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»Ich habe ein paar Kräuter, die Euch helfen werden, Richard«, schlug Nadine vor.

»Da weiß ich etwas Besseres.« Drefan beugte sich näher zu Richard. »Man nennt es Schlaf. Vielleicht erinnerst du dich, dieses Mittel früher einmal benutzt zu haben?«

»Ich weiß, ich bin seit einiger Zeit wach, Drefan, aber –«

»Seit vielen Tagen und Nächten.« Drefan hob warnend einen Finger. »Wenn du versuchst, die Folgen fehlenden Schlafs mit irgendwelchen Mittelchen zu überdecken, tust du dir selbst keinen Gefallen. Die Kopfschmerzen werden wiederkommen, schlimmer als zuvor. Du wirst deine Kräfte aufzehren. Damit tust du weder dir einen Gefallen noch sonst jemandem.«

»Drefan hat recht«, stimmte Kahlan zu.

Ohne aufzuschauen, blätterte Berdine die Seite um, die sie gerade im Tagebuch las.

»Das ist durchaus wahr. Ich fühle mich wesentlich besser, seit ich etwas geschlafen habe.«

Endlich schien Berdine zu bemerken, daß noch andere anwesend waren. »Jetzt, wo ich wach bin, kann ich besser nachdenken.«

Richard wehrte sich mit erhobener Hand gegen ihre Hartnäckigkeit. »Ich weiß. Bald, das verspreche ich. Was wolltet Ihr mir mitteilen, Berdine?«

»Was?« Sie las schon wieder. »Oh. Ich habe herausgefunden, wo der Tempel der Winde steht.«

Richards Braue schoß in die Höhe. »Was?«

»Nachdem ich etwas geschlafen hatte, konnte ich klarer denken. Mir wurde bewußt, daß wir unsere Suche dadurch eingeschränkt hatten, indem wir nur nach einer begrenzten Anzahl von Schlüsselwörtern suchten. Also malte ich mir aus, was die alten Zauberer in derselben Lage getan hätten. Ich kam zu dem Schluß, daß –«

»Wo ist er?« fuhr Richard sie an.

Endlich hob Berdine den Kopf und kniff die Augen zusammen. »Der Tempel der Winde steht auf dem Gipfel des Berges der Vier Winde.«

Jetzt erst bemerkte Berdine Raina. Die beiden Frauen begrüßten sich mit einem Lächeln. Ihre Blicke drückten warme Zuneigung füreinander aus.

Kahlan zuckte die Achseln, als Richard sie fragend ansah. »Das ist keine große Hilfe, Berdine, es sei denn, Ihr könnt uns sagen, wo dieser Berg liegt.«

Berdine runzelte kurz die Stirn, winkte dann entschuldigend ab. »Oh. Verzeihung. So lautet die Übersetzung« – sie runzelte erneut die Stirn – »glaube ich.«

Richard fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Wie nennt Kolo ihn?«

Berdine blätterte zurück, drehte das Buch herum und tippte mit dem Finger auf eine Stelle in der Handschrift.

Richard kniff die Augen zusammen. »Berglendursch ost Kymermosst«, las er aus dem Tagebuch vor. »Berg der Vier Winde.«

»Eigentlich«, sagte Berdine, »bedeutet Berglendursch mehr als einfach nur Berg. Berglen heißt ›Berg‹ und ›dursch‹ bedeutet manchmal Fels, manchmal kann es allerdings auch etwas anderes bedeuten, ›willensstark‹ zum Beispiel, in diesem Fall aber heißt es, glaube ich, eher so etwas wie Felsberg oder großer Berg aus Fels. Ihr wißt schon, felsiger Berg der Vier Winde … so in der Art.«

Kahlan verlagerte das Gewicht auf ihren müden Füßen. »Berg Kymermosst?«

Berdine kratzte sich an der Nase. »Ja. Das klingt, als könnte es sich um denselben Ort handeln.«

»Es muß derselbe Ort sein«, sagte Richard, der zum erstenmal seit Stunden Hoffnung zu schöpfen schien. »Weißt du, wo er sich befindet?«

»Ja. Ich war schon auf dem Berg Kymermosst«, sagte Kahlan. »Windig ist es dort oben zweifellos – und felsig. Oben auf dem Gipfel stehen ein paar Ruinen, aber nichts, was einem Tempel ähnlich wäre.«

»Vielleicht sind das die Ruinen des Tempels«, schlug Berdine vor. »Wir wissen nicht, wie groß er war. Ein Tempel kann sehr klein sein.«

»Nein, in diesem Fall glaube ich das nicht.«

»Warum nicht?« wollte Richard wissen. »Was gibt es dort oben? Wie weit ist es?«

»Er liegt nicht weit entfernt in Richtung Nordosten. Vielleicht einen Tagesritt, je nachdem. Höchstens zwei. Es handelt sich um einen ziemlich unwirtlichen Ort. So trügerisch der alte Pfad ist, der auf den Berg hinauf- und über ihn hinwegführt, der Weg über Berg Kymermosst erspart einem die Durchquerung sehr schwierigen Geländes und mehrere Tagesreisen.

Oben auf dem Gipfel befinden sich einige alte Ruinen. Nur ein paar Nebengebäude, dem Aussehen nach. Ich habe eine Menge prächtiger Gebäude gesehen, mir ist klar, daß das, was dort oben steht, von seiner Architektur her nicht der Hauptkomplex war. Die Ruinen ähneln einigen der Nebengebäude hier im Palast der Konfessoren. Es gibt eine Straße, die zwischen den Gebäuden hindurchführt, ein wenig so wie die große Promenade hier, die genau zwischen den Nebengebäuden verläuft.«

Richard hakte einen Daumen hinter seinen breiten Ledergürtel. »Und wo führt sie nun hin, diese großartige Straße?«

Kahlan sah ihm fest in die grauen Augen. »Direkt bis zum Rand eines Abhanges. Die Felswand fällt vielleicht drei-, viertausend Fuß steil ab.«

»Gibt es irgendeine Art in den Abhang geschlagene Treppe? Irgend etwas, das zum eigentlichen Tempel hinunterführt?«

»Du verstehst nicht, Richard. Die Überreste der Gebäude stehen hart am Rand des Abhangs. Man sieht deutlich, daß die Gebäude, die Mauern und die Straße selbst einmal weitergeführt haben, denn sie sind genau an der Kante abgeschnitten. Der Berg ging einst an dieser Stelle weiter. Jetzt ist er verschwunden. Es ist alles weggebrochen. Ein Erdrutsch oder ähnliches. Was hinter den Ruinen lag, der Hauptkomplex und der eigentliche Berg, ist verschwunden.«

»Das jedenfalls schreibt Kolo. Die Mannschaft kehrte zurück, und der Tempel der Winde war verschwunden.« Richard wirkte niedergeschlagen. »Sie müssen Magie oder ähnliches benutzt haben, um den Tempel der Winde zu verbergen, damit niemand mehr dorthin gelangen konnte.«

»Also«, seufzte Berdine, »ich werde weiter im Tagebuch danach suchen, ob Kolo etwas davon erwähnt, daß der Tempel der Winde bei einem Erdrutsch oder einer Lawine in die Tiefe gestürzt ist.«

Richard nickte. »Vielleicht steht im Tagebuch noch mehr darüber.«

»Lord Rahl, werdet Ihr, bevor Ihr zu Eurer Heirat abreist, Zeit finden, mir zu helfen?«

Frostiges Schweigen senkte sich über die große Eingangshalle.

»Berdine –« Richards Mund bewegte sich, aber es kamen keine Worte heraus.

»Wie ich höre, sind die Soldaten wieder gesund«, sagte Berdine, während ihr Blick erst kurz zu Kahlan, dann wieder zu Richard hinüberwanderte. »Ihr sagtet, Ihr und die Mutter Konfessor würdet, sobald die Soldaten wieder gesund sind, aufbrechen, um Euch trauen zu lassen. Die Soldaten sind wieder gesund.« Sie schmunzelte. »Ich weiß, ich bin Eure Liebste, aber Ihr habt es Euch doch nicht etwa anders überlegt, oder? Keine kalten Füße bekommen?«

Sie wartete gespannt und schien nicht zu bemerken, daß niemand über ihren Scherz lachte.

Richard wirkte wie gelähmt. Er brachte es nicht über die Lippen.

Kahlan wußte, er hatte Angst, es offen auszusprechen. Er fürchtete, ihr das Herz zu brechen.

»Berdine«, sagte Kahlan in das bedrückende Schweigen hinein, »Richard und ich werden vorerst nicht abreisen, um zu heiraten. Die Hochzeit ist aufgeschoben. Zunächst jedenfalls.«

Sie hatte die Worte leise gesprochen, und doch schienen sie von den marmornen Wänden widerzuhallen, als hätte sie laut gebrüllt.

Nadines gespannt aufmerksames Gesicht verriet mehr, als hätte sie gegrinst. Irgendwie war es schlimmer, daß sie es nicht tat, denn es zeigte nur um so offensichtlicher, daß sie ihr Mienenspiel zügelte, dabei hätte ihr niemand einen Vorwurf machen können.

»Aufgeschoben?« Berdine kniff erstaunt die Augen zusammen. »Warum?«

Richard starrte Berdine an. Er hatte Angst, Kahlan anzusehen. »Jagang hat eine Epidemie in Aydindril ausgelöst, Berdine. Darum ging es in der Prophezeiung unten in der Grube. Es ist unsere Pflicht, uns um die Menschen hier zu kümmern, nicht um uns selbst … Wie sähe das aus, wenn …?«