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In der Tat gab es zurzeit nur Terenas und Daelin Proudmoore, die unverheiratete oder jugendliche Töchter besaßen. Jaina Proudmoore war jedoch viel zu jung und, soweit der Drache bis jetzt herausgefunden hatte, wahrscheinlich auch zu schwierig unter Kontrolle zu halten, sonst hätte er vielleicht auf sie gewartet. Nein, Terenas' Tochter würde ihm für sein Vorhaben genügen.

Calia würde erst in zwei Jahren heiraten können, aber das bedeutete dem alterslosen Drachen nichts. Bis dahin befanden sich die anderen seiner Art entweder unter seiner Knute, oder sie waren tot, und Deathwing würde eine politische Position eingenommen haben, mittels der er anfangen konnte, die Grundfesten des Bündnisses zu untergraben. Was die brutalen Orks von außen nicht erreicht hatten, würde ihm von innen gelingen.

Der Diener öffnete eine Tür. »Wenn Ihr hier warten wollt, Herr, ich bin sicher, seine Majestät wird bald bei Euch sein.«

»Danke.« In seine Gedanken vertieft, bemerkte Deathwing nicht, dass ihn andere erwarteten, als sich die Tür hinter ihm schloss.

Die beiden Gestalten waren in Umhänge und Kapuzen gehüllt und neigten ihre schattenhaften Köpfe kurz in seine Richtung.

»Wir grüßen Euch, Lord Prestor«, grollte der Bärtige.

Deathwing verkniff sich ein Stirnrunzeln. Er hatte erwartet, sich mit den Kirin Tor auseinandersetzen zu müssen, aber nicht im Palast von König Terenas. Die Feindschaft, die er gegen sie unter den verschiedenen Regenten des Bündnisses geschürt hatte, hätte sie eigentlich davon abhalten müssen, ihm einen Besuch abzustatten.

»Ich grüße euch, Lord und Lady.«

Die Magierin, alt für eine Frau ihrer Rasse, entgegnete: »Wir hatten gehofft, Euch früher zu treffen. Euer Ansehen erstreckt sich bereits in alle Königreiche des Bündnisses … besonders bis nach Dalaran.«

Die Magie, die diese Zauberer beherrschten, verhüllte die meiste Zeit ihre Gesichter, und obwohl der Drache mit einer einzigen Tat ihre Schleier hätte zerreißen können, entschied er sich dagegen.

Er kannte dieses Paar schon, wenn auch nicht mit Namen. Der falsche Adlige hegte den Verdacht, dass dieser Magier für wenigstens einen der beiden Versuche der jüngsten Zeit, die Schutzzauber um sein Schloss zu durchbrechen, verantwortlich war. Wenn man die Stärke dieser Zauber berücksichtigte, war Deathwing ein wenig überrascht, dass der Mann noch am Leben war, geschweige denn sich ihm nun stellte.

»Und das Ansehen der Kirin Tor ist auch allen bekannt«, antwortete er.

»Und wird jeden Tag bekannter … aber nicht so, wie wir es wünschten.«

Sie spielte auf seine Taten an. Deathwing fand das nicht bedrohlich. Im Moment verdächtigten sie ihn, ein verbrecherischer Zauberer zu sein – mächtig, doch bei weitem nicht die Bedrohung, die er tatsächlich darstellte.

»Ich hatte erwartet, den König hier allein anzutreffen«, sagte er, um die Unterhaltung zu seinem Vorteil zu nutzen. »Führt Dalaran Geschäfte mit Lordaeron?«

»Dalaran versucht sich über die Dinge zu informieren, die alle Königreiche des Bündnisses angehen«, antwortete die Frau. »Etwas, das in letzter Zeit ein wenig schwieriger geworden ist, da wir über größere Treffen der Mitglieder nicht mehr informiert werden.«

Deathwing ging ruhig zu dem Tisch, auf dem Terenas immer ein paar Flaschen von seinem besten Wein für wartende Gäste bereit hielt. Wein aus Lordaeron war das einzige, das Deathwing für exportwürdig hielt. Er goss einen Schluck in einen der juwelenbesetzten Trinkbecher. »Nun, ich habe mit König Terenas gesprochen und ihn gebeten, Euch um Unterstützung in der Alterac-Frage zu ersuchen, doch er besteht darauf, ohne Euch vorzugehen.«

»Wir wissen, was dabei heraus gekommen ist«, sagte der alte Mann verärgert. »Man muss Euch gratulieren, Lord Prestor.«

Sie hatten ihm nicht ihre Namen genannt, und er ihnen nicht den seinen. Offensichtlich beobachteten sie ihn – soweit Deathwing ihnen das erlaubte, natürlich.

»Es war auch eine Überraschung für mich, das kann ich Euch sagen. Alles, was ich je beabsichtigte, war, das Bündnis nach König Perenoldes unseligem Verhalten vor dem Ende zu bewahren.«

»Ja, das war eine schlimme Sache. Das hätte man von dem Mann nie gedacht. Ich kannte ihn, als er noch jünger war. Ein wenig schüchtern vielleicht, doch wirkte er nicht wie ein Verräter.«

Da sprach die alte Frau: »Euer früheres Heimatland ist nicht sehr weit entfernt von Alterac, nicht wahr, Lord Prestor?«

Zum ersten Mal war Deathwing leicht verärgert. Dieses Spiel machte ihm keinen Spaß mehr. Wusste sie etwa …?

Bevor er antworteten konnte, öffnete sich die reichverzierte Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes, und König Terenas polterte mit unübersehbar schlechter Laune herein. Ein kleiner blonder Junge, der aussah wie ein Engel, folgte ihm und versuchte seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Doch Terenas warf nur einen Blick auf die schattenhaften Zauberer, und sofort verstärkte sich sein Stirnrunzeln. Er drehte sich zu dem Kind um. »Lauf zurück zu deiner Schwester, Arthas, und versuche sie zu beruhigen. Ich komme zu dir, sobald ich kann, das verspreche ich.«

Arthas nickte und verschwand dann mit einem letzten neugierigen Blick auf die Gäste seines Vaters wieder durch die Tür.

Terenas schloss die Tür hinter seinem Sohn, dann wirbelte er herum, um die Zauberer anzufahren: »Man sollte Euch darauf hingewiesen haben, dass ich heute keine Zeit für Euch habe! Falls Dalaran irgendwelche Forderungen stellt oder Wünsche hegt in Bezug auf meine Handhabung von Bündnis-Angelegenheiten, so sollen sie eine formale Aufforderung durch unseren Botschafter dort einreichen! Und nun, guten Tag

Die beiden gaben sich ungerührt. Deathwing hielt ein triumphierendes Lächeln zurück. Obwohl er sich auch um andere Dinge kümmern musste – wie beispielsweise um Rhonin –, übte er immer noch starken Einfluss auf den König aus.

Deathwing hoffte, die Zauberer würden sich Terenas' Rauswurf zu Herzen nehmen und wirklich gehen, denn er musste Rhonin unter Kontrolle behalten, und je eher sie fort waren, desto schneller konnte er sich wieder voll und ganz um ihren jüngeren Kollegen kümmern.

»Wir werden gehen, Euer Majestät«, grollte der alte Zauberer. »Aber wir sind ermächtigt Euch zu sagen, dass der Rat hofft, Ihr werdet in dieser Sache noch Vernunft annehmen. Dalaran war immer ein standfester und loyaler Verbündeter.«

»Wenn es Lust dazu hatte!«

Beide Magier ignorierten diesen harschen Satz des Königs. Die Frau drehte sich zu Deathwing um und sagte: »Lord Prestor, es war uns eine Ehre, Euch endlich kennen zu lernen. Ich denke, es wird nicht das letzte Mal gewesen sein.«

»Wir werden sehen.« Sie streckte ihm nicht die Hand entgegen, und auch er verzichtete auf Floskeln. Sie hatten ihn darauf hingewiesen, dass sie ihn auch weiterhin beobachten würden. Ohne Zweifel glaubten die Kirin Tor, ihn damit verunsichern zu können, doch der schwarze Drache fand ihre Drohgebärden lächerlich. Sollten sie doch ihre Zeit mit Kristallkugeln verschwenden oder versuchen, die Könige des Bündnisses umzustimmen. Alles, was sie erreichen würden, waren weitere Anfeindungen der Menschen – und das kam Deathwing gelegen.

Nach einer knappen Verbeugung verließen die beiden Magier das Gemach. Aus Respekt für den König verschwanden sie nicht einfach ins Nichts, wie sie es hätten tun können. Nein, sie würden warten, bis sie wieder in ihrer eigenen Botschaft waren, aus dem Blickfeld misstrauischer Augen. Selbst jetzt bewiesen die Kirin Tor Weitsicht, was diese Dinge anging.

Aber auch das würde nichts ändern.

Als die Zauberer endlich weg waren, begann König Terenas zu sprechen.

»Meine demütigste Entschuldigung für diese Szene, Prestor! Welch eine Dreistigkeit! Sie platzen hier herein, als ob Dalaran und nicht Lordaeron hier herrschte! Dieses Mal sind sie zu weit gegangen …«

Als Deathwing eine Hand erhob, erstarrte er mitten im Satz. Nachdem sich der Drache mit einem kurzen Blick zu den Türen vergewissert hatte, dass ihn niemand bei der Verzauberung des Königs beobachtete, begab er sich an ein Fenster, von dem aus man den Palasthof und das dahinterliegende Königreich überblicken konnte. Deathwing wartete geduldig. Er beobachtete die Tore, durch die sämtliche Besucher des Palastes ein- und ausgehen mussten.