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Die Kreatur, halb Vogel, halb Löwe, schien zunächst nicht geneigt, auf ihn zu hören und war offenbar der Auffassung, dass sie, was sie gefangen hatte, auch behalten dürfe – zumindest aber, dass die Beute nicht vertrauenswürdig genug sei, um freigelassen zu werden. Aus der Dunkelheit, genau unterhalb des schnabelbewehrten Kopfes, ertönte ein Wimmern. Ein eindeutig menschliches Gejammer.

Konnte es sein, dass ein Kind hier draußen, mitten in Khaz Modan, mutterseelenallein herumstreifte? Sicher nicht. Die Orks hatten dieses Gebiet seit Jahren fest in ihrer Hand. Wo hätte ein solches Kind herkommen sollen?

»Bitte, oh bitte, oh bitte! Rettet den unbedeutenden armen Kerl vor diesem Monster …Pfui! Was für einen Atem es hat!«

Die Elfe erstarrte. Kein Kind sprach auf solche Weise.

»Zurück, verdammt!« Falstad versetzte seinem Reittier einen kräftigen Schlag aufs Hinterteil. Das Tier schlug einmal mit den Flügeln, stieß ein kehliges Kreischen aus und ließ dann schließlich von seiner Beute ab.

Eine kleine, drahtige Gestalt sprang auf und machte sich sofort daran, in die entgegengesetzte Richtung zu flüchten. Doch die Waldläuferin bewegte sich noch schneller, sprang vor und packte den ungebetenen Besucher an – wie Vereesa verwundert feststellte – einem seiner langen Ohren.

»Autsch! Bitte nicht weh tun! Bitte nicht weh tun!«

»Was haben wir denn da?«, murmelte der Greifenreiter, der zu ihnen trat. »Ich habe noch nie etwas so kläglich quieken hören. Stellt es ruhig, oder ich werde es tun. Es wird jeden Ork im Umkreis aufschrecken!«

»Du hast gehört, was er gesagt hat«, drohte die Elfe der sich windenden Gestalt. »Sei endlich still!«

Ihr unerwünschter Gast verstummte.

Falstad griff in seinen Beutel. »Ich habe hier etwas, das uns helfen mag, Licht in diese Angelegenheit zu bringen, meine Elfendame – auch wenn ich der Ansicht bin, dass ich bereits weiß, was für eine Art von Strauchdieb wir erwischt haben.«

Er zog einen kleinen Gegenstand hervor, den er, nachdem er seinen Hammer zur Seite gelegt hatte, zwischen den kräftigen Handflächen rieb. Unter der Behandlung begann der Gegenstand schwach zu leuchten. Nach einigen Augenblicken nahm das Leuchten zu und enthüllte schließlich einen Kristall.

»Ein Geschenk von einem toten Kameraden«, erklärte Falstad. Er richtete den glühenden Kristall auf ihren Gefangenen. »Nun lasst uns sehen, ob ich Recht hatte … aye, genau wie ich es mir dachte

Auch Vereesa sah ihre Ahnung bestätigt. Sie und der Zwerg hatten keineswegs ein Menschenkind, sondern eines der unzuverlässigsten Geschöpfe auf Erden eingefangen: einen Goblin.

»Hast wohl hier herumspioniert, hm?« grollte der Begleiter der Waldläuferin. »Vielleicht sollten wir dich hier und jetzt einfach aufspießen und vorbei wäre die Sache!«

»Nein, nein, bitte! Der Unwürdige ist kein Spion! Kein Ork-Freund bin ich! Habe nur Befehlen gehorcht!«

»Was hast du denn hier draußen zu schaffen?«

»Verstecken! Verstecken! Sah einen Drachen wie die Nacht! Drachen versuchen, Goblins zu fressen, wisst Ihr?« Die hässliche grüne Kreatur erklärte es, als sollte es tatsächlich jedem klar sein.

Ein Drachen wie die Nacht? »Einen schwarzen Drachen, meinst du?« Vereesa zog den Goblin näher zu sich heran. »Du hast ihn gesehen? Wann?«

»Nicht lang her! Kurz vor der Dunkelheit!«

»Im Himmel oder auf dem Boden?«

»Boden! Er …«

Falstad blickte sie an. »Ihr könnt dem Wort eines Goblins nicht trauen, meine Elfendame. Sie wissen gar nicht, was der Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge ist.«

»Ich werde ihm dennoch glauben – wenn er mir eine Frage beantworten kann. Goblin, war dieser Drache allein oder, wenn nicht, wer war bei ihm?«

»Will nicht über goblinfressende Drachen sprechen!«, begann er, doch ein Antippen mit Vereesas Klinge ließ die Worte regelrecht aus ihm heraussprudeln. »Nicht allein, nicht allein! War jemand bei ihm. Vielleicht zum Fressen, aber erst zum Sprechen! Hörte nicht zu. Wollte nur fort. Mag keine Drachen und mag keine Zauberer …«

»Zauberer?«, platzten beide, die Elfe und Falstad, gleichzeitig heraus. Vereesa versuchte, ihre aufkeimende Hoffnung unter Kontrolle zu halten. »Sah er gesund aus, dieser Zauberer? Unverletzt?«

»Ja …«

»Beschreibe ihn.«

Der Goblin wand sich und strampelte mit seinen mageren kleinen Armen und Beinen. Doch Vereesa ließ sich von den spindeldürr aussehenden Gliedmaßen nicht täuschen. Goblins konnten sich in todbringende Kämpfer verwandeln, die eine Kraft und Gerissenheit an den Tag legten, mit der sie ihr mickriges Erscheinungsbild Lügen straften.

»Rotbehaart und arrogant. Groß und in dunkles Blau gekleidet. Weiß keinen Namen. Hörte keinen Namen.«

Nicht unbedingt eine genaue Beschreibung, aber in jedem Fall ausreichend. Wie viele hoch gewachsene, rothaarige Zauberer, in ein dunkelblaues Gewand gekleidet, mochte es hier wohl geben, vor allem in der Gesellschaft von Deathwing?

»Das klingt nach unserem Freund«, erwiderte Falstad mit einem Grunzen. »Es scheint, als solltet Ihr Recht behalten.«

»Wir müssen ihm nach.«

»Bei Dunkelheit? Erstens, meine Elfendame, habt Ihr noch kein bisschen geschlafen, und zweitens, selbst wenn uns die Dunkelheit Schutz und Deckung verheißt, erschwert sie auch immens jede Orientierung – selbst wenn es gilt, etwas so Gewaltiges wie einen Drachen zu finden!«

Auch wenn sie die Jagd am liebsten sofort wieder aufgenommen hätte, sah Vereesa doch ein, dass die Einwände des Zwergs Sinn machten. Aber bis zum Morgen warten? Ihnen würde wertvolle Zeit verloren gehen …

»Ich brauche nur ein paar Stunden, Falstad. Gewährt mir diese, danach können wir uns wieder auf den Weg machen.«

»Es wird noch immer dunkel sein … und, nur für den Fall, dass Ihr es vergessen habt: So groß er auch sein mag, Deathwing ist schwarz wie … wie die Nacht!«

»Aber wir müssen doch gar nicht mehr nach ihm suchen.« Sie lächelte. »Wir wissen doch schon, wo er gelandet ist … oder wenigstens einer von uns hier weiß dies.«

Beide blickten den Goblin an, der sich sichtlich wünschte, ganz woanders zu sein.

»Woher wissen wir, ob wir ihm trauen können? Es ist bei weitem keine Mär, dass diese kleinen grünen Diebe notorische Lügner sind.«

Die Waldläuferin hielt die scharfe Spitze ihres Schwertes an die Kehle des Goblins. »Weil er zwei Möglichkeiten hat: Entweder zeigt er uns, wo Deathwing und Rhonin gelandet sind, oder ich verarbeite ihn zu Drachenfutter.«

Falstad grinste. »Ihr glaubt, dass Deathwing einen wie ihn verdauen könnte?«

Ihr kurz geratener Gefangener zitterte, und seine unruhigen gelben, pupillenlosen Augen weiteten sich in blankem Entsetzen. Ungeachtet der Schwertspitze begann der Goblin wild auf und ab zu hüpfen. »Zeige es Euch mit Freuden! Wirklich mit Freuden! Angst vor Drachen völlig vergangen! Werde Euch führen und zu Eurem Freunde bringen!«

»Schön ruhig, ja?« Die Waldläuferin packte die tückische Kreatur noch etwas härter an. »Oder muss ich dir die Zunge herausschneiden?«

»Verzeiht, verzeiht, verzeiht …«, bettelte ihr neuer Begleiter und beruhigte sich langsam. »Tut dem Elenden kein Leid an, bitte …«

»Pah! Das ist vielleicht ein trauriges Exemplar von einem Goblin, das wir hier aufgegabelt haben.«

»So lange er uns den Weg zeigt.«

»Armer Kerl wird Euch gut dienen, Herrin! Gut, gut!«

Vereesa dachte nach. »Wir müssen ihn zunächst fesseln …«

»Ich schnüre ihn auf mein Reittier. Das sollte den stinkenden Nager unter Kontrolle halten.«

Auf diesen letzten Vorschlag hin wirkte der Goblin noch geschlagener als zuvor, und die silberhaarige Waldläuferin empfand beinahe so etwas wie Mitleid für das smaragdgrüne Geschöpf. »In Ordnung, aber sorge dafür, dass der Greif ihm nichts antut.«

»So lange er sich zu benehmen weiß …« Falstad sah den Gefangenen an.