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Fast fühlte die Elfe etwas wie Mitleid mit dem letzten ihrer Feinde. Vorsh, der wusste, dass er verloren war, sah so aus, als würde er gleich anfangen zu wimmern. Dennoch schlug er mit seiner Axt weiter auf den nächstbesten Zwerge ein und landete fast aus schierem Glück einen blutigen Treffer. Doch letztendlich konnte er der Flut seiner Feinde, die ihn in einem immer enger werdenden Kreis umzingelten, Äxte und Schwerter gezückt, nicht mehr standhalten. Am Ende glich Vorshs Tod eher einem Gemetzel.

Vereesa schaute weg. Sie sah nicht wieder nach vorne, bis eine ruhige Stimme mit leichtem Reibeisenklang bemerkte: »Kein Wunder, dass die Trolle so hart gekämpft haben! Gimmel! Siehst du das?«

»Aye, Rom! Sieht viel besser aus, als was ich hier drüben gefunden habe!«

Kräftige Hände zogen sie in eine sitzende Position. »Mal sehen, ob wir die Fesseln von Euch abkriegen, ohne Eure hübsche Figur zu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen!«

Sie blickte hoch in das Gesicht eines gesund aussehenden Zwerges, der fast einen halben Kopf kleiner war als Falstad und viel plumper gebaut. Als er ihr die Fesseln löste, wurde der Elfe jedoch bewusst, dass der erste Eindruck täuschte; diese Zwerge hatten schon im Umgang mit den Trollen bewiesen, dass sie keinesfalls ungeschickt waren.

Aus der Nähe betrachtet sahen die Kleider der Zwerge noch zerlumpter aus, was wenig überraschte, wenn die Zwerge sich, wie Vereesa vermutete, damit durchschlugen, die Orks zu bestehlen. Es herrschte auch ein ausgeprägter Geruch vor, der verriet, dass Baden seit langem ein Luxus war.

»Das hätten wir!«

Die Fesseln fielen von ihr ab. Sofort riss sich Vereesa den Knebel vom Mund, um den sich der Zwerg nicht gekümmert hatte. Gleichzeitig brach rechts ein Schwall von Flüchen los; auch Falstad war wieder frei.

»Halt den Mund, oder ich stopf den Knebel wieder rein!«, knurrte Gimmel ihn an.

»Es braucht eine Menge Hügelzwerge, um einen Aerie zu besiegen!«

Ein Raunen unter den Zwergen warnte Vereesa, dass ihre Retter sie gleich wieder gefangen nehmen würden, wenn der Greifenreiter sein Mundwerk nicht im Zaum hielt. Sie kam auf die Beine, erinnerte sich gerade noch rechtzeitig, dass der Tunnel hier nicht ganz ihrer Größe angepasst war, und sagte angespannt zu dem Zwerg: »Falstad! Sei höflich zu unseren Rettern! Immerhin haben sie uns vor einem schrecklichen Schicksal bewahrt …«

»Aye, da habt Ihr recht«, antwortete Rom. »Die verdammten Trolle essen alles, was Fleisch ist, egal ob tot oder lebendig!«

»Sie erwähnten noch andere Trolle«, erinnerte sie sich plötzlich. »Vielleicht sollten wir lieber von hier verschwinden, bevor sie kommen.«

Rom hob die Hand. Seine zerfurchten Züge erinnerten Vereesa an einen zähen alten Hund. »Kein Grund zur Sorge. Über jene anderen sind wir auf diese drei hier gestoßen.« Er dachte einen Moment nach. »Aber vielleicht habt ihr trotzdem Recht. Es war nicht die einzige Bande von Trollen in dieser Gegend. Die Orks halten sie fast wie Bluthunde! Jeder außer den Orks, der diese ruinierten Lande betritt, ist Freiwild – und sie vergreifen sich auch schon mal an ihren eigenen Verbündeten, wenn sie glauben, dass es keiner merkt!«

Durch Vereesas Kopf schwirrten Bilder des Schicksals, das sie erwartet hätte. »Ekelhaft! Ich danke Euch von ganzem Herzen für Euer rechtzeitiges Einschreiten!«

»Hätte ich gewusst, dass Ihr es seid, die wir retten, hätte ich diesen traurigen Haufen schneller hierher getrieben!«

Gimmel, dessen Augen viel zu oft an der Elfe hafteten, trat zu seinem Anführer. »Joj ist tot. Er steckt immer noch halb in der Wand. Narn geht es schlecht, er muss behandelt werden. Die anderen Verletzten können gehen.«

»Dann lasst uns aufbrechen! Du auch, Schmetterling!« Letztere Bemerkung bezog sich auf Falstad, der auf diese offensichtlich herbe Beleidigung der Aerie-Zwerge hin ziemlich zornig wurde. Vereesas sanfte Berührung an der Schulter beruhigte ihn ein wenig, doch ihr Freund blickte immer noch finster, als sie sich in Bewegung setzten.

Die Elfe sah, dass die Hügelzwerge nicht nur alle nützlich scheinenden Dinge der Trolle an sich nahmen, sondern auch die ihres toten Kameraden. Sie machten jedoch keine Anstalten, seine Leiche abzutransportieren, und als Rom ihren Blick bemerkte, zuckte er leicht beschämt die Schultern.

»Durch den Krieg sind wir gezwungen, manche Regeln zu ändern, Elfendame. Joj würde das verstehen. Wir werden seine Habe an seine nächsten Verwandten weitergeben und auch einen Extraanteil an der Beute … nicht dass da viel gewesen wäre, wie ich leider sagen muss.«

»Ich hatte keine Ahnung, dass sich in Khaz Modan überhaupt noch Zwerge aufhalten. Es wurde behauptet, dass alle Zwerge das Land verließen, als sich abzeichnete, dass sie es nicht mehr gegen die Horde würden halten können.«

Der Ausdruck auf Roms Hundegesicht wurde bitter. »Aye, alle, die weggehen konnten, taten das auch! Aber das war nicht allen möglich, wisst Ihr? Die Horde kam über uns wie eine Pest und schnitt vielen von uns den Weg ab! Wir waren gezwungen, immer weiter unter die Erde zu gehen, tiefer als wir es je getan hatten! Viele sind damals gestorben, und seither noch viele mehr!«

Ihr Blick schweifte über seine zerlumpte Bande. »Wie viele seid ihr?«

»Mein Clan? Siebenundvierzig, doch einst waren wir Hunderte! Wir haben mit drei anderen gesprochen, zwei davon größer als wir selbst. Insgesamt sind es nur noch wenig mehr als dreihundert, ein Bruchteil dessen, was wir einmal darstellten!«

»Dreihundert und ein paar ist immer noch eine beachtliche Anzahl«, brummte Falstad. »Aye, mit so vielen wäre ich nach Grim Batol gegangen und hätte mir mein Land zurückgeholt!«

»Ja, wenn wir am Himmel herumflattern würden wie taumelnde Käfer, könnten wir sie vielleicht genügend verwirren, um das möglich zu machen – doch auf der Erde oder unter ihr sind wir immer noch im Nachteil. Es braucht nur einen Drachen, um einen ganzen Wald niederzubrennen und die Erde darunter auch!«

Die alte Feindschaft zwischen den Aerie und den Hügel-Zwergen drohte erneut auszubrechen. Schnell versuchte Vereesa, den Bruch zwischen den beiden zu kitten. »Genug davon! Sind nicht die Orks und ihresgleichen unsere Feinde? Wenn ihr miteinander hadert, spielt dies nicht ausschließlich ihnen in die Hände?«

Falstad murmelte eine Entschuldigung, Rom schloss sich ihm an. Doch die Elfe ließ die Sache noch nicht auf sich beruhen.

»Das reicht mir nicht. Seht einander an und schwört, dass ihr ausschließlich für unser Wohl kämpfen werdet! Schwört, dass Ihr niemals vergesst, dass es die Orks sind, die eure Brüder erschlugen, und die Orks, die töteten, was ihr liebtet.«

Sie wusste nichts Genaues über die Vergangenheit der beiden Zwerge, doch es war klar, dass jeder, der in diesem Krieg kämpfte, jemanden oder etwas, das ihm teuer gewesen war, verloren hatte. Rom hatte ohne Zweifel viele Familienmitglieder verloren, und Falstad, der zu einer verwegenen Aerie-Bande gehörte, hatte sicher nichts Minderes erlitten.

Der Greifenreiter streckte seine Hand zuerst zur Versöhnung aus, was ihn in Vereesas Ansehen steigen ließ. »Aye, das ist recht. Ich gebe dir meine Hand.«

»Wenn du das tust, so tue ich es auch.«

Als die beiden sich die Hände gaben, erhob sich ein kurzes Raunen unter den anderen Hügelzwergen. Unter anderen als den gegebenen Umständen wäre dieser schnelle Kompromiss höchst verdächtig erschienen.

Die Gruppe zog weiter. Diesmal stellte Rom die Fragen. »Nun, da die Gefahr durch die Trolle gebannt ist, Elfendame, solltet ihr uns sagen, was Euch in unser verwundetes Land führt. Ist es, wie wir hoffen, dass der Krieg sich gegen die hiesigen Orks wendet, dass Khaz Modan bald wieder frei sein wird?«

»Der Krieg wendet sich gegen die hier ansässige Horde, das ist wahr.« Ihre Worte riefen bei den Zwergen leise Beifallskundgebungen hervor. »Der Hauptteil der Horde wurde vor ein paar Monaten zerschlagen, und Doomhammer ist verschwunden.«