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»Wären die Drachen nicht gewesen, würde diese Welt nicht länger bestehen. Selbst tausend Ork-Horden halten dem Vergleich mit dem nicht stand, dem wir uns stellen mussten, dem wir uns opferten! In dieser Zeit kämpften wir gemeinsam. Unser Blut vermischte sich auf dem Schlachtfeld, als wir die Dämonen aus unserer Welt vertrieben …« Die dunkle Gestalt schloss für einen Moment die Augen. »… und im Verlauf dieser Ereignisse verloren wir die Kontrolle über genau das, was wir zu bewahren suchten. Unser Zeitalter endete. Erst die Elfen, dann die Zwerge und schließlich die Menschen beanspruchten nach und nach die Zukunft für sich. Unsere Zahl schwand und, schlimmer noch, wir bekämpften uns fortan gegenseitig. Schlachteten einander ab.«

So weit war Rhonin im Bilde. Jeder wusste von der Feindseligkeit zwischen den fünf bestehenden Drachenschwärmen, insbesondere zwischen den schwarzen und den roten. Die Ursprünge dieser Feindseligkeit lagen unter dem Staub der Zeit begraben, doch vielleicht würde dem Zauberer jetzt die furchtbare Wahrheit offenbart werden.

»Doch warum gegeneinander kämpfen, nachdem gemeinsam so große Opfer gebracht wurden?«, fragte er.

»Falsche Vorstellungen, falsch gewählte Worte zur falschen Zeit … Es gab so viele Gründe, dass du sie nicht einmal dann verstehen würdest, wenn ich die Zeit hätte, sie dir alle darzulegen.« Deathwing seufzte. »Jedenfalls sind wir aufgrund dessen heute auf so wenige dezimiert.« Sein Blick veränderte sich, gewann erneut an Schärfe und schien sich in Rhonins Augen zu bohren. »Aber das gehört der Vergangenheit an. Ich werde wieder gut machen, was damals geschehen musste … was ich damals tun musste, Mensch. Ich werde dir helfen, die Drachenkönigin Alexstrasza zu befreien.«

Rhonin unterdrückte die erste Antwort, die ihm auf der Zunge lag. Trotz seiner umgänglichen Art und trotz der von ihm gewählten Gestalt, saß doch noch immer der schrecklichste aller Drachen vor ihm. Mochte Deathwing auch Freundschaft und Kameradschaft anbieten, ein falsches Wort konnte genügen, um Rhonin nach wie vor ein grausiges Ende zu bescheren.

»Aber …«, er versuchte seine Worte mit Bedacht zu wählen, »… Ihr und sie seid – Feinde.«

»Wegen der selben dummen Missverständnisse, die deine und meine Art so lange dazu trieben, einander zu bekämpfen. Es wurden Fehler gemacht, Mensch, aber ich werde sie richtig stellen.« Die Augen zogen den Zauberer zu sich heran, fast in sich hinein. »Alexstrasza und ich sollten keine Feinde sein.«

Dem musste Rhonin zustimmen. »Natürlich nicht.«

»Einst waren wir die stärksten Verbündeten, die engsten Freunde, und dies könnte wieder der Fall sein, bist du nicht auch meiner Meinung?«

Der Magier sah nichts mehr als diese funkelnden Augen. »Das … bin ich.«

»Und du selbst befindest dich auf einer Mission mit dem Ziel, sie zu erretten.«

Tief in Rhonin regte sich etwas, und plötzlich fühlte er sich unwohl unter Deathwings Blicken. »Wie habt Ihr … wie habt Ihr das herausgefunden?«

»Das ist unwichtig, oder nicht?« Die Augen des Drachen fingen den Menschen erneut ein.

Rhonins Unbehagen verblasste. Alles schwand unter Deathwings durchdringendem Starren. »Ja, ich denke schon.«

»Auf dich allein gestellt, wirst du versagen. Daran gibt es keinen Zweifel. Jetzt allerdings, mit meiner Hilfe, kannst du das Unmögliche erreichen, mein Freund. Du wirst die Drachenkönigin retten!«

Mit diesen Worten streckte Deathwing eine Hand aus, in der ein kleines silbernes Medaillon lag. Rhonins Finger streckten sich ihm wie von selbst entgegen. Er nahm das Medaillon und zog es zu sich heran. Dann betrachtete er es. In den Rand waren Runen eingeritzt, und in der Mitte befand sich ein schwarzer Kristall. Von einigen Runen kannte Rhonin die Bedeutung, andere hatte er nie in seinem Leben gesehen, konnte aber ihre Kraft spüren.

»Du wirst imstande sein, Alexstrasza zu retten, meine kleine willige Marionette.« Das ohnehin zu breite Grinsen erreichte jetzt seine maximale Ausdehnung. »Denn hiermit werde ich stets bei dir sein, um dich zu leiten und auf deinem ganzen Weg zu begleiten …«

Wie konnte man nur einen Drachen verlieren?

Diese Frage hatten sie sich wieder und wieder gestellt, doch weder Vereesa noch ihr Gefährte hatten eine zufriedenstellende Antwort darauf gefunden. Schlimmer noch, die Nacht begann über Khaz Modan hereinzubrechen, und der längst erschöpfte Greif würde mit Sicherheit nicht mehr viel weiter fliegen können.

Deathwing war fast die ganze Reise in Sichtweite gewesen, wenn auch meist in großer Ferne. Selbst Falstads Augen, die bei weitem nicht so scharf wie die der Elfe waren, hatten die schwere Gestalt auf ihrem Flug ins Landesinnere auszumachen vermocht. Nur wenn Deathwing von Zeit zu Zeit durch Wolkenfelder geflogen war, hatten sie ihn kurzzeitig verloren, aber nie länger als für ein, zwei Atemzüge.

Bis vor einer Stunde.

Das riesenhafte Untier war mit seiner Last in eine Wolke eingedrungen – wie in schon so viele zuvor. Falstad hatte den Greif die Richtung beibehalten lassen, und beide, Vereesa und der Zwerg, hatten auf der anderen Seite nach dem Leviathan Ausschau gehalten. Die Wolke lag hinter ihnen – die nächste tauchte erst einige Meilen weiter südlich auf –, und die Waldläuferin und ihr Gefährte überblickten sie beinahe in ihrer Gesamtheit. Es war unmöglich, Deathwing zu übersehen, sobald er aus ihr hervor kam.

Aber kein Drache tauchte auf.

Sie hatten geschaut und ausgeharrt, und als sie nicht länger warten konnten, hatte Falstad sein Tier auf die Wolke zu getrieben, selbst auf das eindeutige Risiko hin, dass Deathwing sich in ihr verbarg. Der Dunkle war jedoch nirgends zu entdecken gewesen. Der größte und schrecklichste der Drachen schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

»Das bringt nichts, meine Elfendame«, rief der Greifenreiter schließlich. »Wir müssen landen. Weder wir noch mein armes Reittier können die Sache ohne Pause fortsetzen.«

Sie musste ihm zustimmen, auch wenn ein Teil von ihr noch immer die Jagd fortsetzen wollte. »In Ordnung.« Sie betrachtete die unter ihnen liegende Landschaft. Küste und Wälder waren längst durch eine felsigere, ungastlichere Gegend abgelöst worden, die sich, wie die Waldläuferin wusste, schließlich zum Felsmassiv von Grim Batol auftürmen würde. Es gab noch immer bewaldete Flecken, doch insgesamt war kaum Deckung zu finden. Sie würde sich in den Hügeln verstecken müssen, um vor den Blicken der drachenreitenden Orks geschützt zu sein. »Was ist mit der Stelle dort drüben?«

Falstad folgte ihrem ausgestreckten Finger. »Diese zerklüfteten Hügel, die wie meine Großmutter aussehen, mit Bart und allem Pipapo? Aye, das ist eine gute Wahl. Dort werden wir landen!«

Der ausgelaugte Greif folgte dankbar dem Befehl zum Sinkflug. Falstad lenkte ihn zunächst zu der größten Hügel-Ansammlung und dann auf etwas zu, das wie ein kleines Tal aussah. Vereesa klammerte sich fest, als das Tier landete und hielt nach möglichen Bedrohungen Ausschau. So tief in Khaz Modan hatten die Orks wahrscheinlich Außenposten errichtet.

»Dem Himmel sei Dank!«, brummte der Zwerg beim Absteigen. »So sehr ich die Weite des Himmels liebe – war es eindeutig zu lang, um ganz gleich auf was auch immer sitzen zu müssen.« Er kraulte die Haarmähne des Greifen. »Aber du bist ein gutes Tier und hast dir dein Wasser und Futter verdient.«

»Ich habe einen Bach in der Nähe gesehen«, meinte Vereesa. »Vielleicht gibt es dort auch Fische.«

»Dann wird er sie finden, wenn er Lust danach verspürt.« Falstad nahm das Zaumzeug und die übrige Ausrüstung von seinem Greifen ab. »Und er wird sie ganz alleine finden.« Er klopfte dem Greif auf das Hinterteil, und das Tier sprang in die Luft, nun, da es von seiner Last befreit war, plötzlich wieder sehr viel schwungvoller.