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Wenn das zutraf, stellte die Aktivität einen Vorteil für Rhonin dar. Die Orks würden so nicht nur von anderen Dingen abgelenkt sein, es würden sich auch wesentlich weniger hier herumtreiben, als sonst üblich. Sicherlich würde sich jeder Reiter alsbald auf seinem dressierten Tier in die Lüfte schwingen und den Weg nach Norden einschlagen.

Zuversichtlicher beschleunigte Rhonin seine Schritte, wurde selbstsicherer …

… nur um Sekunden später beinahe in die Arme zweier außergewöhnlich großer Ork-Krieger zu stolpern.

Zum Glück waren sie noch überraschter über die unerwartete Begegnung als er. Rhonin hob sofort seine linke Hand und murmelte einen Zauberspruch, den er sich eigentlich für widrigere Umstände hatte aufheben wollen.

Der Ork, der ihm am nächsten stand, verzog sein Gesicht mit den Fangzähnen zu einer wütenden Fratze und griff nach der Axt, die über seinen Rücken hing. Rhonins Spruch traf ihn mitten in die Brust und warf den kräftigen Krieger gegen die Felswand.

Als der Ork die Wand berührte, verschmolz er mit dem Fels. Die Umrisse seiner Gestalt mit dem wütend geöffneten Mund blieben für einen kurzen Moment zurück, dann wurden auch sie in die Wand gezogen, und es blieb keine Spur der Kreatur zurück.

»Drecksmensch!«, brüllte der zweite Ork, die Axt in der Hand. Er schwang seine Klinge Rhonin entgegen und schmetterte Splitter aus dem Fels, als der Magier sich gerade noch rechtzeitig duckte. Der Ork stürmte nach vorn. Seine bullige, schmutzig grüne Gestalt füllte den engen Gang fast völlig aus. Eine Halskette aus getrockneten, runzeligen Fingern – menschliche, elfische und andere – baumelte vor Rhonins Augen. Zweifellos wollte sein Gegner auch die Finger des Magiers der Sammlung hinzufügen. Der Ork schlug erneut zu und teilte Rhonin beinahe in zwei Hälften.

Rhonin starrte erneut auf die Halskette. In seinem Geist entstand eine düstere Idee. Er zeigte auf die Kette und machte eine kurze Geste.

Sein Spruch ließ den Ork kurz inne halten, aber als der wilde Krieger kein sichtbares Resultat bemerkte, lachte er den erbärmlichen kleinen Menschen schadenfroh aus. »Komm. Bringen wir es hinter uns, Magier.«

Doch als er seine Axt hob, veranlasste ihn ein schabendes Gefühl, auf seine Brust herabzublicken.

Die mehr als zwei Dutzend Finger an seiner Halskette hatten sich auf seine Kehle zu bewegt.

Er ließ die Axt fallen und versuchte sie wegzuziehen, aber sie hatten sich bereits tief eingegraben. Der Ork begann zu husten, als die Finger eine makabere Hand bildeten, eine Hand, die ihm Luft abschnitt.

Rhonin sprang aus dem Weg, als der Ork zu taumeln begann und versuchte die rächenden Finger abzureißen. Der Zauberer hatte den Spruch eigentlich nur zur Ablenkung eingesetzt, bis er sich etwas Endgültigeres überlegen konnte, aber die abgetrennten Finger schienen sich die Möglichkeit nicht entgehen lassen zu wollen. Rache? Selbst als Magier konnte Rhonin nicht glauben, dass die Seelen der Krieger, die von dem Ork erschlagen worden waren, die Finger zu dieser Leistung anspornten. Es musste die Macht des Spruchs selbst sein.

So musste es einfach sein …

Die verzauberten Finger, gleichgültig, ob sie von rachedurstigen Geistern oder einfacher Magie angespornt wurden, verrichteten ihre schreckliche Arbeit mit scheinbarer Leichtigkeit. Blut strömte über die Brust des Orks, als Nägel sich in das weiche Fleisch seiner Kehle bohrten. Der monströse Krieger brach in die Knie; seine Blicke waren so verzweifelt, dass Rhonin seine Augen schließlich abwenden musste.

Einige Sekunden später hörte er, wie der Ork nach Luft schnappte – wenig später fiel ein schweres Gewicht auf den Tunnelboden.

Der hünenhafte Berserker lag in seinem Blut, die fremden Finger immer noch tief in den Hals gegraben. Rhonin wagte es, eines der abgetrennten Gliedmaßen zu berühren, spürte jedoch keine Bewegung, kein Leben. Die Finger hatten ihre Aufgabe erfüllt und waren nun in ihren ursprünglichen Zustand zurück verfallen, so wie der Spruch es beabsichtigt hatte.

Und doch …

Rhonin eilte an der Leiche vorbei und verdrängte diese Gedanken. Es gab keinen Ort, an dem er den Körper hätte verbergen können, und er hatte auch keine Zeit darüber nachzudenken. Früher oder später würde jemand entdecken, was geschehen war, aber daran konnte der Zauberer nichts ändern. Rhonin musste sich voll und ganz auf die Drachenkönigin konzentrieren. Wenn es ihm gelang, sie zu befreien, brachte sie ihn vielleicht in Sicherheit. Darin, das wusste er, lag seine einzige Fluchtmöglichkeit.

Es gelang ihm, die nächsten Tunnel ohne Unterbrechungen zu durchqueren, aber dann bemerkte er einen hell erleuchteten Gang vor sich, aus dem lautes Stimmengewirr drang. Vorsichtiger bewegte sich Rhonin auf die Kreuzung zu und spähte um die Ecke.

Was er für einen Gang gehalten hatte, erwies sich als der Eingang zu einer riesigen Höhle, die sich rechter Hand erstreckte. Zahlreiche Orks beluden Wagen und spannten Zugtiere ein, als stünde eine lange Reise, von der sie vielleicht nie zurückkehren würden, kurz bevor.

Hatte er mit seiner Mutmaßung über eine Schlacht im Norden richtig gelegen? Wenn ja, wieso schienen sich dann aber alle Orks auf diese Reise zu begeben? Wieso nicht nur die Reiter und ihre Drachen? Mit diesen Wagen würden sie viel zu lange brauchen, um Dun Algaz zu erreichen.

Zwei Orks traten in sein Blickfeld. Sie trugen etwas sehr Schweres zwischen sich. Sicherlich hätten sie es am liebsten abgelegt, aber aus irgendeinem Grund wagten sie das nicht. Sie achteten sogar sehr sorgfältig auf ihre Last, wie Rhonin auffiel, fast als bestünde sie aus purem Gold.

Der Zauberer sah, dass niemand in seine Richtung blickte und trat vor, um mehr über diese Sache in Erfahrung zu bringen. Der Gegenstand war rund – nein, oval – und etwas rauh, beinahe schon schuppig. Er erinnerte Rhonin irgendwie an ein …

… an ein Ei.

Ein Drachenei, um genau zu sein.

Sein Blick glitt rasch zu den anderen Wagen. Erst jetzt wurde ihm klar, dass sich auf vielen Eier in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befanden. Er sah glatte, fast runde Eier und welche, die noch schorfiger als das erste waren und kurz vor dem Schlüpfen standen.

Wenn die Drachen so wichtig für die schwindenden Hoffnungen der Orks waren, warum riskierte man dann, eine so wertvolle Fracht auf eine Reise voller Unwägbarkeiten mitzunehmen?

Mensch!

Die Stimme in seinem Kopf ließ Rhonin beinahe aufschreien. Er presste sich gegen die Wand und schlüpfte zurück in den Tunnel. Erst als er sicher war, dass keiner der Orks ihn sehen konnte, griff er nach dem Medaillon um seinen Hals und betrachtete den schwarzen Kristall in der Mitte.

Er leuchtete schwach.

Mensch. Rhonin … Wo bist du?

Wusste es Deathwing nicht? »Ich bin mitten in der Ork-Festung«, flüsterte er. »Ich habe nach der Kammer der Drachenkönigin gesucht.«

Du hast jedoch etwas anderes gefunden. Ich habe ein wenig davon bemerkt. Was war es?

Aus irgendeinem Grund wollte Rhonin das Deathwing nicht beantworten. »Es waren nur Orks, die sich auf die Schlacht vorbereiten. Ich hätte beinahe ihren Übungsraum betreten, bevor ich sie bemerkte.«

Auf seine Entgegnung hin folgte eine Pause. Sie war so lang, dass Rhonin schon glaubte, Deathwing habe die Verbindung abgebrochen. Dann sagte der Drache in einem sehr ruhigen Tonfalclass="underline" Ich möchte das sehen.

»Es ist nichts …«

Bevor Rhonin noch etwas hinzufügen konnte, entglitt sein Körper plötzlich seiner Kontrolle und wandte sich wieder der Höhle und den vielen, vielen Orks zu. Der wütende Zauberer versuchte zu protestieren, aber dieses Mal verweigerte sich ihm sogar sein Mund.