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Er wandte sich ihr zu, wollte eine Frage dazu stellen, doch sie war bereits gegangen. Ihr Verhältnis beschränkte sich seit seiner geflüsterten Drohung auf das Allernotwendigste. Rhonin fühlte sich in einer Zwickmühle, wollte er doch nicht, dass die Waldläuferin seinetwegen Schaden nahm. Nicht einmal Duncan Senturus wünschte er etwas wirklich Böses, auch wenn der Paladin wahrscheinlich weniger Probleme als Rhonin haben würde, im Landesinneren von Khaz Modan zu überleben.

»Zeit für den Aufbruch!«, brüllte Falstad. »Die Sonne ist bereits aufgegangen, und selbst Großväter sind aufgestanden, um ihr Tagwerk anzugehen! Sind wir nun endlich soweit?«

»Von mir aus kann es losgehen«, gab Duncan mit einer Gelassenheit zurück, die ihm in Fleisch und Blut übergegangen zu sein schien.

»Auch ich bin bereit«, antwortete der Zauberer schnell. Seiner Nervosität zum Trotz, wollte er niemandem Anlass geben, ihm die Schuld für eine etwaige Verspätung zu geben. Wäre es nach ihm gegangen, hätten er und ein einzelner Greifenreiter sich noch bei Nacht auf den Weg gemacht. Falstad jedoch war der Ansicht gewesen, dass die Tiere nach den Anstrengungen des zurückliegenden Tages die Nacht zur Erholung brauchten und was Falstad sagte, war Gesetz bei seinesgleichen.

»Dann lasst uns aufsitzen!« Der gut gelaunte Zwerg lächelte Vereesa an und streckte ihr die Hand entgegen. »Meine Elfendame …«

Gleichfalls lächelnd, schloss sie sich ihm an und nahm auf seinem Greifen Platz. Rhonin bemühte sich, unbeteiligt zu wirken, aber er hätte es lieber gesehen, wenn sie nicht mit Falstad, sondern mit einem x-beliebigen anderen Zwerg geflogen wäre. Eine entsprechende Bemerkung hätte ihn jedoch zum kompletten Narren gemacht. Und abgesehen davon, was ging es ihn an, wessen Gesellschaft die Waldläuferin vorzog?

»Beeilt Euch, Zauberer!«, knurrte Molok. »Ich möchte diese Reise gewiss ebenso rasch hinter mich bringen wie Ihr!«

Duncan stieg in etwas leichterer Kleidung hinter einem der verbliebenen Reiter auf. Als Waffenbruder respektierten die Zwerge den Paladin, wertschätzten ihn sogar bis zu einem gewissen Grad. Sie wussten um die Tapferkeit des Heiligen Ordens in den zurückliegenden Schlachten, und vermutlich war dies auch der Grund gewesen, warum es Lord Senturus so verhältnismäßig leicht gefallen war, sie davon zu überzeugen, dass es unabdingbar war, ihn mitzunehmen.

»Haltet Euch gut fest!«, wies Molok Rhonin an. »Oder Ihr endet schon spätestens auf halber Strecke als Futter für die Fische!«

Mit diesen Worten trieb der Zwerg den Greifen an, der ohne Zögern in die Lüfte stieg. Der Zauberer hielt sich so gut es ihm möglich war fest, während ihn das gewöhnungsbedürftige Gefühl übermannte, dass sein Herz in die Magengrube rutschte. Ein Mehr an Sicherheit erlangte er dadurch nicht gerade.

Rhonin war noch nie auf einem Greifen geritten, und während die mächtigen Flügel des Tieres auf und ab peitschten, entschied er sehr rasch, dass er, im Falle seines Überlebens, auch keine Lust auf eine Wiederholung haben würde. Mit jedem schweren Flügelschlag der Kreatur, die halb Vogel, halb Löwe war, schien sich das Innerste von Rhonins Magen nach außen zu stülpen. Hätte es eine Alternative gegeben, der Zauberer hätte sie mit Freuden gewählt.

Allerdings musste er zugeben, dass die Kreaturen eine unglaubliche Geschwindigkeit erreichten. Innerhalb von Minuten hatte die Gruppe nicht nur Hasic, sondern die gesamte Küste aus den Augen verloren. Sicherlich konnten nicht einmal Drachen mit ihnen mithalten, obwohl das Rennen knapp ausgefallen wäre. Rhonin rief sich ins Gedächtnis, wie drei der kleineren Greife um den Kopf des roten Leviathan geschwirrt waren. Ein gefährliches Kunststück, das sich wahrscheinlich nur wenige Lebewesen zutrauten.

Weit unten herrschte schwere See. Wellen schwollen zu beängstigender Höhe an, um sich ebenso rasch wieder in tiefe Täler abzusenken. Der Wind umbrauste Rhonin, und der feine Wassernebel zwang ihn, seine Mantelkapuze tiefer ins Gesicht zu ziehen, um wenigstens teilweise vor der aufgewirbelten Nässe geschützt zu sein. Molok schienen die tobenden Elemente nicht zu stören; genau genommen erweckte er sogar den Anschein, sich daran zu erfreuen.

»Wie … wie lange glaubt Ihr, brauchen wir bis Khaz Modan?«

Der Zwerg zuckte mit den Schultern. »Ein paar Stunden, Mensch. Kann es nicht besser schätzen.«

Seine düsteren Gedanken für sich behaltend, kauerte sich der Zauberer zusammen und versuchte, die Unbilden des Fluges so gut wie möglich zu ignorieren. Der Gedanke an die Wasserwüste unter ihren Leibern beunruhigte ihn mehr, als er es gedacht hätte. Zwischen Hasic und der Küste von Khaz Modan bot das verheerte Inselkönigreich Tol Barad die einzige optische Abwechslung im ewigen Einerlei der Wellen. Falstad hatte bereits erklärt, dass die Gruppe dort nicht landen würde. Gleich zu Beginn des Krieges von den Orks überrannt, hatte kein Leben, höher als Unkraut oder Insekten, den blutigen Sieg der Horde überstanden. Noch immer ging der Hauch des Todes von der Insel aus, so durchdringend, dass es nicht einmal Rhonin in den Sinn kam, die Entscheidung des Zwerges anfechten zu wollen.

Weiter und weiter flogen sie. Gelegentlich riskierte Rhonin einen Blick auf seine Begleiter. Duncan trat den zürnenden Elementen noch immer mit unerschütterlichem Gleichmut entgegen; die Gischt, die sein bärtiges Gesicht drangsalierte, schien ihm nicht einmal bewusst zu werden. Aber wenigstens Vereesa zeigte eine Reaktion auf diese völlig irrsinnige Art zu reisen. Wie der Magier, hielt auch sie ihren Kopf die meiste Zeit weit nach unten geneigt, und ihr langes Silberhaar lag unter der Kapuze ihres Reisemantels verborgen. Sie kauerte dicht hinter Falstad, der, zumindest kam es Rhonin so vor, ihr Unbehagen zu genießen schien.

Schließlich beruhigte sich sein Magen auf ein erträgliches Maß. Rhonin schielte nach der Sonne und berechnete, dass sie nun schon an die fünf Stunden oder mehr in der Luft sein mussten. Bei der Geschwindigkeit, mit der die Greifen entlang des Himmels zogen, hatten sie bestimmt schon die Hälfte des Weges hinter sich gebracht.

Schließlich brach er das Schweigen und erkundigte sich bei Molok danach.

»Hälfte des Weges?« Der Zwerg lachte. »Zwei weitere Stunden, und ich denke, wir werden die Westausläufer von Khaz Modan in der Ferne aufragen sehen! Hälfte des Weges? Ha!«

Diese Neuigkeit und die plötzliche gute Laune des Zwerges entlockten Rhonin ein Lächeln. Er hatte also schon fast drei Viertel der Reise überstanden … Nur noch etwas mehr als zwei Stunden, und er würde wieder festen Boden unter den Füßen haben. Wenigstens einmal hatte er ein Ziel erreicht, ohne von einem unliebsamen Zwischenfall aufgehalten zu werden …

»Findet Ihr einen Platz zum Landen, sobald wir dort sind?«

»Jede Menge Plätze finden wir für Euch, Zauberer, nur keine Bange. Wir werden Euch bald genug los sein! Hoffe nur, es fängt nicht vorher an zu regnen.«

Rhonin beäugte die Wolken, die im Laufe der letzten halben Stunde aufgezogen waren, misstrauisch. Möglicherweise handelte es sich um Regenwolken, aber er nahm an, dass das Wetter noch solange halten würde, bis die Gruppe ihr Ziel erreicht hatte. Alles, worum er sich jetzt noch Sorgen machen musste, war das Ausfindigmachen des günstigsten Weges nach Grim Batol, sobald die anderen sich auf den Heimflug nach Lordaeron begeben hatten.

Rhonin wusste nur zu gut, wie die anderen auf seinen dreisten Plan reagiert hätten, wäre er ihnen bekannt geworden. Erneut dachte er an die Geister, die ihn verfolgten, an die Schatten der Vergangenheit. Sie waren seine wahren Gefährten auf dieser wahnsinnigen Reise, die Furien, die ihn vorantrieben. Sie würden ihn auf seiner Mission entweder siegen oder sterben sehen.

Sterben … Nicht zum ersten Mal seit dem Tod seiner früheren Gefährten fragte er sich, ob dies nicht vielleicht die beste Lösung für alle gewesen wäre. Vielleicht hätte er seine Schuld auf diese Weise wenigstens vor sich selbst sühnen können, wenn schon nicht vor den Spukgestalten in seinem Kopf.

Aber zuerst musste er Grim Batol erreichen.