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»Wenn Ihr es sagt. Und der andere … den anderen könnt Ihr nicht zuordnen?«

Die Waldläuferin richtete sich auf. »Nun, es sind eindeutig keine Hinweise auf einen Drachen zu entdecken, aber es gibt Spuren hier, die gar nichts mir Bekanntem entsprechen.«

Sie wusste, dass Falstad auch hier nicht sah, was ihrem geschärften Blick ins Auge sprang. Der Zwerg tat jedoch sein Bestes, um die eigenartigen, streifenförmigen Abdrücke in der Erde zu inspizieren. »Ihr meint diese hier, meine Elfendame?«

Die Spuren schienen auf die Stellen, wo der Mensch – wahrscheinlich Rhonin – zu unterschiedlichen Zeiten gestanden hatte, zuzuführen. In Vereesas Augen sah es so aus, als hätte etwas über dem Boden Schwebendes etwas anderes hinter sich her geschleift.

»Das hier bringt uns keinen Schritt weiter, genau wie die Stelle, zu der uns dieser kleine grüne Unhold zuerst geführt hat!« Falstad packte Kryll am Kragen. Dem Goblin waren beide Hände auf den Rücken gebunden worden, und um seine Hüfte schlang sich ein Seil. Ein Seil, dessen anderes Ende am Hals des Greifen befestigt war. Und trotzdem waren weder Vereesa noch der Zwerg überzeugt, dass ihr unerwünschter Gefährte nicht versuchen würde zu entkommen. Besonders Falstad behielt Kryll sorgfältig im Auge. »Nun? Was jetzt? Ich habe den Eindruck, du führst uns im Kreise! Ich bezweifle, dass du den Zauberer überhaupt gesehen hast!«

»Hab ich, hab ich, doch, hab ich!« Kryll schenkte ihnen ein breites Lächeln, möglicherweise in der Hoffnung, seine Häscher milde zu stimmen, doch das zähnefletschende Grinsen eines Goblins vermochte außerhalb seines Volkes kaum jemanden zu beeindrucken. »Hab ihn beschrieben, oder? Ihr wisst, dass ich ihn sah, nicht wahr?«

Vereesa bemerkte, dass der Greif etwas hinter einem Gebüsch witterte. Mit Hilfe ihres Schwertes schob sie das Laubwerk beiseite und brachte das fragliche Objekt zum Vorschein.

An der Spitze ihres Schwertes hing ein leerer Weinschlauch. Die Elfe hielt ihn sich unter die Nase. Ein wundervolles Bouquet stieg daraus hervor. Die Elfe schloss kurz ihre Augen.

Falstad verstand ihren Ausdruck falsch. »So übel? Dann muss es Zwergenbier sein!«

»Im Gegenteil, mir ist noch nie solch ein wundervolles Aroma begegnet, nicht einmal am Tisch meines Herren daheim in Quel'Thalas. Was immer für ein Wein diesen Schlauch füllte, er übertraf selbst die besten Tropfen in seinen Kellern noch um einiges!«

»Und das sollte meinem müden Geist was sagen …?«

Vereesa ließ den Schlauch fallen und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, aber irgendwie erscheint es mir, als bedeute dies, dass Rhonin hier gewesen sein muss, selbst wenn nur für kurze Zeit.«

Ihr Gefährte warf ihr einen zweifelnden Blick zu. »Meine Elfendame, ist es möglich, dass Ihr Euch schlicht wünscht, dies wäre die Wahrheit?«

»Könnt ihr mir beantworten, wer sonst in dieser Gegend gewesen sein könnte, um einen Wein, der sogar Königen gerecht würde, zu trinken?«

»Aye! Der Dunkle – nachdem er Eurem Zauberer das Mark aus den Knochen gesaugt hat!«

Seine Worte jagten ihr einen kalten Schauer über den Rücken, doch sie blieb standhaft in ihrem Glauben. »Nein. Sollte Deathwing Rhonin bis hierher gebracht haben, dann hatte er dafür einen anderen Grund als den, ihn zu verspeisen!«

»Mag wohl sein.« Weiterhin den Goblin festhaltend, blickte Falstad hinauf in den dunkler werdenden Himmel. »Wenn wir vorhaben, vor Einbruch der Nacht noch wesentlich weiter zu kommen, sollten wir uns besser auf den Weg machen.«

Vereesa hielt die Spitze ihrer Klinge gegen Krylls Kehle. »Wir müssen uns erst um den hier kümmern.«

»Was gibt es da zu kümmern? Entweder nehmen wir ihn mit oder wir erweisen der Welt einen Gefallen und sorgen dafür, dass sie sich künftig um einen Goblin weniger zu sorgen hat!«

»Nein. Ich versprach, ihn freizulassen.«

Der Zwerg runzelte die kantige Stirn. »Ich glaube nicht, dass das eine weise Entscheidung ist.«

»Trotzdem habe ich ein Versprechen gegeben.« Sie fasste ihn scharf ins Auge und baute darauf, dass Falstad – wenn er Elfen auch nur halb so gut verstand, wie dies aus eigenem Interesse sollte – die Sinnlosigkeit einer Fortsetzung dieses Streits einsehen würde.

Tatsächlich nickte der Greifenreiter – wenn auch mit einigem Widerstreben. »Aye, es sei wie Ihr sagt. Ihr habt ein Versprechen gegeben, und ich werde nicht derjenige sein, der Euch umzustimmen versucht.« Halb in seinen Bart gemurmelt, fügte er hinzu. »Nicht, solange ich auch nur ein einziges Leben besitze …«

Zufrieden durchtrennte Vereesa mit einem gekonnten Schnitt die Fesseln um Krylls Handgelenke, dann nahm sie das Seil von seiner Hüfte. Der Goblin hüpfte hemmungslos hin und her, schien überglücklich über seine Freilassung zu sein.

»Habt Dank, meine wohlwollende Herrin, habt Dank!«

Die Waldläuferin richtete erneut die Spitze ihres Schwertes auf die Kehle des Geschöpfs. »Bevor du jedoch verschwindest, noch ein paar letzte Fragen. Kennst du den Weg nach Grim Batol?«

Falstad nahm diese Frage nicht besonders gut auf. Mit zusammengezogenen Brauen murmelte er: »Was soll das werden?«

Sie überhörte die Frage geflissentlich. »Nun?«

Im Augenblick ihrer Fragestellung waren Krylls Augen groß geworden. Der Goblin wurde kreidebleich – oder zumindest nahm seine Haut einen helleren Grünton an. »Niemand geht nach Grim Batol, wohlwollende Herrin! Da sind Orks und auch Drachen! Drachen fressen Goblins!«

»Beantworte meine Frage.«

Er schluckte, dann rückte sein überdimensionaler Kopf auf und ab. »Ja, Herrin, ich kenne den Weg … Glaubt Ihr, der Zauberer ist dort?«

»Das kann nicht Euer Ernst sein, Vereesa!«, knurrte Falstad, so aufgebracht, dass er sie zum ersten Mal bei ihrem Namen nannte. »Wenn Rhonin in Grim Batol ist, dann ist er für uns verloren!«

»Vielleicht … vielleicht nicht. Falstad, ich denke, dass er die ganze Zeit genau dort hin wollte, und nicht allein, um die Orks auszuspionieren. Ich denke, er hat andere Gründe … auch wenn ich nicht zu sagen vermag, wie sie mit Deathwing zusammenhängen.«

»Vielleicht hat er vor, die Drachenkönigin im Alleingang zu befreien!«, gab der Greifenreiter mit höhnischem Schnauben zurück. »Er ist immerhin ein Magier, und wie jeder weiß, sind die alle verrückt

Eine vollkommen törichte Bemerkung – doch sie ließ Vereesa für einen Moment inne halten. »Nein … das kann nicht sein.«

Kryll schien unterdessen damit beschäftigt, über etwas ernsthaft nachzudenken, etwas, dass ihm nicht zu gefallen schien.

Mit unwillig verzogenem Gesicht murmelte er schließlich: »Die Herrin will nach Grim Batol gehen?«

Die Waldläuferin spielte mit dem Gedanken. Es ging weit über ihren Eid hinaus, aber sie musste einfach weitermachen. »Ja. Ja, ich denke, das will ich.«

»Jetzt passt mal gut auf, meine …«

»Ihr müsst nicht mitkommen, wenn Ihr nicht wollt, Falstad. Ich danke Euch für Eure Hilfe bis hierher, aber ich kann jetzt auch alleine weitermachen.«

Der Zwerg schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ich soll Euch alleine mit diesem fragwürdigen kleinen Burschen inmitten der Ork-Lande zurücklassen? Niemals, meine Elfendame! Falstad wird keine schöne Maid, wie gut sie das Kriegshandwerk auch verstehen mag, allein lassen. Wir gehen zusammen!«

In Wahrheit war sie ihm für seine Treue mehr als dankbar. »Dennoch mögt Ihr zu jedem Zeitpunkt immer noch umkehren, wenn es Euch danach verlangt – denkt bitte daran.«

»Das werde ich nur, wenn Ihr dann auch mit mir kommt.«

Sie blickte erneut Kryll an. »Nun? Kannst du mir den Weg beschreiben?«

»Kann ihn Euch nicht beschreiben, Herrin.« Das Gesicht der spindeldürren Kreatur nahm einen zunehmend missmutigen Ausdruck an. »Am besten … am besten ich zeige ihn Euch stattdessen …«

Das überraschte sie. »Ich habe dir die Freiheit geschenkt, Kryll!«