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Eine einzige Formel blieb noch, die vielleicht funktionieren mochte. Sie würde ihn auslaugen, für Tage völlig handlungsunfähig machen, aber sie besaß die Kraft, Krasus vor dieser grauenhaften Bedrohung zu retten.

Aber ebenso gut konnte sie ihn umbringen – genau wie Lord Prestors Falle.

Er warf sich zur Seite, als einer der Tentakel vorschnellte. Es blieb keine Zeit mehr, die Gefahren gegeneinander aufzuwiegen. Krasus hatte nur noch Sekunden, um den Zauber zu wirken. Bereits jetzt versuchte der Hunger, ihm den Weg zu verstellen, ihn vollständig einzukreisen.

Die Worte, die der alte Magier wisperte, hätten für Normalsterbliche wie die Sprache von Lordaeron geklungen, nur rückwärts gesprochen und mit der Betonung auf den falschen Silben. Krasus sprach jedes Wort mit besonderer Vorsicht aus, denn er wusste, dass auch nur der geringste aus seiner Notlage resultierende Flüchtigkeitsfehler seine sofortige Vernichtung bedeutet hätte. Er stieß seine linke Hand der zugreifenden Finsternis entgegen und versuchte, das genaue Zentrum des sich ausbreitenden Schreckens zu fokussieren.

Die Schatten bewegten sich schneller, als er es für möglich gehalten hätte. Als ihm die letzten Worte über die Lippen rannen, packte ihn der Hunger. Ein einzelner, dünner Tentakel wand sich um zwei Finger seiner ausgestreckten Hand. Zuerst empfand Krasus keinen Schmerz, doch die Finger verschwanden einfach vor seinen Augen und hinterließen offene, blutende Wunden.

Er spie gerade die letzte Silbe aus, als der Schmerz unvermittelt durch seinen Körper brandete.

Eine Sonne explodierte inmitten seines kleinen Sanktuariums.

Die Tentakel schmolzen dahin wie Eis auf offener Glut. Ein Licht, so gleißend, dass es Krasus selbst durch die fest verschlossenen Augen hindurch blendete, erfüllte jeden Winkel und jeden Spalt. Der Zauberer keuchte und fiel zu Boden, wobei er seine verstümmelte Hand fest umklammert hielt.

Ein fauchendes Geräusch drang an seine Ohren und brachte seinen ohnehin erhöhten Puls zum Rasen. Hitze, unglaubliche Hitze, verbrannte seine Haut. Krasus ertappte sich selbst beim Stoßgebet, mit dem er um ein schnelles Ende flehte.

Das Fauchen wurde zu einem Brüllen, das mehr und mehr an Gewalt gewann, fast als breche ein Vulkan inmitten der Kammer aus. Krasus versuchte etwas zu erkennen, aber das Licht war noch immer zu überwältigend. Er zog sich in Embryostellung zusammen und erwartete das Unvermeidliche.

Doch dann … verlosch das Licht einfach und stürzte die Kammer in schweigende Finsternis.

Der Zaubermeister war zunächst unfähig, sich zu bewegen. Wäre der Hunger in diesem Moment über ihn gekommen, so hätte dieser ihn ohne mühelos besiegt. Für einige Minuten lag er einfach nur da und versuchte, wieder zu Sinnen zu kommen und, als ihm dies gelungen war, dem Blutstrom aus seiner furchtbaren Wunde Einhalt zu gebieten.

Krasus bewegte seine gesunde Hand über die Versehrte und schloss die blutenden Stümpfe. Er würde nicht imstande sein, den erlittenen Schaden zu beheben. Nichts, was von schwarzer Magie berührt worden war, konnte je wieder geheilt werden.

Schließlich wagte er es, seine Augen zu öffnen. Selbst der unbeleuchtete Raum kam ihm anfangs viel zu hell vor, doch das war eine Täuschung, und nach und nach passten sich seine Augen den wahren Verhältnissen an. Krasus erkannte ein paar schattenhafte Umrisse – Möbelstücke, nahm er an –, sonst nichts.

»Licht«, murmelte der völlig entkräftete Zauberer.

Eine kleine, smaragdgrüne Kugel tauchte nahe der Decke auf und verbreitete schwachen Schimmer in der Kammer. Krasus begutachtete seine Umgebung. Tatsächlich handelte es sich bei den Umrissen, die er wahrgenommen hatte, um die verbliebenen Reste der Einrichtung. Nur der Sitz war vollständig verschwunden, und auch was den Hunger betraf, so war er offenbar restlos ausgelöscht worden. Der Preis war hoch gewesen, aber Krasus hatte gesiegt.

Oder vielleicht auch nicht.

Die Katastrophe hatte sich innerhalb nur weniger Sekunden abgespielt, und geblieben war ihm nichts, nicht das Geringste, wofür sich das Opfer, das er erbracht hatte, gelohnt hätte. Sein Versuch, Lord Prestors Schloss auszuspähen, hatte in einer Niederlage geendet.

Und doch … und doch …

Krasus zog sich auf die Beine und erschuf einen neuen Sitz, dem alten gleich wie ein Zwilling. Keuchend fiel er hinein. Nach einem kurzen Blick auf seine zerstörte Hand, der ihn davon überzeugte, dass die Blutung tatsächlich gestoppt war, rief der Zauberer einen blauen Kristall herbei, um noch einmal einen Blick auf die Behausung des »Nobelmannes« werfen zu können. Ein furchtbarer Gedanke war ihm soeben gekommen, einer, den er nach allem, was geschehen war, nun mit einem kurzen, risikolosen Blick bestätigen zu können glaubte.

Da! Die Spuren der Magie waren unverkennbar. Krasus folgte ihnen, begutachtete ihre Verstrickungen. Er musste vorsichtig sein, um nicht das Böse, dem er gerade entronnen war, erneut zu wecken.

Dann bekam er seinen gesuchten Beweis. Die Kunstfertigkeit, mit welcher der Unstillbare Hunger gewirkt worden war, und die Komplexität, durch die sich seine Essenz verändert hatte, um Krasus' erste Gegenwehr zu vereiteln – deutete beides auf ein Wissen und ein Geschick hin, das sogar das der Kirin Tor übertraf, der fähigsten Magier, die Menschen und sogar Elfen aufzubieten hatten.

Doch es gab noch eine andere Rasse, deren Umgang mit der Magie begann, noch bevor sich die Elfen damit befassten.

»Ich weiß jetzt, wer du bist …!«, keuchte Krasus und beschwor ein Bild von Prestors stolzer Gestalt herauf. »Ich weiß jetzt, wer du bist, trotz der Maske, die du gewählt hast.« Er hustete und rang nach Atem. Die Tortur hatte Krasus ausgelaugt, doch die Erkenntnis, mit wessen Macht er auf vielfältige Weise konfrontiert worden war, traf ihn schwerer als jeder Zauber es vermocht hätte. »Ich habe dich erkannt …Deathwing!«

7

Duncan brachte sein Pferd zum Stehen. »Irgendetwas stimmt hier nicht.«

Rhonins eigene Einschätzung ging in dieselbe Richtung, und unter Berücksichtigung der Ereignisse in der Festung, begann er sich zu fragen, ob das, was sie gerade beobachteten, etwas mit seiner Mission zu tun hatte.

In der Ferne lag Hasic, aber ein stilles, schweigendes Hasic. Der Zauberer hörte nicht das kleinste Zeichen von Geschäftigkeit. Ein Hafen wie dieser hätte von Leben wimmeln und erfüllt sein sollen von einem Lärm, laut genug, um bis zu ihnen vorzudringen.

Und doch war, abgesehen von ein paar Vögeln, nicht das geringste Lebenszeichen ausmachen.

»Uns hat keine Kunde von Schwierigkeiten erreicht«, wandte sich der Hauptmann der Paladine an Vereesa. »Wäre dies der Fall gewesen, hätten wir unverzüglich einen Trupp hierher entsandt.«

»Vielleicht sind wir nur ein wenig nervös nach dieser Reise.« Doch selbst die Waldläuferin sprach in einem leisen, wachsamen Tonfall.

Sie verharrten so lange, dass Rhonin die Dinge schließlich selbst in die Hand nahm. Zur Überraschung der anderen trieb er sein Reittier vorwärts, wild entschlossen, Hasic nötigenfalls auch allein zu betreten.

Vereesa folgte ihm rasch, und Lord Senturus schloss sich ihr an – natürlich. Rhonin unterdrückte jeden Anflug von Belustigung, als der Ritter der Silbernen Hand sich vordrängte, um die Führung zu übernehmen. Eine Weile würde er mit Duncan Senturus' Arroganz und Wichtigtuerei noch leben können. Auf die eine oder andere Weise würde er dann jedoch im Hafen die unerwünschte Gesellschaft aufkündigen.

Das hieß … falls der Hafen noch existierte.

Selbst ihre Pferde spürten die widernatürliche Stille und wurden zunehmend unruhiger. Zwischendurch musste Rhonin sein Tier regelrecht anspornen, damit es überhaupt weiter ging. Keiner der Ritter, und das war bedenklich genug, kommentierte die Probleme des Zauberers mit dummen Witzen.

Als sie sich dem Ziel weiter näherten, empfingen sie zu ihrer aller Erleichterung endlich schwache Lebenszeichen aus Richtung des Hafens. Ein Hämmern. Ein paar erhobene Stimmen. Das Rattern von Fuhrwerken … Nicht viel, aber immerhin ein Beleg dafür, dass Hasic sich nicht in eine Geisterstadt verwandelt hatte.