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Einen triftigen Grund?

»Natürlich …!«, murmelte Rhonin, während er beobachtete, wie die beiden Kreaturen und ihre Reiter südwestlich seines Standortes niedergingen.

Wer, wenn nicht die Zwerge, würde an seinem Angebot Gefallen finden können? Wer sonst wäre verrückt genug gewesen, es in Betracht zu ziehen …?

Ungeachtet des Eindrucks, den er dabei hinterlassen mochte, rannte Rhonin der Stelle entgegen, an der die Drachenreiter gelandet waren.

Voller Abscheu verließ Vereesa den südlichsten Bereich der Docks. Sie war nicht nur erfolglos geblieben, nein, von allen menschlichen Siedlungen, die sie je besucht hatte, war Hasic der mit Abstand übelste Fleck. Das hatte weniger mit der Katastrophe zu tun. Hasic stank einfach. Die meisten Menschen besaßen einen eher stümperhaften Geruchssinn – die hier lebenden Bürger jedoch verfügten eindeutig über gar keinen.

Die Waldläuferin wäre am liebsten zu ihrem Volk zurückgekehrt, um eine wichtigere Aufgabe übertragen zu bekommen, doch bis sie sich nicht sicher sein durfte, dass sie alles für Rhonin getan hatte, was in ihrer Macht stand, konnte sie guten Gewissens nicht abreisen. Es schien keine Möglichkeit zu geben, die dem Zauberer seine Weiterreise erlaubt hätte, die Fortsetzung seiner Mission, von der sie mittlerweile überzeugt war, dass sie weit mehr beinhaltete als schlichte Spionage. Rhonin wirkte viel zu entschlossen; für eine relativ unwichtige Angelegenheit hätte er sich niemals so stark engagiert. Nein, sie war sicher, dass ihn noch ein anderes Motiv antrieb.

Wenn sie nur herausgefunden hätte, um welches es sich dabei handelte …

Die Zeit des Nachtmahls näherte sich. Ohne eine Spur von Hoffnung, bewegte sich die Waldläuferin landeinwärts und folgte, trotz des mitunter schier unerträglichen Gestanks, dem kürzesten Weg dorthin. Hasic unterhielt auch Landstraßen zu seinen Nachbarn, vor allem in die größeren Reiche von Hillsbrad und Southshore. Obwohl es mehr als eine Woche dauern würde, eines der beiden Länder zu erreichen, blieb ihnen unter Umständen keine andere Wahl.

»Ah … meine schöne Elfendame!«

Sie blickte erst in die falsche Richtung, weil sie meinte, einer der Menschen hätte sie angesprochen. Doch dann erinnerte sich Vereesa, schon einmal so angesprochen worden zu sein. Die Waldläuferin wandte sich nach rechts und ließ ihren Blick zu Boden wandern … nur um dort Falstad in all seiner mickrigen Pracht stehen zu sehen. Die Augen des verwegenen Zwerges strahlten, und der Mund war zu einem breiten, wissenden Grinsen verzogen. Er schleppte einen Sack auf dem Rücken und hatte seinen mächtigen Hammer geschultert. Das Gewicht sowohl des einen, als auch des anderen hätte die meisten Elfen oder Menschen kapitulieren und darunter zusammenbrechen lassen, aber Falstad meisterte beides mit der Leichtigkeit, die seinesgleichen angeboren war.

»Herr Falstad. Ich grüße Euch.«

»Bitte! Für meine Freunde bin ich einfach Falstad! Ich bin Herr von nichts – abgesehen von meinem eigenen, wundersamen Schicksal natürlich!«

»Und ich bin einfach Vereesa für meine Freunde …« Obwohl der Zwerg eine ziemlich hohe Meinung von sich selbst zu haben schien, machte es etwas in seiner Art schwer, ihn nicht zu mögen – allerdings dann doch auch nicht so sehr, wie es sich Falstad wahrscheinlich gewünscht hätte. Er gab sich keine Mühe, sein Interesse an ihr zu verbergen und erlaubte seinen Augen sogar dann und wann in die Gegend unterhalb ihres Gesichts abzuwandern.

Die Waldläuferin entschied, dass sie diese Sache besser gleich klärte. »… die meine Freunde genau so lange bleiben, wie sie mich mit dem Respekt behandeln, den ich ihnen im Gegenzug erweise.«

Der Blick der dunklen Augen zuckte zurück in unverfänglichere Regionen. Doch ansonsten gab sich Falstad unschuldig, als hätte er den Hintersinn ihrer Worte nicht verstanden. »Wie geht es mit Euren Bestrebungen voran, den Zauberer aufs Wasser zu bringen, meine Elfendame? Wenn ich raten darf: schlecht, sehr schlecht …«

»Ihr habt Recht. Es scheint, als seien die einzigen Schiffe, die nicht zerstört wurden, gleich wieder in See gestochen, um ruhigere Gestade anzulaufen. Hasic verdient die Bezeichnung Hafen momentan nicht mehr.«

»Traurig, traurig. Wir sollten dies bei einer guten Flasche Branntwein näher erörtern! Was meint Ihr?«

Vereesa unterdrückte angesichts solch unerschütterlicher Hartnäckigkeit ein Schmunzeln. »Ein anderes Mal vielleicht. Ich habe noch immer eine Aufgabe zu erfüllen, und Ihr …«, Vereesa deutete auf den Sack, »… scheint auch eine zu haben.«

»Dieser kleine Beutel?« Er hievte den schweren Sack mit Leichtigkeit nach vorn. »Nur ein paar Vorräte, gerade genug, bis wir diese Menschenstätte wieder verlassen. Ich muss sie lediglich Molok geben, und schon könnten Ihr und ich uns auf den Weg machen, um …«

Die Waldläuferin schluckte die immer noch freundliche, wenn auch diesmal unverblümtere Ablehnung herunter, die ihr auf der Zunge lag, herunter, denn der unweit entfernt aufklingende, zornige Schrei eines Greifen – gefolgt von lauter werdenden, streitenden Stimmen – versetzte sie und Falstad in Alarmbereitschaft. Ohne ein weiteres Wort wandte sich der Zwerg von ihr ab. Den Sack ließ er achtlos zu Boden fallen und packte stattdessen den Sturmhammer mit beiden Fäusten. Für jemanden seiner Statur bewegte er sich unglaublich behende, sodass er bereits die halbe Straße hinter sich gebracht hatte, bis Vereesa überhaupt los lief.

Sie zog ihre eigene Waffe und legte Tempo zu. Die Stimmen wurden lauter, gewannen an Schärfe, und die Waldläuferin hatte das ungute Gefühl, dass eine davon Rhonin gehörte.

Die Straße erweiterte sich rasch in eines der Schutt übersäten Areale, die nach der Zerstörung geblieben waren. Einige der Greifenreiter erwarteten hier ihren Anführer, und aus noch unerfindlichen Gründen war Rhonin offenbar auf die Idee gekommen, sich mit ihnen anzulegen. Zauberer waren schon häufig für verrückt erklärt worden, aber dieser hier zählte zweifelsfrei zu den Allerverrücktesten, wenn er meinte, ungeschoren davonzukommen, wenn er es sich mit wilden Zwergen verscherzte.

Und tatsächlich hatte ihn einer bereits am Kragen gepackt und den Menschen gut einen Fuß über den Boden in die Luft gehoben.

»Ich sagte, lass uns in Ruhe, Elender! Wenn deine Ohren nicht funktionieren, kann ich sie dir genauso gut abreißen!«

»Molok!«, rief Falstad. »Was hat der Zauberer getan, das dich so in Wut versetzt?«

Sein Opfer weiterhin gestemmt, wandte sich der andere Zwerg seinem Anführer zu. Er hätte Falstads Zwilling sein können, sah man von der Narbe über seiner Nase und den völlig humorlosen Gesichtszügen ab. »Der da folgte Tupan und den anderen erst zum Hauptlager und dann, als Tupan ihn weggeschickt hatte und abgeflogen war, hierher zu unserem Treffpunkt! Sagte ihm zweimal, er solle verschwinden, aber der Mensch scheint guten Willen nicht zu erkennen. Dachte, vielleicht sieht er klarer, wenn ich ihm zu einem luftigeren Standpunkt verhelfe, wo er über die Dinge nachdenken kann.«

»Zauberer …!«, knirschte der Anführer der Drachenstaffel. »Ihr habt mein aufrichtiges Mitgefühl, meine Elfendame.«

»Sagt Eurem Gefährten, er soll ihn herunterlassen oder ich sehe mich gezwungen, ihm die Überlegenheit eines guten Elfenschwertes zu seinem Hammer zu demonstrieren.«

Falstad wandte sich blinzelnd um. Er starrte die Waldläuferin an, als sähe er sie gerade zum ersten Mal. Sein Blick huschte kurz zu der schmalen, glänzenden Klinge, dann zurück zu den zusammengekniffenen, zu allem entschlossenen Augen.

»Ihr würdet das tun, nicht wahr? Ihr würdet diese Kreatur gegen jene verteidigen, die schon gute Freunde Eures Volkes waren, noch bevor die Menschen überhaupt auf der Bühne der Welt erschienen …«

»Sie muss mich nicht verteidigen«, erklang Rhonins Stimme. Der baumelnde Magier wirkte eher ungehalten über seine Lage, als wirklich verängstigt. Vielleicht ahnte er nicht einmal, dass Molok ihm fast spielerisch das Rückgrat brechen konnte, wenn er es darauf anlegte. »Bis jetzt habe ich meine Gefühle unter Kontrolle gehalten, aber …«