

»Nein. Aber es wäre klug von euch, mir zu helfen, während ich hier bin«, erwiderte er. »Sobald der Sieg unser ist, werden wir zurückkommen und uns um jene kümmern, die uns im Stich gelassen haben. Es wäre besser für euch, wenn ich berichten könnte, daß ihr von Nutzen gewesen seid.«

Die jungen Männer nickten einander zu. »Sag uns, was wir tun sollen.«

Und so wurde des Predigers Stützpunkt errichtet, und sein verderblicher Einfluß breitete sich aus, reichte fast bis nach Hounslow im Westen und Wandsworth im Osten. Barnes und Surbiton bildeten die Nord- und Südgrenze. Innerhalb dieses Kreises war sein Einfluß unglaublich stark; er verdarb nicht nur die gewöhnlichen rechtschaffenen und anständigen Leute, sondern auch die Polizei, den Magistrat, die Politiker und jedes Mitglied des Beamtenstandes.

Bei hellem Tageslicht wurden auf der Straße Menschen gemordet und vergewaltigt, während andere zuschauten und sich darüber lustig machten. Gesetz und Ordnung brachen zusammen, die Polizei nahm Bestechungsgelder an und bildete ihre eigenen gesetzlosen Gruppen. Es gab Unzucht auf öffentlichen Plätzen, Trunkenheit, Entführungen von Kindern, Meuchelmorde, Schlägereien und alle Arten von Laster und Verbrechen. Wilde Exzesse wurden gefördert, und schon bald gerieten die Sanftmütigen unter die Stiefel der Brutalen.

Lautere Polizisten wurden aus anderen Teilen Londons abkommandiert, nur um sofort nach ihrer Ankunft verdorben zu werden. Die Unbestechlichen wurden von schnellen Wagen überfahren, von ihren Vorgesetzten zu abscheulichen Taten gezwungen, oder einfach nur tot im Rinnstein gefunden. Der Drogenmißbrauch blühte. Kirchen wurden geschlossen, niedergebrannt, oder für ruchlose Zwecke mißbraucht.

Jene, die nicht zu der Szene innerhalb des dunklen Kreises gehören wollten, flohen oder wurden eingeschüchtert. Eine Fäulnis hatte das Herz von Richmond befallen; ein Krebs, der unmöglich auszurotten war. Es kam so weit, daß sich kein Außenstehender, es sei denn, er war selbst böse, in das Getto wagte. Jene, die nördlich des Flusses oder im sauberen Süden der Stadt mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren, suchten Schutz in dieser verpesteten, verderbten Region.

In Richmond war die normale Verbrechensbekämpfung eingestellt worden, und die Verbrecher konnten tun und lassen, was ihnen gefiel. Der Drogenhandel wurde zu einem ungehinderten Geschäft. Überall konnte man Dealer sehen, die offen Kokain, Crack, Heroin verkauften, oder was immer die Käufer verlangten.

»Weshalb bist du hier?« fragten die neuen Anhänger des Predigers, aus denen sich seine Bodyguards rekrutierten, als dieser im Richmond Park eine schwarze Messe feierte.