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»Wofür Euch dieser arme Kerl endlos dankbar ist, Herrin … aber nur ein einziger Weg nach Grim Batol bietet Sicherheit, und ohne mich …«, er wagte einen ansatzweise selbstzufriedenen Blick, »… werden weder Elf noch Zwerg ihn finden.«

»Wir haben mein Reittier, du kleiner Nager! Wir fliegen einfach über …«

»In einem Land voll Drachen?« Der Goblin kicherte mit einem Hauch von Irrsinn. »Am besten fliegt Ihr gleich in ihr Maul, und vorbei ist es … Nein, um Grim Batol zu betreten – wenn es das ist, was die Herrin wirklich wünscht – müsst Ihr mir folgen.«

Falstad wollte davon nichts hören und erhob umgehend Einspruch, doch Vereesa sah keine andere Möglichkeit als die zu tun, was der Goblin vorgeschlagen hatte. Kryll hatte sie bis jetzt nicht hintergangen, und obwohl sie ihm natürlich nicht vollständig vertraute, war sie sich sicher, dass sie es bemerken würde, wenn er sie zu täuschen versuchte. Abgesehen davon wollte der Goblin offenkundig nichts mit Grim Batol zu tun haben, denn weshalb sonst hätte er sich dort herumgetrieben, wo sie ihn gefunden hatten? Alle anderen seiner Art, die den Orks dienten, hielten sich innerhalb der Bergfeste auf und streunten nicht durch die gefährliche Wildnis von Khaz Modan.

Und wenn er sie doch zu Rhonin führen konnte …

Nachdem sie sich selbst von der Richtigkeit ihrer Wahl überzeugt hatte, wandte sich Vereesa dem Zwerg zu. »Ich werde mit ihm gehen, Falstad. Es ist die beste – wahrscheinlich auch die einzige – Möglichkeit, die mir zur Verfügung steht.«

Falstads breite Schultern sanken ein, und er seufzte. »Was ich jetzt sage, widerspricht jeder Vernunft, aber, aye, ich werde Euch begleiten – und sei es auch nur, um ein Auge auf den da zu halten, sodass ich ihm seinen verräterischen Kopf abschlagen kann, sollte ich Recht behalten!«

»Kryll, müssen wir die ganze Strecke zu Fuß zurücklegen?«

Die missgestaltete kleine Person überlegte für einen Augenblick und erwiderte dann: »Nein. Können eine Weile mit dem Greifen reisen.« Er schenkte ihr ein Lächeln voller Zähne. »Muss nur aufpassen, wann Biest landen sollte!«

Ungeachtet seiner offensichtlichen Bedenken begab sich Falstad zu dem Greifen. »Sag uns nur, wo wir hin müssen, du kleiner Nager. Je schneller wir dort sind, desto schneller kannst du dich trollen …«

Das Gewicht des Goblins erhöhte die Last des kräftigen Tieres kaum, und bald darauf war der Greif unterwegs. Falstad saß natürlich vorne, um sein Reittier besser lenken zu können. Kryll hockte hinter ihm, und Vereesa bildete den Abschluss. Die Elfe hatte ihr Schwert zurück in die Scheide geschoben und einen Dolch gezückt, nur für den Fall, dass ihr nicht sonderlich vertrauenswürdiger Begleiter irgend etwas versuchen würde.

Doch auch wenn die Richtungsangaben des Goblins nicht immer die eindeutigsten waren, fand Vereesa kein Anzeichen für ein falsches Spiel. Er lotste sie dicht über den Boden und zeigte ihnen Wege abseits von Gebieten, die keinerlei Deckung boten. Die Berge von Grim Batol kamen näher. Vereesas Anspannung wuchs, je näher sie dem Ziel kamen, allerdings hatten sie noch immer kein Anzeichen von Rhonin oder dem schwarzen Drachen entdeckt. Sicherlich hätten die Orks so nahe bei ihrer Bergfeste einen Leviathan von solch gewaltigen Ausmaßen gesichtet.

Und als reichte es aus, an Drachen zu denken, um sie heraufzuschwören, deutet Falstad plötzlich Richtung Osten, wo sich eine mächtige Gestalt in den Himmel schwang.

»Groß!«, rief er. »Groß und rot wie frisches Blut! Ein Späher von Grim Batol!«

Kryll handelte sofort. »Hier rein!« Der Goblin deutete auf eine Schlucht. »Viele Plätze zum Verstecken, selbst für einen Greifen!«

In Ermangelung einer besseren Idee gehorchte der Zwerg und lenkte sein Reittier abwärts. Die Drachengestalt wurde größer und größer, doch Vereesa erkannte, dass das rote Ungeheuer sich mehr in nördliche Richtung bewegte, möglicherweise geradewegs zur nördlichen Grenze von Khaz Modan, wo die letzten Streitkräfte der Horde verzweifelt versuchten, die Allianz aufzuhalten. Das ließ sie über die Lage dort grübeln. Hatten die Menschen endlich mit ihrem Vormarsch begonnen? Befand sich vielleicht auch die Allianz gerade in diesem Moment schon auf halbem Weg nach Grim Batol?

Selbst wenn dem so war, würden daraus für die Waldläuferin und den Zwerg kaum Vorteile erwachsen. Die näher kommende Allianz konnte ihnen höchstens insofern dienlich sein, als dass sie die Aufmerksamkeit der Orks auf sich zog.

Der Greif landete in der Schlucht und tauchte mit dem ihm eigenen Gespür in die Schatten ein. Er war kein Feigling, wusste aber, wann der rechte Zeitpunkt war, einem Kampf aus dem Weg zu gehen.

Vereesa und die anderen sprangen ab, um sich eigene Verstecke zu suchen. Kryll presste sich gegen eine der Felswände, und sein Gesichtsausdruck zeugte von blankem Entsetzen. In der Waldläuferin erwachte tatsächlich Mitleid mit ihm.

Sie warteten einige Minuten, doch der Drache flog nicht über sie hinweg. Nach einer, wie es schien, viel zu langen Zeitspanne entschied sich die ungeduldige Waldläuferin, selbst nachzusehen, ob das Untier seine Richtung geändert hatte. Sie suchte nach festem Halt und begann nach oben zu klettern.

Der Himmel war in Dämmerschein getaucht, und die Elfe entdeckte nichts, nicht einmal einen verschwommenen Flecken. Vereesa vermutete, dass sie die Schlucht längst wieder hätten verlassen können, wenn sie schon etwas früher einen Blick riskiert hätten.

»Nichts zu erkennen?«, wisperte Falstad, der neben ihr erschien. Für einen Zwerg erwies er sich als erstaunlich geschickt im Erklettern von Steilwänden.

»Die Luft ist rein, zumindest soweit ich es überblicken kann.«

»Gut! Im Gegensatz zu meinen Hügelverwandten kann ich mich nämlich für Löcher im Boden nur schwer erwärmen!« Er machte sich wieder auf den Weg nach unten. »Alles in Ordnung, Kryll! Die Gefahr ist vorbei! Du kannst wieder hervorgekrochen kommen …«

Als seine Stimme abbrach, wurde Vereesa aufmerksam. »Was ist?«

»Diese verfluchte Ausgeburt eines Froschs ist verschwunden!« Falstad rutschte das letzte Stück, das ihn vom Boden trennte, hinunter. »Hat sich aufgelöst wie ein Spuk!«

Die Waldläuferin sprang vorsichtig nach unten und unterstützte Falstad bei seiner Suche in der unmittelbaren Umgebung. Es gab keine Spur von Kryll, obwohl sie eigentlich hätten imstande sein müssen, den flüchtenden Goblin nach jeder Richtung hin auszumachen. Selbst der Greif wirkte verwirrt, als wäre es auch ihm rätselhaft, wie sich die spindeldürre Kreatur unbemerkt davongemacht haben sollte.

»Wie konnte er so einfach verschwinden?«

»Ich wünschte, ich wüsste es, meine Elfendame! Ein sauberes Kunststückchen!«

»Kann Euer Greif ihn sich schnappen?«

»Warum lassen wir ihn nicht einfach ziehen? Wir sind ohne ihn besser dran!«

»Weil ich …«

Der Boden unter ihren Füßen gab plötzlich nach und brach ein. Die Stiefel der Elfe sanken binnen Sekunden ein. In dem Glauben, dass sie in Schlamm getreten war, versuchte sie, sich zu befreien. Dabei sank Vereesa jedoch nur noch tiefer ein, und zwar mit Besorgnis erregender Geschwindigkeit. Es fühlte sich beinahe so an, als wurde sie hinab gezogen.

»Was im Namen des Adlerhorsts …?« Auch Falstad war eingesunken, doch im Fall des Zwergs bedeutete dies, dass er unvermittelt bis zu den Knien im Erdreich steckte. Wie die Waldläuferin versuchte auch er, sich herauszuwinden, scheiterte aber ebenso kläglich.

Vereesa griff nach dem nächstbesten Felsen und versuchte, sich daran festzuhalten. Einen Augenblick schien es ihr zu gelinge; sie konnte ihre Sinkgeschwindigkeit verlangsamen. Doch dann schien etwas Kräftiges nach ihren Fußgelenken zu fassen und sie mit solcher Gewalt nach unten zu ziehen, dass die Waldläuferin den vorübergehenden Halt aufgeben musste.

Über ihren Köpfen hörten sie ein furchtsames Kreischen. Im Gegensatz zu Vereesa und dem Zwerg war es dem Greifen gelungen, noch rechtzeitig aufzusteigen, bevor auch er vom Sog erfasst wurde. Das Tier flatterte über Falstads Kopf und versuchte, wie es schien, seinen Herren zu packen. Als es jedoch tiefer sank, schossen ihm jedoch plötzlich Säulen aus Dreck entgegen und versuchten, wie Vereesa mit Grauen erkannte, nach dem Reittier zu greifen. Nur mit knapper Not vermochte das geflügelte Tier entkommen, wurde aber gezwungen, hoch in die Lüfte zu steigen, wo es den beiden um ihr Leben kämpfenden Kriegern keine Hilfe mehr leisten konnte.