Выбрать главу

Rhonin versuchte, das Gemäuer wieder zu verlassen, aber der Türrahmen brach in sich zusammen. Er war gefangen.

Schnell begann er, einen Zauberspruch aufzusagen, auch wenn er fürchtete, dass es auch dafür schon zu spät war. Die Decke fiel ihm entgegen …

… und gleichzeitig wurde er von etwas, das wie eine gigantische Hand anmutete, in den Würgegriff genommen. Er konnte nicht mehr atmen und verlor das Bewusstsein.

Nekros Skullcrusher brütete über dem Schicksal, das die Knochen ihm vor langer, langer Zeit enthüllt hatten. Der alte Ork spielte mit einem gelben Reißzahn, während er die goldene Scheibe in seiner anderen Hand betrachtete und sich fragte, wie jemand, dem es gelungen war, solche Macht zu erlangen, dazu gezwungen werden konnte, Kindermädchen und Aufpasser für ein schlecht gelauntes Weibchen zu spielen, dessen einziger Zweck es zu sein schien, Nachkommen zu gebären. Natürlich hatte die Tatsache, dass sie der größte aller Drachen war, etwas mit seiner Entscheidung zu tun – ebenso wie die Erkenntnis, dass er ohne sie, mit nur noch einem Bein, das er besaß, niemals seinen Rang als Clanführers hätte halten können.

Die goldene Scheibe schien ihn zu verhöhnen – seit jeher. Dennoch dachte der verkrüppelte Ork nicht daran, sie wegzuwerfen. Durch sie war er erst in die Position gerückt, die ihm den Respekt der anderen Krieger sicherte … auch wenn er den Respekt vor sich selbst an dem Tag verloren hatte, als der menschliche Ritter ihm die untere Hälfte seines linken Beins abgehackt hatte.

Er hatte den Menschen getötet, es aber nicht geschafft, aus eigener Kraft das Schlachtfeld zu verlassen. Stattdessen hatte er sich von anderen schleppen lassen müssen. Sie hatten seine Wunde gereinigt und ihm die Prothese gebaut, die sein fehlendes Stück Bein ersetzte.

Sein Blick fand den Kniestumpf und das Holzbein, das daran befestigt war. Er würde keinen ruhmreichen, blutigen, todesnahen Kampf mehr erleben. Andere Krieger hatten sich aufgrund weniger schwerer Verletzungen selbst gerichtet, aber Nekros schaffte es einfach nicht, seine Ehre auf diese Weise wiederherzustellen. Allein der Gedanke an die Klinge an seiner Kehle oder in seiner Brust erfüllte ihn mit einem Schaudern, das er vor den anderen nicht einmal erwähnen durfte. Nekros Skullcrusher wollte leben, egal, was es ihn kostete.

Es gab einige im Dragonmaw-Clan, die ihn schon längst zu den ruhmreichen Schlachtfeldern des Lebens nach dem Tode geschickt hätten, wäre er nicht ein so talentierter Zauberer gewesen. Schon früh hatte man sein Talent für jene Künste entdeckt, und er war von den besten Magiern unterrichtet worden. Allerdings hätte das Leben eines bekennenden Zauberers Entscheidungen von ihm abverlangt, die Nekros nicht zu treffen bereit war; dunkle Entscheidungen, die seiner Ansicht nach der Horde nicht gedient, sondern sie, im Gegenteil, unterwandert hätten. Er war vor ihnen geflohen und zu den Kriegern zurückgekehrt, aber mitunter verlangte sein Häuptling, der große Schamane Zuluhed, den Einsatz seiner anderen Talente von ihm – so auch, als es darum ging, etwas zu vollbringen, was von den meisten Orks als aussichtslos betrachtet worden war: die Gefangennahme der Drachenkönigin Alexstrasza.

Zuluhed beherrschte die rituelle Magie des alten Schamanenglaubens wie nur wenige seit Gründung der Horde, aber für diese spezielle Aufgabe hatte er die dunkleren Kräfte benötigt, in denen sich Nekros auskannte. Über Wege, die der weise Ork seinem verkrüppelten Begleiter nie enthüllt hatte, war Zuluhed in den Besitz eines uralten Talismans gekommen, der angeblich zu gewaltigen Wundern imstande war. Allerdings hatte der Talisman nicht auf die Schamanen-Sprüche reagiert, obwohl der Häuptling sich die allergrößte Mühe gab. Deshalb hatte sich Zuluhed an den einzigen Zauberer wenden müssen, dem er vertrauen konnte, einen Krieger, der loyal zum Dragonmaw-Clan stand.

Und so hatte Nekros die Dämonenseele erhalten.

Zuluhed hatte der zierdelosen goldenen Scheibe diesen Namen verliehen, obwohl der andere Ork den Grund dafür zunächst nicht verstanden hatte.

Nekros drehte sie zwischen seinen Händen und bewunderte, wie schon so oft, ihr beeindruckendes, wenn auch schlichtes Aussehen. Sie bestand aus reinem Gold und hatte die Form einer Münze mit abgerundeten Rändern. Sie leuchtete selbst im geringsten Licht und nichts konnte sie beschmutzen. Öl, Schlamm, Blut … alles perlte davon ab.

»Sie ist älter als die Magie der Schamanen oder der Zauberer«, hatte Zuluhed ihm gesagt. »Ich kann damit nichts anfangen, aber du vielleicht …«

Obwohl der holzbeinige Ork ausgebildet worden war, bezweifelte er, dass er, der den dunklen Künsten eigentlich abgeschworen hatte, mehr erreichen würde als sein legendärer Häuptling. Trotzdem hatte er den Talisman angenommen und versucht seinen Nutzen zu ergründen.

Zwei Tage später war ihnen dank seines unglaublichen Erfolgs und Zuluheds leitender Hand etwas gelungen, was niemand, vor allem die Drachenkönigin, je für möglich gehalten hätte.

Nekros grunzte und erhob sich langsam. Dort, wo das Holz gegen sein Knie stieß, schmerzte sein Bein; ein Schmerz, der durch das enorme Gewicht des bauchigen Ork noch gesteigert wurde. Nekros machte sich keine Illusionen über seine Führungsqualitäten. Es fiel ihm ja schon schwer, die Höhlen zu durchwandern.

Es war Zeit für einen Besuch bei Ihrer Hoheit. Er musste dafür sorgen, dass sie nicht vergaß, ihre Pflichten zu erfüllen. Zuluhed und die wenigen anderen Clanführer, die noch in Freiheit lebten, träumten immer noch von der Wiederauferstehung der Horde. Sie wollten die Orks, die von dem Schwächling Doomhammer im Stich gelassen worden waren, zum Aufstand bewegen. Nekros zweifelte an der Erfüllbarkeit dieser Träume, aber er war ein loyaler Ork, und als loyaler Ork folgte er den Befehlen seines Kommandanten aufs Wort.

Mit der Dämonenseele in der Hand hinkte der Ork durch die dunklen Gänge der Höhlen. Der Dragonmaw-Clan hatte hart geschuftet, um das vorhandene System, das sich durch die Berge zog, zu erweitern. Das komplexe Gangsystem erleichterte den Orks die schwierige Aufgabe des Aufziehens und Ausbildens der Drachen zur Unterstützung der Horde. Drachen benötigten viel Raum und ihre eigenen Räumlichkeiten, die erst einmal ausgehoben werden mussten.

Heute gab es natürlich weniger Drachen, eine Tatsache, die Zuluhed und andere in letzter Zeit häufiger in Nekros Beisein erwähnten. Sie benötigten Drachen, wenn ihre verzweifelten Angriffe doch noch irgendwann von Erfolg gekrönt sein sollten.

Und wie soll ich sie dazu bringen, schneller zu brüten?, dachte Nekros bei solchen Gelegenheiten.

Zwei jüngere, kräftige Krieger gingen an ihm vorbei. Sie waren über zwei Meter groß und doppelt so breit wie ihre menschlichen Gegner. Sie neigten leicht die Köpfe und bekundeten ihren Respekt vor seinem Rang. Riesige Schlachtäxte hingen in Gurten auf ihren Rücken. Es waren neue Drachenreiter. Die Todesfälle unter den Reitern waren ungefähr doppelt so hoch wie unter ihren Tieren, was am häufigen Verlust jeglichen Halts im Kampfe lag. Früher hatte sich Nekros gefragt, ob dem Clan zuerst die Krieger oder die Drachen ausgehen würden, aber er hatte dies nie Zuluhed gegenüber zur Sprache gebracht.

Der Ork humpelte weiter durch das Labyrinth der Gänge und vernahm schon bald die typischen Geräusche, die auf die Gegenwart der Drachenkönigin hinwiesen. Er bemerkte das angestrengte Atmen, das als Echo von den Wänden zurückprallte, als würde Dampf aus den Tiefen der Erde emporsteigen. Nekros wusste, was das mühsame Atemschöpfen bedeutete. Er war zum genau richtigen Zeitpunkt eingetroffen.

Es standen keine Wachen an dem aus Stein gehauenen Eingang zur großen Kammer des Drachens, dennoch blieb Nekros stehen. Es hatte bereits frühere Versuche gegeben, den riesigen roten Drachen zu befreien oder ihn zu beseitigen, aber sie hatten jedes Mal mit dem Tod geendet. Nicht die Königin war dafür verantwortlich – sie hätte jeden Mörder sehnsüchtig willkommen geheißen –, sondern eine eher unerwartete Fähigkeit des Talismans, den Nekros in Händen hielt.