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Alterac und Stromgarde waren benachbarte Königreiche, die schon seit den ersten Tagen des Krieges in Zwietracht lagen. Thoras Trollbane hatte die ganze Macht von Stromgarde hinter das Bündnis von Lordaeron gestellt. Mit Khaz Modan als Nachbar war es für das gebirgige Königreich nur vernünftig, eine gemeinsame Aktion zu unterstützen. Auch konnte sich niemand über die Entschlossenheit von Trollbanes Kriegern beschweren. Ohne sie hätten die Orks in den ersten Wochen des Krieges große Bereiche des Bündnisses überrannt, was sicherlich zu einem anderen Ausgang der Ereignisse geführt hätte. Alterac, auf der anderen Seite, hatte zwar viel vom Mut und der Gerechtigkeit der Sache geredet, aber dazu um so weniger mit seinen eigenen Truppen beigetragen. Wie Gilneas hatte Alterac nur zögernd Unterstützung geleistet, aber während Genn Greymane sich aus Ehrgeiz zurückgehalten hatte, kursierten Gerüchte, dass Lord Perenoldes Beweggrund dafür einzig Angst gewesen sei. Sogar unter den Kirin Tor war sehr früh die Frage laut geworden, ob Perenolde nicht vielleicht sogar ein Abkommen mit Doomhammer erwogen hätte, wäre das Bündnis unter den unerbittlichen Angriffen zerbrochen.

Diese Befürchtung hatte sich glücklicherweise nicht bestätigt. Zwar hatte Perenolde das Bündnis tatsächlich verraten, doch die Folgen seiner schäbigen Tat waren nicht von langer Dauer gewesen.

Als Terenas davon erfuhr, hatte er auf dem schnellsten Weg Truppen nach Alterac entsandt und den Ausnahmezustand verkündet. Durch den sich ausbreitenden Krieg hatte sich niemand in der Lage gesehen zu protestieren, nicht einmal Stromgarde. Nun, da der Frieden erreicht war, verlangte Thoras Trollbane, dass Stromgarde als gerechten Anteil für die von ihm erbrachten Opfer den gesamten östlichen Teil des verräterischen Nachbarlandes erhielt.

Terenas sah das anders. Er debattierte immer noch über die Vorzüge, die ein Anschluss Alteracs an sein eigenes Königreich brächten, und die Möglichkeit, einen neuen und einsichtigeren Regenten auf den Thron zu setzen – vermutlich in Hinblick auf die ureigenen Interessen Lordaerons.

Trotz allem war Stromgarde in diesem Kampf ein loyaler und standfester Verbündeter gewesen, und alle wussten von der Bewunderung, die Thoras Trollbane und Terenas einander entgegen brachten. Das machte die politische Situation, die sich zwischen beide gestellt hatte, nur umso trauriger.

Gilneas unterdessen hatte keine solche Beziehung zu all diesen beteiligten Ländern; es hatte sich von den anderen Nationen der westlichen Welt stets abgegrenzt. Sowohl die Kirin Tor als auch König Terenas wussten, dass Genn Greymane sich nicht nur einmischte, um sein eigenes Prestige zu erhöhen, sondern auch, um seine Expansionspläne zu verfolgen. Einer von Lord Perenoldes Neffen war nach dem Verrat in das Land geflüchtet, und das Gerücht, dass Greymane seinen Anspruch auf die Thronfolge unterstützte, hielt sich hartnäckig. Eine Basis in Alterac würde Gilneas Zugang zu Rohstoffen gewähren, über die das südliche Königreich selbst nicht verfügte, und einen Grund bieten, seine mächtigen Schiffe über das Große Meer zu schicken. Dies wiederum würde Kul Tiras in seine Rechnung mit einbeziehen, denn die Seefahrer-Nation war sehr darauf bedacht, ihre maritime Überlegenheit zu bewahren.

»Dies wird das Bündnis auseinander reißen …«, murmelte die junge Zauberin mit hörbarem Akzent.

»Dazu ist es noch nicht gekommen«, bemerkte der Elfenzauberer, »aber vielleicht wird es dies bald. Und deshalb haben wir keine Zeit, uns mit Drachen zu befassen. Wenn Deathwing lebt und sich entschieden hat, seinen Kampf gegen Alexstrasza wiederaufzunehmen, werde ich für mein Teil ihn nicht daran hindern. Je weniger Drachen es auf dieser Welt gibt, desto besser. Ihre Tage sind ohnehin gezählt.«

»Ich habe gehört«, sagte eine Stimme mit keinerlei geschlechtsspezifischem Merkmal, »dass Elfen und Drachen früher einmal Verbündete waren, wenn nicht sogar gute Freunde.«

Der Elf drehte sich zu dem letzten der Weisen um, einer schlaksigen Gestalt, nicht viel mehr als ein Schatten. »Und ich kann euch sagen, dass das nur Gerede ist. Wir geben uns mit diesen Monstren nicht ab.«

Wolken und Sonne verschwanden und hinterließen Mond und Sterne. Der sechste Magier verbeugte sich leicht, wie zur Entschuldigung. »Dann habe ich mich wohl verhört. Mein Fehler.«

»Ihr habt Recht, diese politische Situation muss entschärft werden«, grollte der bärtige Zauberer, an den Fünften gewandt. »Und ich stimme zu, dass es eine Sache von höchster Priorität ist. Dennoch können wir nicht ignorieren, was bei Khaz Modan geschieht! Ob ich mit meiner Vermutung über Deathwing Recht habe oder nicht – so lange die Orks dort die Drachenkönigin gefangen halten, sind sie eine Bedrohung für die Stabilität des Landes!«

»Dann brauchen wir einen Beobachter«, warf die ältliche Frau ein. »Jemanden, der die Dinge im Auge behält und uns nur informiert, falls die Situation kritisch wird.«

»Und wer sollte das sein? Wir können zur Zeit niemanden entbehren!«

»Es gäbe einen.« Der sechste Magier glitt einen Schritt vorwärts. Sein Gesicht blieb selbst dann noch im Schatten, als er sprach. »Da wäre Rhonin …«

»Rhonin??«, brach es aus dem bärtigen Zauberer heraus. »Rhonin! Nach dem letzten Debakel? Er darf nicht einmal mehr die Robe der Zauberer tragen. Er wäre eher eine zusätzliche Gefahr als jemand, in den wir Hoffnung setzen könnten.«

»Er ist unberechenbar«, stimmte die ältere Frau zu.

»Ein Sonderling«, murmelte der Korpulente.

»Kriminell!«

Der Sechste wartete, bis alle anderen gesprochen hatten, dann nickte er langsam. »Und er ist der einzige Zauberer mit Talent, auf den wir hier verzichten könnten. Außerdem ist es nur ein Beobachtungsposten. Er wird nicht einmal in die Nähe einer möglichen Bedrohung kommen. Seine Aufgabe wird es sein, die Lage zu studieren und darüber Bericht zu erstatten, das ist alles.« Als sich keine Proteste mehr erhoben, fügte der dunkle Magier hinzu: »Ich bin sicher, dass er seine Lektion gelernt hat.«

»Lasst es uns hoffen,« murmelte die ältere der beiden Frauen. »Er hat zwar seinen letzten Auftrag erfüllt, aber es kostete die meisten seiner Gefährten das Leben.«

»Diesmal wird er fast auf sich allein gestellt sein, begleitet nur noch von einem Führer, der ihn an die Grenze der vom Bündnis kontrollierten Länder bringt. Er wird Khaz Modan nicht einmal betreten. Eine Seher-Kugel wird es ihm erlauben, aus der Entfernung zu spähen.«

»Das klingt einfach genug«, antwortete die jüngere der Frauen. »Sogar für Rhonin.«

Der Elf nickte brüsk. »Dann lasst es uns beschließen und diese Sache beiseite legen. Vielleicht haben wir Glück und Deathwing frisst Rhonin und erstickt daran – dann wären zwei Probleme auf einmal gelöst.« Er sah die anderen an und fügte hinzu: »Doch nun muss ich darauf bestehen, dass wir uns endlich Gilneas' Einmischung in die Alterac-Angelegenheit widmen – und der Rolle, die wir bei der Entschärfung dieser Situation einzunehmen gedenken …« Er stand da, wie er schon seit zwei Stunden ausharrte, mit hängendem Kopf, die Augen geschlossen, in Konzentration versunken.

Um ihn herum verbreitete nur ein schwaches Licht ohne erkennbare Quelle seinen Schimmer in der Kammer. Viel zu sehen gab es jedoch nicht. Ein Stuhl, den er nicht benutzte, stand an der Seite, und hinter ihm an der dicken Steinmauer hing ein Wandteppich, auf den ein kunstvoll verziertes, goldenes Auge auf violettem Grund gestickt war. Unterhalb des Auges zeigten drei ebenfalls goldene Dolche bodenwärts. Die Flagge und die Symbole Dalarans hatten während des Krieges stolz über das Bündnis gewacht, auch wenn nicht jedes Mitglied der Kirin Tor seine Aufgaben ehrenvoll erfüllt hatte.

»Rhonin …«, erklang eine geschlechtslose Stimme von überall her und nirgends zugleich in der Kammer.