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»Ja. Ich wurde gebraucht.«

Plötzlich ging ihre Überraschung in Erkenntnis über. »Ein Mann und eine Frau. Sie sind in dir gereist, nicht wahr?«

Das Lächeln der Sliph bekam etwas Verschmitztes, aber sie antwortete nicht.

Kahlan legte ihre Finger auf die Mauer. »Wer war es, Sliph, wer ist in dir gereist?«

»Du solltest wissen, daß ich niemals verrate, wen ich in mir aufnehme.«

»Das sollte ich wissen? Woher denn?«

»Du bist in mir gereist. Ich würde deinen Namen nicht preisgeben. Ich verrate meine Schützlinge nie. Du bist gereist, also mußt du das verstehen.«

Kahlan fuhr sich geduldig mit der Zunge über die Lippen. »Leider weiß ich eigentlich überhaupt nichts über dich, Sliph. Du stammst aus einem anderen Zeitalter. Ich weiß nur, daß du reisen kannst und daß du mir schon einmal geholfen hast. Du warst eine wertvolle Hilfe, als es darum ging, ein paar sehr böse Menschen zu besiegen.«

»Es freut mich, daß du zufrieden mit mir warst. Vielleicht möchtest du wieder zufrieden sein? Möchtest du wieder reisen?«

Ein Schauder kroch Kahlans Wirbelsäule hoch. Das mußte der Grund sein, weshalb Marlin versucht hatte, zur Burg der Zauberer zu gelangen. Er und Schwester Amelia mußten in der Sliph aus der Alten Welt nach Aydindril gekommen sein. Jagang hatte gesagt, er habe bis zur Rückkehr der Schwester damit gewartet, sich zu offenbaren. Wie sonst hätte sie so schnell zurückkommen können, wenn nicht in der Sliph?

Kahlan machte eine flehende Geste. »Sliph, einige sehr böse Menschen…«

Sie hielt inne und riß erschrocken die Augen auf.

»Sliph«, sagte sie leise, »du hast mich auch schon einmal in die Alte Welt gebracht.«

»Ah. Ich kenne diesen Ort. Komm, wir reisen.«

»Nein, nein, nicht dorthin. Kannst du auch an andere Orte reisen, Sliph?«

»Natürlich.«

»Und wohin?«

»An viele Orte. Das müßtest du wissen. Du bist doch gereist. Nenne den Ort, der dir gefallen würde, und wir werden reisen.«

Kahlan beugte sich zu dem verführerisch lächelnden, silbernen Gesicht hinüber.

»Zur Hexe. Kannst du mich zur Hexe bringen?«

»Diesen Ort kenne ich nicht.«

»Es handelt sich nicht um einen Ort. Sondern um eine Person. Sie lebt im Rang'Shada-Gebirge. An einem Ort namens Agaden. Kannst du dorthin reisen, nach Agaden?«

»Ah. Dort war ich schon einmal.«

Kahlan legte ihre zitternde Hand an die Lippen.

»Komm, und wir werden reisen«, forderte die Sliph sie auf, deren unheimliche Stimme von den uralten Mauern widerhallte. Das Geräusch verklang allmählich. Ein weiteres Mal senkte sich Stille herab und legte sich wie ein Staubschleier über den Raum.

Kahlan räusperte sich. »Ich muß vorher etwas holen. Wirst du noch hier sein, wenn ich wiederkomme? Wirst du auf mich warten?«

»Wenn ich ruhe, brauchst du mir deinen Wunsch nur mitzuteilen, und wir werden reisen. Du wirst zufrieden sein.«

»Soll das heißen, wenn du nicht hier bist, brauche ich nur dort unten hineinzurufen, damit du kommst und wir reisen?«

»Ja. Wir werden reisen.«

Kahlan rieb sich die Hände und ging einen Schritt zurück. »Ich komme wieder. Ich bin bald wieder zurück, dann werden wir reisen.«

»Ja«, sagte die Sliph und verfolgte mit den Augen, wie Kahlan sich entfernte. »Wir werden reisen.«

Kahlan hob die Lampe von der Stelle auf, wo sie sie neben den Regalen auf dem Boden abgestellt hatte. An der Tür hielt sie inne und sah sich nach dem quecksilbrigen Gesicht um, das in der Dunkelheit zu schweben schien.

»Ich komme wieder. Bald. Wir werden reisen.«

»Ja. Wir werden reisen«, wiederholte die Sliph, als Kahlan zu laufen begann.

Es fiel ihr schwer, sich im Laufen zu überlegen, wohin sie eigentlich wollte. Ihr drehte sich der Kopf von Argumenten. Sie rang mit ihren Alternativen und versuchte gleichzeitig achtzugeben, wenn sie in Korridore einbog, durch Räume rannte und Treppen hinaufflog.

Alles deutete darauf hin, daß sie den Bibliothekssaal erreicht haben würde, bevor sie soweit war. Verärgert blies sie die Wangen auf, als ihr klar wurde, daß sie in diesem Zustand nicht zu Cara und Berdine hineinplatzen konnte. Sie würden sofort wissen, daß etwas nicht in Ordnung war.

Nicht weit entfernt von der Bibliothek, wo die beiden Mord-Sith warteten, ließ Kahlan sich auf eine gepolsterte Bank fallen und setzte die Laterne ab. Sie lehnte sich an die Wand und streckte die schmerzenden Beine aus. Sie fächelte sich mit der Hand Luft zu und versuchte ihr Herz zu beruhigen. Sie wußte, daß ihr Gesicht rot wie ein Apfel sein mußte.

So konnte sie nicht zu den anderen hineingehen. Kahlan schmiedete Pläne, während sie sich ausruhte und wartete, daß ihr Herz zu klopfen aufhörte, ihre Lungen sich erholten, ihr Gesicht sich entspannte.

Shota wußte von der Pest. Dessen war Kahlan sicher. Über Richard hatte sie gesagt: »Mögen die Seelen gnädig mit ihm sein.«

Shota hatte Nadine geschickt, damit sie Richard heiratete. Kahlan erinnerte sich noch lebhaft an Nadines hautenges Kleid, an ihr stets kokettes Lächeln, ihre Vorwürfe und daran, wie sie zu Richard gesagt hatte, Kahlan sei herzlos. An den Blick in ihren Augen, wann immer sie mit ihm sprach.

Kahlan überlegte, was sie zu tun hatte. Shota war eine Hexe. Alle fürchteten sich vor ihr. Selbst Zauberer. Kahlan hatte ihr niemals etwas angetan, aber das hatte Shota nicht daran gehindert, ihr Leid zuzufügen.

Möglicherweise würde Shota sie töten.

Aber nicht, wenn Kahlan sie zuerst tötete.

Schließlich hatte sie die Fassung wiedererrungen. Sie erhob sich, strich ihr Kleid glatt, atmete einmal tief durch und war bereit.

Kahlan setzte ihre Konfessorenmiene auf und trat entschlossenen Schritts durch die Türen der Bibliothek, wo die beiden anderen warteten.

Cara und Berdine schauten hinter einer Regalreihe hervor. Die Bücher waren vom Tisch verschwunden.

Cara musterte Kahlan argwöhnisch. »Ihr wart ziemlich lange fort.«

»Es hat eine Weile gedauert, bis ich einen Weg gefunden hatte, den ich passieren konnte.«

Berdine kam hinter den Regalen vor. »Und? Habt Ihr etwas entdeckt?«

»Etwas entdeckt? Was denn?«

Berdine breitete die Hände aus. »Bücher. Ihr wolltet doch nach Büchern suchen.«

»Nein. Nichts.«

Cara runzelte die Stirn. »Gab es Schwierigkeiten?«

»Nein. Ich bin nur ein wenig durcheinander wegen … wegen dieser ganzen Geschichte. Wegen der Seuche und allem. Es ärgert mich, daß ich nichts gefunden habe, was uns weiterhelfen könnte. Und ihr zwei?«

Berdine wischte sich eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. »Nichts. Weder etwas über den Tempel der Winde noch über die Mannschaft, die ihn fortschickte.«

»Das begreife ich nicht«, sagte Kahlan, hauptsächlich zu sich selbst. »Wenn es zu einer Gerichtsverhandlung gekommen ist, wie Kolo behauptet, dann müßte es darüber Aufzeichnungen geben.«

»Tja«, meldete sich Berdine, »wir haben alle anderen Bücher durchgesehen, um festzustellen, ob wir vielleicht einen Bericht über eine Verhandlung übersehen haben. Wir haben keinen gefunden. Wo können wir sonst noch suchen?«

Kahlan sank enttäuscht zusammen. Sie hatte fest damit gerechnet, daß sie für Richard einen Bericht über die Verhandlungen finden würden.

»Nirgendwo. Wenn er nicht hier ist, dann gibt es entweder keinen, oder er wurde vernichtet. Nach Kolos Aussage befand sich die Burg der Zauberer damals in Aufruhr, vielleicht war man zu beschäftigt, um die Berichte ordentlich weiterzuführen.«

Berdine legte den Kopf schief. »Aber zumindest einen Teil der Nacht werden wir noch weitersuchen.«

Kahlan ließ den Blick durch die Bibliothek wandern. »Nein. Das wäre Zeitverschwendung. Die Zeit wäre besser genutzt, wenn Ihr weiter an Kolos Tagebuch arbeiten würdet. Solange wir den Bericht über die Gerichtsverhandlung nicht haben, helfen wir Richard mit der Übersetzung des Tagebuches am meisten. Vielleicht stoßt Ihr dort auf etwas Wichtiges.«

Kahlans Entschlossenheit geriet im hellen Licht der Bibliothek ins Schwanken. Sie begann, ihre Pläne noch einmal zu überdenken.