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Rhonin beobachtete überrascht, wie sich die Waldläuferin in eine charmante und reizende junge Frau verwandelte. Ihre Verwandlung veränderte auch Duncan Senturus. Sie scherzte mit dem ergrauenden Ritter und schien an seinen Lippen zu hängen. Ihre Persönlichkeit hatte sich so sehr verändert, dass der Zauberer, der sie beobachtete, kaum glauben konnte, dass es sich um die gleiche Frau handelte, die ihn seit Tagen als Führerin und Helferin begleitete.

Duncan erzählte ausschweifend von den nicht gerade bescheidenen Anfängen seines Lebens als Sohn eines reichen Lords, der dem Orden beitrat, um sich einen Namen zu machen. Obwohl die anderen Ritter die Geschichte schon oft gehört haben mussten, hörten sie aufmerksam zu, sahen ihren Anführer wohl als leuchtendes Beispiel für ihre eigenen Karrieren. Rhonin beobachtete einen nach dem anderen und bemerkte mit leichtem Unbehagen, dass die Paladine kaum blinzelten oder atmeten, während sie der Geschichte lauschten.

Vereesa kommentierte die meisten Teile seiner Erzählung und ließ sogar die einfachsten Taten des älteren Mannes wundersam und mutig erscheinen. Sie spielte ihre eigenen Leistungen herunter, als Lord Senturus sie nach ihrer Ausbildung fragte, obwohl Rhonin sicher war, dass die Waldläuferin ihren Gastgebern in mancherlei Hinsicht überlegen war.

Der Paladin war hingerissen von ihrer Art und wurde immer ausschweifender, aber Rhonin hatte schließlich genug. Er verabschiedete sich – was niemand weiter beachtete – und eilte nach draußen, um frische Luft zu schöpfen und die Einsamkeit zu suchen.

Nacht lag über der Festung, eine mondlose Dunkelheit, die den hochgewachsenen Zauberer wie eine Decke einhüllte. Er freute sich darauf, Hasic zu erreichen und seine Reise nach Khaz Modan fortzusetzen. Dann war endlich Schluss mit Waldläufern, Paladinen und anderen nutzlosen Narren, die ihn nur von seiner eigentlichen Aufgabe abhielten. Rhonin arbeitete am besten allein, das hatte er schon vor der letzten Katastrophe, in die er geschlittert war, klar zu machen versucht. Aber man hatte ihm kein Gehör geschenkt, und er hatte den Befehlen gehorchen müssen, um den Sieg zu erzwingen. Die anderen Teilnehmer der Mission hatten seine Warnungen ignoriert und die Erfordernisse ihrer gefahrvollen Mission nicht begriffen. Mit dem typischen Hochmut der Untalentierten hatten sie sich zwischen seinen mächtigen Zauberspruch und die eigentlichen Ziele – eine Gruppe von Ork-Zaubermeistern, die etwas von den Toten hatten auferstehen lassen wollen, das manche für einen Dämon aus den alten Legenden hielten – gedrängt und waren dabei mit umgekommen.

Rhonin bedauerte jeden einzelnen Toten mehr, als er seinen Herren im Kirin Tor jemals gezeigt hatte: Sie verfolgten ihn, stachelten ihn zu immer riskanteren Unternehmen an … und was konnte gefährlicher sein, als ganz allein zu versuchen, die Drachenkönigin aus ihrem Gefängnis zu befreien?

Er musste dies allein schaffen, nicht nur des Ruhmes wegen, den es ihm einbringen würde, sondern auch, so hoffte Rhonin, um die Geister seiner toten Kameraden friedlich zu stimmen; Geister, die ihm keinen Moment der Ruhe gönnten. Selbst Krasus wusste nichts von diesen Heimsuchungen – was gut war da er sonst wahrscheinlich an Rhonins Verstand und seinem Wert gezweifelt hätte.

Der Wind frischte auf, als er die Festungsmauer erklomm. Einige Ritter standen Wache, aber die Neuigkeit seiner Anwesenheit in der Bastion schien sich herumgesprochen zu haben. Nachdem ihn der erste Wächter mithilfe seiner Laterne erkannt hatte, wurde Rhonin erneut zum Ausgestoßenen. Das störte ihn jedoch nicht; ihn interessierten die hiesigen Krieger ebenso wenig wie er sie.

Jenseits der Festung verwandelten die vagen Umrisse der Bäume die Landschaft in etwas Magisches. Rhonin hätte am liebsten die fragwürdige Gastfreundschaft verlassen und sich einen Schlafplatz unter einer Eiche gesucht. Dann hätte er wenigstens nicht mehr den frömmelnden Worten von Duncan Senturus zuhören müssen, der sich nach Meinung des Magiers wesentlich stärker für Vereesa interessierte, als es einem Ritter des heiligen Ordens zustand. Natürlich hatte sie schöne Augen und ihre Kleidung betonte ihre Figur …

Rhonin verbannte den Anblick der Waldläuferin aus seinen Gedanken. Das erzwungene Exil während seiner Bewährungszeit schien ihn stärker beeinflusst zu haben, als er geglaubt hatte. Die Magie war seine Geliebte und kam vor allem anderen. Wenn Rhonin doch nach der Gesellschaft einer Frau suchte, dann bevorzugte er den gefügigen Typ, die verzogenen jungen Damen an den Höfen etwa oder die leicht zu beeindruckenden Dienstmägde, denen er mitunter auf seinen Reisen begegnete. Sicherlich aber keine arroganten, elfischen Waldläuferinnen …

Er wandte seine Gedanken wichtigeren Dingen zu. Zusammen mit seinem Pferd hatte Rhonin auch die Gegenstände verloren, die er von Krasus erhalten hatte. Er musste versuchen, Kontakt zu dem anderen Zauberer herzustellen, um ihn wissen zu lassen, was geschehen war. Der junge Magier bedauerte, dass er das tun musste, aber er schuldete Krasus zu viel, um dies nicht wenigstens zu versuchen. Rhonin dachte nicht daran umzukehren; damit hätte er jegliche Hoffnung zunichte gemacht, die Achtung der anderen Zauberer jemals wiederzuerlangen – oder die Achtung vor sich selbst.

Er betrachtete seine Umgebung. Seine Sehschärfe war überdurchschnittlich, aber er entdeckte keine Wachen in der Nähe. Die Mauer eines Turms schützte ihn vor den Blicken des letzten Mannes, dem er auf seinem Weg begegnet war. Für den Moment schien dies ein guter Platz zu sein. Sein Zimmer hätte es vielleicht auch getan, aber Rhonin zog es vor, draußen zu sein, um die dumpfen Gedanken aus seinem Hirn zu verbannen.

Aus einer verborgenen Tasche seiner Robe zog er einen kleinen dunklen Kristall hervor. Nicht gerade die beste Möglichkeit, um eine Verbindung über Meilen hinweg herzustellen, aber die einzige, die ihm geblieben war.

Rhonin hielt den Kristall dem hellsten der schwachen Sterne am Himmel entgegen und begann die Worte der Macht zu sprechen. Das Innere des Steins begann zu leuchten und wurde heller, je länger er redete. Mystische Worte kamen über seine Zunge – und im nächsten Moment verschwanden die Sterne …!

Rhonin brach den Zauberspruch mitten im Satz ab und starrte zum Himmel. Nein, die Sterne, auf die er sich konzentriert hatte, waren nicht verschwunden; er konnte sie noch immer sehen. Aber für einen kurzen Moment, nicht länger als ein Lidschlag, hätte er geschworen …

Seine Gedanken gerieten ins Stocken.

Meine Einbildungskraft und die Erschöpfung haben mir einen Streich gespielt, dachte er. Wenn man berücksichtigte, was an diesem Tag alles passiert war, hätte Rhonin besser daran getan, gleich nach dem Essen zu Bett zu gehen – stattdessen hatte er sich an diesem schweren Zauberspruch versucht. Je eher er ihn hinter sich brachte, desto besser. Er wollte morgen wieder vollständig erholt sein, denn Lord Senturus würde sicherlich ein schnelles Tempo vorlegen.

Erneut hob Rhonin den Kristall und begann, die Worte der Macht zu sprechen. Noch einmal würde er sich nicht durch eine Sinnestäuschung.

»Was tust du hier, Zauberer?«, fragte eine tiefe Stimme.

Rhonin fluchte wutentbrannt über die neuerliche Störung. Er drehte sich zu dem Ritter um, der auf ihn zugekommen war, und fauchte: »Nichts, was –«

Eine Explosion erschütterte die Mauer.

Der Kristall entfiel Rhonins Hand. Er hatte keine Zeit, danach zu greifen, musste stattdessen darauf achten, nicht von der Mauer in den sicheren Tod zu stürzen – was ihm gelang.

Dem Wächter war dieses Glück nicht beschieden. Als die Mauer unter ihm erbebte, fiel er nach hinten, schlug zuerst gegen die Brüstung und rutschte dann darüber hinweg. Sein Schrei ging Rhonin durch Mark und Bein, bis er jäh, mit dem Aufschlag unten, abbrach.

Die Explosion war vorbei, aber ihre Erschütterungen setzten sich immer noch fort. Der verzweifelte Zauberer hatte gerade sein Gleichgewicht wiedergewonnen, als ein Teil der Mauer in sich zusammenstürzte. Rhonin rannte auf den Wachturm zu, in der Hoffnung, dort mehr Sicherheit zu finden. Er erreichte die für und das Innere – doch da begann sich der Turm bedenklich zu neigen.