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Als der Wind heulte und Schnee gegen den mächtigen Körper des Leviathan blies, faltete Korialstrasz seine Flügel neben seinem Kopf, um sich während seiner Konzentrationsphase besser schützen zu können. Er stellte sich die Elfe vor, so wie er sie durch den Talisman gesehen hatte. Für eine Angehörige ihrer Art war sie nett anzusehen, und sie machte sich sichtlich Sorgen um Rhonin. Sie war außerdem eine tapfere Kriegerin. Vielleicht lebte sie noch – genau wie der Zwerg aus den Aeries.

»Vereesa Windrunner …«, sagte er ruhig. »Vereesa Windrunner.« Korialstrasz schloss seine Augen und versuchte sein inneres Auge zu öffnen. Seltsamerweise sah er nichts. Mit Hilfe des Medaillons hätte er alles sehen müssen, was sich vor dem Medaillon und der Elfe befand. Hatte sie es vielleicht in eine Tasche gesteckt?

»Vereesa Windrunner … mache ein Geräusch, egal wie leise, damit ich weiß, dass du mich hören kannst.«

Noch immer nichts.

»Elfe!« Zum ersten Mal verlor der Drache beinahe die Fassung. »Elfe!«

Immer noch keine Antwort, kein Bild. Korialstrasz konzentrierte sich völlig auf das Medaillon, lauschte auf irgendein Geräusch und wenn es nur das Zischen eines Orks gewesen wäre.

Nichts.

Zu spät … Sein schlechtes Gewissen war zu spät erwacht, um Rhonins Gefährten zu retten, und jetzt waren auch sie gestorben, weil der Drache ihnen keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte.

Als Krasus hatte er mit Rhonins Schuld gespielt und mit den Erinnerungen an die Begleiter, die der Zauberer bei seiner letzten Mission verloren hatte. Rhonin hatte sich dabei schlecht gefühlt. Jetzt jedoch begann der Drache die Gefühle des Menschen besser zu verstehen. Alexstrasza hatte immer in einem umsorgenden, mütterlichen Tonfall von den jüngeren Völkern gesprochen, als seien auch sie ihre Kinder. Ihre Sorge hatte ihren Begleiter angesteckt und so hatte er als Krasus hart an einer guten Entwicklung der Menschen gearbeitet. Die Gefangennahme seiner Königin durch die Orks hatte seine Überzeugungen jedoch bis in die Grundfesten erschüttert und Korialstrasz dazu gebracht, seine eigenen Lehren zu vergessen … bis heute.

Für diese drei kam seine Wandlung also zu spät.

»Aber es ist noch nicht zu spät für dich, meine Königin«, sagte der Drache. Sollte er das hier überstehen, würde er den Rest seines Lebens damit verbringen seine Fehler, die er an Rhonin und den anderen begangen hatte, wiedergutzumachen. Jetzt zählte jedoch nichts anderes als die Rettung seiner Geliebten. Sie würde sein Handeln verstehen … hoffte er.

Der majestätische rote Drache spreizte seine Flügel und erhob sich in die Lüfte, machte sich auf den Weg nach Norden.

Nach Grim Batol.

Nekros Skullcrusher wandte sich von den Trümmern ab, wütend, aber nicht bereit sich von seinen Plänen ablenken zu lassen.

»Soviel zum Thema Zauberer …«, murmelte er und versuchte sich nicht vorzustellen, welch einen Zauberspruch der Mensch gewoben haben musste, um diese Zerstörungen auszulösen und den schier unbesiegbaren Golem zu vernichten. Der Spruch musste sehr mächtig gewesen sein, denn er hatte nicht nur den Zauberer das Leben gekostet, sondern auch eine ganze Sektion der Tunnel zum Einsturz gebracht.

»Graben wir die Leiche aus?«, fragte einer der Krieger.

»Nein, reine Zeitverschwendung.« Nekros griff nach der Tasche, in der sich die Dämonenseele befand und dachte bereits an den Höhepunkt seines verzweifelten Plans. »Wir verlassen Grim Batol jetzt

Die anderen Orks folgten ihm. Den meisten gefiel die Entscheidung, die Bergfestung zu verlassen, nicht, aber sie wollten auch nicht hier zurückbleiben – vor allem nicht, wenn der Spruch des Zauberers auch das restliche Tunnelsystem in Mitleidenschaft gezogen hatte.

Ein unglaublicher Druck lastete auf Rhonins Kopf, ein Druck, so brutal, dass er befürchtete, sein Schädel könne jeden Augenblick gesprengt werden. Mühsam zwang er seine Augen, sich zu öffnen. Er wollte herausfinden, was ihn niederdrückte und wie er es so schnell wie möglich entfernen konnte.

Als er seinen verschwommenen Blick nach oben richtete, stieß er die Luft aus den Lungen.

Eine Felslawine – mindestens eine Tonne, wenn nicht mehr – hing ungefähr einen Fuß über seinem Kopf. Der Schild, den er zuvor geschleudert hatte, leuchtete schwach und gab damit zu erkennen, was genau verhindert hatte, dass sie zermalmt worden waren.

Der Druck in seinem Kopf, das begriff er jetzt, war der Teil seines Geistes, dem es gelungen war, den Spruch zu erhalten und so sein Leben zu retten. Der wachsende Schmerz wies den gefangenen Zauberer jedoch darauf hin, dass der Spruch mit jeder verstreichenden Sekunde schwächer wurde.

Er drehte sich, versuchte eine bequemere Stellung einzunehmen und hoffte, dass damit auch der Druck abnehmen würde, doch dann spürte er etwas unter seinem Hinterkopf. Rhonin griff vorsichtig danach, vermutete einen kleinen Stein, den er entfernen wollte. Als seine Finger ihn berührten, spürte er ein jedoch einen Hauch von Magie.

Die Neugier lenkte ihn von der über ihm schwebenden Bedrohung ab. Rhonin zog den Gegenstand dicht genug zu sich heran, um ihn betrachten zu können.

Ein schwarzes Juwel. Sicherlich jenes, das sich einst in der Mitte von Deathwings Medaillon befunden hatte.

Rhonin hob die Augenbrauen. Er hatte das Medaillon zuletzt nach Krylls Tod gesehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich nicht um den Stein gekümmert, war zu sehr mit der Gefahr beschäftigt gewesen, in der Vereesa und …

Vereesa! Das Gesicht der Elfe kreiste plötzlich in seinen Gedanken. Sie und der Zwerg waren weiter entfernt gewesen, hatten unter dem Schutz des ursprünglichen Zauberspruchs gestanden, aber jetzt …

Er drehte sich und versuchte sie zu entdecken. Als er sich bewegte, verstärkte sich jedoch der Druck in seinem Kopf, und die Steine senkten sich um einige Zentimeter.

Gleichzeitig hörte er einen tiefen Fluch.

»Falstad?«, stieß Rhonin hervor.

»Aye …«, kam die leise Antwort. »Ich wusste, dass du überlebt hast, Zauberer, weil wir nicht zerquetscht worden sind, aber ich dachte, du würdest vielleicht nie wieder aufwachen. Es wurde Zeit!«

»Hast du … lebt Vereesa?«

»Schwer zu sagen. Der Schimmer, der von deinem Zauberspruch ausgeht, lässt mich ein wenig von ihr sehen, aber nicht genug. Hab nichts von ihr gehört, seit ich aufgewacht bin.«

Rhonin biss die Zähne zusammen. Sie musste überlebt haben. »Falstad, wie viel Platz ist zwischen dir und den Felsen?«

Sein Gefährte bewies Galgenhumor. Er lachte. »Sie sind nah genug, um meine Nase zu kitzeln, Mensch, sonst hätte ich schon längst nach ihr gesehen. Hätte nicht gedacht, dass ich meine eigene Beerdigung erleben würde.«

Der Magier ignorierte die letzte Bemerkung und dachte an die Nähe der Steinlawine, von der der Zwerg gesprochen hatte. Anscheinend wurde die Kraft des Spruchs schwächer, je weiter er von Rhonin entfernt war. Vereesa und Falstad waren zwar nicht zermalmt worden, aber die Waldläuferin war möglicherweise am Kopf getroffen worden und vielleicht sogar unter dem Schlag gestorben.

Doch Rhonin musste sich seine Hoffnung bewahren.

»Mensch – wenn es nicht zuviel verlangt ist … kannst du irgendwas für uns tun?«

Konnte er sie retten? Besaß er noch so viel Macht und Stärke? Er steckte den schwarzen Stein ein und konzentrierte sich ausschließlich auf ihre verzweifelte Situation.

»Gib mir ein wenig Zeit …«

»Und was sollte ich wohl sonst tun?«

Der Druck auf den Kopf des Magiers wurde immer stärker. Rhonin bezweifelte, dass sein Schild noch lange funktionieren würde und doch musste er ihn erhalten, während er sich gleichzeitig an einem zweiten, vielleicht noch komplexeren Spruch versuchte.