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Er verstummte.

Sie ließ das Tagebuch sinken. »Das tut mir leid.«

32

Kahlan starrte aus dem Fenster hinaus in die hereinbrechende Nacht, in das Schneegestöber. Richard saß hinter ihr an seinem Schreibtisch, den goldenen Umhang über eine Lehne seines Stuhls gelegt. Er arbeitete zusammen mit Berdine an dem Tagebuch und wartete darauf, daß die Offiziere eintrafen. Meist redete Berdine. Gelegentlich antwortete er mit einem Brummen, wenn sie ihm sagte, was ein Wort ihrer Ansicht nach bedeutete und warum. So müde, wie er war, glaubte Kahlan nicht, daß er Berdine eine große Hilfe war.

Sie sah über die Schulter. Drefan und Nadine standen eng beieinander am Kamin. Richard hatte sie gebeten mitzukommen, um etwaige Fragen der Generäle zu beantworten. Nadine beschränkte ihre Aufmerksamkeit auf Drefan und vermied es, Richard oder gar Kahlan anzusehen. Wahrscheinlich weil sie wußte, daß Kahlan das siegessichere Funkeln in ihren Augen bemerken würde.

Nein. Das war kein Sieg für Nadine – sondern für Shota. Dies war nur ein Aufschub. Nur bis … bis wann? Bis sie eine Pestepidemie eindämmen konnten? Bis die meisten Menschen in Aydindril gestorben waren? Bis sie selbst die Pest bekamen und starben, wie es in der Prophezeiung vorhergesagt wurde?

Kahlan ging zu Richard und legte ihm die Hand auf die Schulter. Sie brauchte dringend seine Berührung. Dankbar spürte sie, wie er seine Hand über ihre legte.

»Nur ein Aufschub«, sagte sie leise, ganz nah an sein Ohr gebeugt. »Das ändert nichts, Richard. Versprochen.«

Er tätschelte ihre Hand und sah lächelnd zu ihr hoch. »Ich weiß.«

Cara öffnete die Tür und steckte den Kopf herein. »Sie kommen, Lord Rahl.«

»Danke, Cara. Laßt die Tür offen und bittet sie herein.«

Raina zündete im Kamin einen langen Fidibus an. Sie legte Berdine eine Hand auf die Schulter, um ihr Gleichgewicht zu halten, als sie sich an ihr vorbeibeugte, um eine weitere Lampe am anderen Ende des Tisches anzuzünden. Ihr langer, dunkler Zopf glitt von ihrer Schulter und streifte Berdines Gesicht. Berdine strich sich über die Wange und lächelte Raina kurz an.

Es geschah überaus selten, daß man sah, wie die beiden sich berührten oder ihre Zuneigung vor anderen offen zeigten. Doch Kahlan wußte, daß Raina nach diesem Tag Trost brauchte. So abstumpfend ihre Ausbildung auch gewesen war, so taub sie gegen selbst unerträgliche Schmerzen war, ihre menschlichen Gefühle standen im Begriff, wiedererweckt zu werden. Kahlan sah Rainas dunklen Augen an, wie sehr es ihr zusetzte, Zeuge des Leidens und des Todes von Kindern geworden zu sein.

Sie hörte, wie Cara draußen in der Eingangshalle die Männer bat einzutreten. Der muskulöse, ergrauende General Kerson, wie ehedem eine beeindruckende Erscheinung in seiner polierten Lederuniform, kam durch die Tür marschiert. Unter dem Harnisch, der seine Arme bedeckte, zeichneten sich seine Muskeln ab.

Ihm folgte der Befehlshaber der keltonischen Streitkräfte, der robuste General Baldwin. Er war ein älterer Mann mit einem weißgesprenkelten dunklen Schnauzer, dessen Enden bis zum unteren Rand seines Kinn reichten. Wie stets wirkte er vornehm in seinem grünen, mit Seide gefütterten Wollumhang, der mit zwei Knöpfen an einer Schulter befestigt war. Ein Wappen, das von einer diagonalen schwarzen Linie durchteilt wurde, die einen gelben und einen blauen Schild voneinander trennte, schmückte die Vorderseite seines hellbraunen Wappenrocks.

Die beiden Generäle verneigten sich, bevor die Reihen der sie begleitenden Offiziere vollständig das Zimmer betreten hatten. General Baldwins Schädel schimmerte durch sein dünner werdendes graues Haar hindurch.

»Meine Königin«, sagte General Baldwin. »Lord Rahl.«

Kahlan neigte vor dem Mann den Kopf, während Richard den Stuhl nach hinten schob und sich erhob. Berdine schob rasch ihren Stuhl zur Seite, um ihm nicht im Weg zu sein. Sie sah nicht mal auf. Sie war eine Mord-Sith und außerdem beschäftigt.

»Lord Rahl«, sagte der General mit einem Faustschlag auf sein Herz zum Gruß, nachdem er sich wieder aufgerichtet hatte. »Mutter Konfessor.«

Die Offiziere hinter ihnen verbeugten sich. Richard ertrug es geduldig, bis sie damit fertig waren. Kahlan kam es vor, als könne er es gar nicht erwarten, endlich anzufangen.

Er tat dies schlicht. »Meine Herren, zu meinem Bedauern muß ich Euch davon in Kenntnis setzen, daß in Aydindril eine Seuche ausgebrochen ist.«

»Eine Seuche?« fragte General Kerson. »Was für eine Seuche?«

»Eine Krankheit. Eine Seuche, an der die Menschen erkranken und sterben. Diese Art von Seuche.«

»Der Schwarze Tod«, warf Drefan mit düsterer Stimme hinter Richard und Kahlan ein.

Die Männer schienen allesamt tief durchzuatmen. Sie warteten schweigend.

»Da sie erst vor kurzem ausgebrochen ist«, fuhr Richard fort, »werden wir einige Vorsichtsmaßnahmen ergreifen können. Zur Zeit sind uns weniger als zwei Dutzend Fälle bekannt. Natürlich läßt sich unmöglich sagen, wie viele sich angesteckt haben und noch erkranken werden. Von denen, von deren Erkrankung wir wissen, ist bereits fast die Hälfte tot. Bis zum Morgen wird ihre Zahl noch steigen.«

General Kerson räusperte sich. »Vorsichtsmaßnahmen, Lord Rahl? Welche Vorsichtsmaßnahmen könnte man ergreifen? Habt Ihr ein weiteres Heilmittel für die Männer? Für die Menschen aus der Stadt?«

Richard strich sich mit den Fingerspitzen über die Stirn, während sein Blick zum Schreibtisch vor ihm wanderte.

»Nein, General, ich habe kein Heilmittel«, gestand er leise. Trotzdem hatte jeder seine Worte vernommen, so still war es im Zimmer.

»Aber was …?«

Richard richtete sich auf. »Wir müssen folgendes tun: Wir müssen die Männer trennen. Sie aufteilen. Mein Bruder hat die Pest schon einmal gesehen und über die großen Seuchen der Vergangenheit gelesen. Wir glauben, daß sie möglicherweise von Mensch zu Mensch übertragen wird, also wie in einer Familie, in der einer an einer Halsentzündung erkrankt und sich die anderen bei ihm anstecken.«

»Ich habe gehört, die Pest entstehe durch schlechte Luft«, warf einer der Offiziere aus dem Hintergrund ein.

»Wie ich hörte, ist auch das möglich«, antwortete Richard. »Auch eine Reihe von anderen Umständen soll sie auslösen können: schlechtes Wasser, schlechtes Fleisch, überhitztes Blut.«

»Magie?« wollte jemand wissen.

Richard verlagerte sein Gewicht. »Diese Möglichkeit besteht ebenfalls. Manche sagen, es handelt sich um ein Urteil der Seelen über unsere Welt, eine Strafe für das, was sie hier sehen. Ich persönlich glaube das nicht. Ich war heute nachmittag draußen und habe unschuldige Kinder leiden und sterben sehen. Ich kann nicht glauben, daß die Seelen uns etwas Derartiges antun würden, ganz gleich, wie aufgebracht sie sind.«

General Baldwin rieb sich das Kinn. »Wie breitet sie sich Eurer Ansicht nach dann aus, Lord Rahl?«

»Ich bin kein Fachmann, aber ich neige zur selben Erklärung wie mein Bruder. Die Pest verhält sich wie andere Krankheiten und wird durch die Luft oder über engen Kontakt übertragen. Das ergibt für mich am meisten Sinn, wenn diese Krankheit auch weitaus ernster ist. Diese Seuche, erklärte man mir, verläuft fast immer tödlich.

Wenn sie tatsächlich von einem Menschen auf den anderen übertragen wird, dürfen wir keine Zeit verlieren. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um die Seuche von unseren Streitkräften fernzuhalten. Ich möchte, daß die Männer in kleinere Einheiten aufgeteilt werden.«

General Kerson breitete verzweifelt die Hände aus. »Wieso könnt Ihr nicht einfach Magie benutzen, um die Stadt von dieser Seuche zu befreien?«

Kahlan legte Richard die Hand auf den Rücken, um ihn daran zu erinnern, nicht die Beherrschung zu verlieren. Er schien jedoch keinen Zorn zu hegen.

»Tut mir leid, aber im Augenblick wüßte ich kein Heilmittel gegen diese Seuche. Ich wüßte nicht, daß je ein Zauberer eine Seuche durch den Einsatz von Magie geheilt hätte.