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»Ihr werdet es doch nicht ernsthaft aufheben wollen?«

»Ich habe keine Wahl.«

Als die Waldläuferin näher kam, beäugte der Drache sie von oben herab. Drachen sahen angeblich sehr gut im Dunkeln, und ihr Geruchssinn war noch stärker ausgeprägt. Auf diese geringe Entfernung war sie ihm völlig ausgeliefert.

Mit einem Zipfel ihres Umhangs hob sie das Medaillon vorsichtig auf. Nach der langen Zeit, die es im Maul des Drachen gesteckt hatte, triefte es vor Speichel. Mit einigem Ekel wischte die Elfe es, so gut es eben ging, am Boden ab.

Das Juwel leuchtete unvermutet auf.

Der Weg ist frei, hörte sie Krasus' monotone Stimme. Ihr beeilt euch besser, bevor andere kommen.

»Was hast du mit diesem Monster gemacht?«, flüsterte sie.

Ich sprach mit ihm. Er begreift jetzt. Beeil dich. Es werden andere kommen.

Der Drache begriff? Vereesa wollte den Zauberer noch mehr fragen, doch mittlerweile wusste sie, dass er ihr keine zufriedenstellende Antwort geben würde. Nun, immerhin hatte er das schier Unmögliche vollbracht, und dafür musste sie ihm dankbar sein.

Sie hängte sich die Kette wieder um den Hals und ließ den Talisman wieder frei baumeln. An Falstad gewandt, sagte sie einfach: »Wir müssen weiter.«

Der Zwerg schüttelte beim Anblick des Drachen den Kopf und folgte ihr.

Krasus hielt Wort. Er führte sie durch die verlassene Mine und zu guter Letzt in einen Gang, von dem Vereesa nie gedacht hätte, dass er in die Bergfestung führen könnte. Er zwang die beiden, einen engen und ziemlich riskanten Seitenweg zu erklimmen, doch schließlich betraten sie den oberen Teil einer recht geräumigen Höhle.

Eine Höhle voller umhereilender Orks.

Von dem Vorsprung aus, auf dem sie kauerten, konnten sie die Furcht einflößenden Krieger dabei beobachten, wie sie Güter verpackten und Wagen beluden. Auf einer Seite der Höhle kontrollierte ein Drachenbändiger einen jungen Leviathan, während ein anderer kurz davor zu stehen schien, aufzubrechen.

»Es sieht so aus, als planten sie, wegzugehen!«

Das kam Vereesa auch so vor. Sie lehnte sich nach vorn, um besser sehen zu können.

Es hat funktioniert.

Krasus hatte gesprochen, aufgrund seiner Tonlage wusste Vereesa jedoch sofort, dass diese Worte nur für ihn selbst bestimmt gewesen waren. Möglicherweise hatte er nicht einmal gemerkt, dass sie ihn hören konnte. Hatte er etwas damit zu tun, dass die Orks Grim Batol verließen? Obwohl sie gesehen hatte, wie der Zauberer sich den Drachen gefügig gemacht hatte, bezweifelte die Elfe, dass sein Einfluss so weit ging.

Der eine Drachen, der flugbereit war, bewegte sich nun zum Hauptausgang der Höhle. Sein Reiter gurtete sich fest. Im Gegensatz zu einem Kampfeinsatz, war der Drache schwer mit Lasten beladen.

Vereesa lehnte sich zurück und dachte nach. Obwohl die Tatsache, dass die Orks Grim Batol verließen, für die Allianz sehr bedeutsam sein mochte, blieben viele Fragen offen. Sie sorgte sich um Rhonin. Welchen Nutzen würde er für die Orks noch haben, wenn sie hier weggingen? Sicherlich würden sie sich nicht die Mühe machen, einen feindlichen Zauberer mitzuschleppen.

Und hatten sie wirklich vor, alle Drachen umzusiedeln?

Sie hatte auf Krasus' nächste Anweisung gewartet, doch der Zauberer blieb auffallend stumm. Vereesa blickte umher, um zu entscheiden, welcher Weg sie am schnellsten dahin führen würde, wo Rhonin gefangen gehalten wurde … vorausgesetzt, er war noch nicht umgebracht worden.

Falstad legte eine Hand auf ihre Schulter. »Da unten! Seht Ihr ihn?«

Sie folgte seinem Blick – und sah den Goblin. Er eilte einen anderen Vorsprung entlang auf einen Ausgang zu ihrer Linken zu.

»Es ist Kryll! Es kann kein anderer sein!«

Die Elfe war sich dessen ebenfalls sicher. »Er kennt sich hier anscheinend recht gut aus.«

»Aye! Darum hat er uns zu ihren Verbündeten, den Trollen, geführt!«

Aber warum hatte der Goblin sie nicht von Orks gefangen nehmen lassen? Warum hatte er sie den mörderischen Trollen in die Hände gespielt? Die Orks hätten sie doch gewiss verhören wollen.

Genug gegrübelt. Sie hatte eine Idee. »Krasus! Kannst du uns zeigen, wie wir da hinunter kommen, wo der Goblin hinläuft?«

Keine Stimme erklang in ihrem Kopf.

»Krasus?«

»Was ist?«

»Der Zauberer scheint nicht antworten zu wollen – oder zu können.«

Falstad schnaubte. »Dann sind wir also auf uns allein gestellt?«

»Für den Augenblick scheint es so.« Sie richtete sich auf. »Der Vorsprung dort drüben. Er sollte uns dahin führen, wohin wir wollen. Die Orks werden die Tunnels recht geradlinig angelegt haben.«

»Also gehen wir ohne den Zauberer weiter. Gut. Das gefällt mir besser.«

Vereesa nickte grimmig. »Ja, wir gehen ohne den Zauberer weiter – aber nicht ohne unseren kleinen ‚Freund‘ Kryll!«

18

Zu langsam. Sie waren viel zu langsam.

Nekros stieß einen Peon mit wütendem Grunzen an, um den wertlosen Ork aus niedriger Kaste zur schnelleren Arbeit anzutreiben. Der andere Ork stöhnte und eilte mit seiner Last davon.

Die niederen Orks waren zu nichts anderem als körperlicher Arbeit zu gebrauchen, und momentan hatte Nekros den Eindruck, dass sie nicht einmal dazu taugten. Ihm war nichts anderes übrig geblieben, als die Krieger dazu zu zwingen, mitzuschuften, um alles bis zum Morgengrauen erledigt zu haben. Nekros hatte sogar darüber nachgedacht, mitten in der Nacht abzureisen, aber das war nicht mehr möglich, und er wollte nicht noch einen weiteren Tag verstreichen lassen. Mit jeder Stunde rückten die Invasionstruppen zweifellos näher, obwohl seine Späher, die ihre Augen wohl vor der Wirklichkeit verschlossen, noch immer behaupteten, es gäbe keine Spuren eines Spähtrupps, geschweige denn einer Armee. Da fiel es wohl nicht weiter ins Gewicht, dass Allianz-Krieger auf Greifen gesichtet worden waren, ein Zauberer den Weg in den Berg gefunden hatte und der schrecklichste aller Drachen nun dem Feind diente. Nein, dass die Wachposten unfähig waren, den Gegner zu sehen, bedeutete nicht, dass die Menschen und ihre Verbündeten nicht schon längst auf Grim Batol zuritten.

Der verstümmelte Krieger war so darin versunken, seinen Arbeitern die Dringlichkeit der Frachtverladung zu erklären, dass er seinen Chefpfleger zunächst gar nicht bemerkte. Erst auf ein vorsichtiges Räuspern hin, drehte sich Nekros um.

»Rede, Brogas. Wieso schleichst du hier herum wie dieser Abschaum?«

Der etwas dünnere Ork verzog das Gesicht. Seine Stoßzähne waren an den Seiten nach unten gebogen, was seinem ohnehin schlechtgelaunt wirkenden Gesicht einen noch traurigeren Ausdruck verlieh. »Das Männchen … Nekros, ich glaube, es stirbt bald.«

Noch schlechtere Nachrichten, vielleicht sogar die schlimmsten! »Lass ihn mich sehen.«

Sie gingen so schnell sie es vermochten, wobei Brogas darauf achtete kein Tempo vorzugeben, das die Behinderung seines Vorgesetzten noch unterstrichen hätte. Nekros hatte jedoch größere Sorgen. Um das Zuchtprogramm fortzusetzen, benötigte er ein weibliches und ein männliches Exemplar. Ohne die eine oder den anderen besaßen sie nichts … und das würde Zuluhed nicht gefallen.

Sie erreichten eine abgelegene Höhle, in der sich der älteste und letzte Begleiter Alexstraszas aufhielt. Tyranastrasz war im Vergleich zu anderen Drachen dereinst gewiss ein beeindruckender Anblick gewesen. Nekros hatte gehört, dass der alte Purpurdrache sogar Deathwing an Größe und Macht ebenbürtig gewesen war, obwohl es sich dabei vielleicht nur um eine Legende handelte. Trotzdem füllte der Drache immer noch die Kammer so weit aus, dass der Anführer der Orks im ersten Moment kaum glauben mochte, dass ein solcher Gigant überhaupt erkranken konnte.

Als er jedoch den unregelmäßigen Atem des Drachens hörte, erkannte er die Wahrheit. Tyran, wie ihn alle nannten, hatte im letzten Jahr mehrere Anfälle erlitten. Der Ork hatte einst angenommen, Drachen seien unsterblich und könnten nur im Kampf getötet werden, aber über die Jahre hinweg hatte er entdeckt, dass auch Drachen mitunter an Krankheiten litten. Irgendetwas hatte Tyran mit einer langsam arbeitenden, aber tödlich verlaufenden Krankheit gestraft.