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»Wir wollen es hoffen. Aber ich habe solche Angst um Richard … Wahrscheinlich beeinträchtigt das mein Urteilsvermögen. Jetzt, da sich alles so gut getroffen hat, befällt mich eine fürchterliche Angst, es könnte mir wieder aus den Händen gleiten.«

Cara zuckte die Achseln, als wollte sie Kahlan damit den Grund für ihre Entschuldigung nehmen. »Ich weiß, wie Euch zumute ist. Jetzt, wo uns Lord Rahl unsere Freiheit gegeben hat, haben wir auch etwas, das wir nicht mehr verlieren wollen. Vielleicht bin auch ich deswegen so nervös.« Sie deutete mit der Hand auf die Tür. »Wir könnten einen anderen Ort suchen. Es muß andere Kerker geben, die bei Euch keine schmerzhaften Erinnerungen auslösen.«

»Nein. Richards Sicherheit geht über alles. Die Grube ist der sicherste Ort im Palast, um einen Gefangenen unterzubringen. Zur Zeit haben wir sonst niemanden dort unten. Sie ist ausbruchsicher. Mit mir ist alles in Ordnung.«

Cara runzelte die Stirn. »Ausbruchsicher? Ihr seid doch ausgebrochen.«

Kahlan hatte ihre Erinnerungen gebändigt und lächelte. Mit dem Handrücken versetzte sie Cara einen Klaps vor den Bauch, und damit war das Thema beendet.

»Marlin ist keine Mutter Konfessor.« Sie warf einen kurzen Blick den Gang hinunter auf Marlin. »Aber irgend etwas ist an ihm – etwas, das ich nicht recht benennen kann. Etwas Seltsames. Er macht mir angst, und das sollte er nicht, nicht, solange Ihr seine Gabe kontrolliert. Niemals.«

Cara nahm Kahlan den Schlüsselring aus der Hand und schloß die Tür auf. Ruckartig öffnete sie sich mit rostigen, quietschenden Angeln. Ein fauliger Gestank schlug ihnen aus der Dunkelheit unten entgegen. Die Erinnerungen, die der üble Geruch mit sich brachte, schnürten Kahlan die Kehle zu. Cara wich nervös einen Schritt zurück.

»Es gibt doch keine … Ratten dort unten, oder?«

»Ratten?« Kahlan warf einen Blick in den dunklen Schlund. »Nein. Sie haben keine Möglichkeit, dort hineinzugelangen. Dort gibt es keine Ratten. Ihr werdet sehen.«

Die Mutter Konfessor wandte sich den Soldaten hinten im Gang bei Marlin zu und zeigte auf die lange Leiter, die mit der Seite an der Wand gegenüber der Tür lehnte. Nachdem sie die Leiter durch die Tür bugsiert hatten und sie mit dumpfem Schlag unten zum Stehen kam, schnippte Cara mit den Fingern und bedeutete Marlin vorzutreten. Er eilte ohne Zögern zu ihr, aufs äußerste darauf bedacht, alles zu vermeiden, was ihr Mißfallen erregen könnte.

»Nimm die Fackel und steig dort runter«, befahl ihm Cara.

Marlin zog die Fackel aus der rostverkrusteten Halterung und begann hinabzusteigen. Mit einem verwunderten Stirnrunzeln folgte Cara ihm hinunter in das Dämmerlicht, als Kahlan ihr ein Zeichen machte.

Kahlan sagte zu einer der Wachen: »Unterkommandant Collins, Ihr wartet bitte mit Euren Männern hier oben.«

»Ist das Euer Ernst, Mutter Konfessor?« fragte der Unterkommandant.

»Seid Ihr scharf darauf, dort unten zu sein, an einem Ort mit wenig Platz, zusammen mit einer übellaunigen Mord-Sith, Unterkommandant?«

Er hakte einen Daumen hinter seinen Waffengürtel und warf einen Blick in die Grubenöffnung. »Wir werden hier oben warten, wie Ihr befohlen habt.«

Kahlan begann, rückwärts die Leiter hinabzusteigen. »Wir kommen schon zurecht.«

Die glatten Gesteinsblöcke der Wände waren so exakt und mörtellos aufeinandergepaßt, daß nicht einmal ein Fingernagel Halt fand. Als sie über ihre Schulter blickte, hielt Marlin die Fackel und wartete mit Cara fast zwanzig Fuß weiter unten auf sie. Vorsichtig kletterte sie Sprosse für Sprosse nach unten, darauf bedacht, nicht auf den Saum ihres Kleides zu treten und zu stürzen.

»Warum sind wir zusammen mit ihm hier runtergeklettert?« wollte Cara wissen, als Kahlan von der letzten Sprosse heruntertrat.

Diese rieb die Hände, um den Rost der Sprossen abzuwischen. Daraufhin nahm sie Marlin die Fackel ab, ging zur Wand, stellte sich auf die Zehen und steckte die Fackel in eine der Wandhalterungen. »Weil mir auf dem Weg nach unten noch ein paar Fragen eingefallen sind, die ich ihm stellen möchte, bevor wir ihn hier alleine zurücklassen.«

Cara funkelte Marlin wütend an und zeigte auf den Fußboden. »Spucken!« Sie wartete. »So, und jetzt stell dich drauf.«

Der junge Mann stellte sich auf die Stelle, sorgsam darauf bedacht, beide Füße darauf zu plazieren. Cara musterte den leeren Raum, sah in den Schatten in den Ecken nach. Kahlan fragte sich, ob sie sich vergewisserte, daß der Raum wirklich frei von Ratten war.

»Marlin«, begann Kahlan. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und wartete auf ihre Frage. »Wann hast du zum letzten Mal Befehle von Jagang empfangen?«

»Wie ich Euch schon sagte, vor etwa zwei Wochen.«

»Und seitdem hat er dich nicht aufgesucht?«

»Nein, Mutter Konfessor.«

»Wenn er tot ist, wie willst du das dann wissen?«

Seine Antwort kam ohne Zögern. »Ich weiß es nicht. Entweder er kommt zu mir oder eben nicht. Ich habe keine Möglichkeit, zwischen den Heimsuchungen etwas über ihn zu erfahren.«

»Wie sucht er dich heim?«

»In meinen Träumen.«

»Und du hast nicht von ihm geträumt, seit er, wie du sagst, vor vierzehn Tagen das letzte Mal bei dir war?«

»Nein, Mutter Konfessor.«

Kahlan ging zur Wand, an der die zischende Fackel hing, ging wieder zurück, dachte nach. »Du hast mich nicht erkannt.« Er schüttelte den Kopf. »Würdest du Richard erkennen?«

»Ja, Mutter Konfessor.«

Kahlan runzelte die Stirn. »Wie das? Woher kennst du ihn?«

»Aus dem Palast der Propheten. Ich war dort Schüler. Richard wurde von Schwester Verna mitgebracht. Ich kannte ihn aus dem Palast.«

»Ein Schüler im Palast der Propheten? Dann … wie alt bist du?«

»Dreiundneunzig, Mutter Konfessor.«

Kein Wunder, daß er ihr so eigenartig vorgekommen war, manchmal wie ein Junge und manchmal wie jemand, der das Verhalten eines alten Mannes an den Tag legt. Das erklärte auch den wissenden Blick in seinen jungen Augen. Diese Augen hatten etwas an sich, das nicht zu seinem jugendlichen Äußeren paßte. Das würde es jedenfalls erklären.

Im Palast der Propheten wurden junge Männer im Gebrauch ihrer Gabe ausgebildet. Uralte Magie hatte die Schwestern des Lichts bei ihrer Aufgabe unterstützt, indem sie den Zeitablauf im Palast so veränderte, daß sie in Abwesenheit eines erfahrenen Zauberers die nötige Zeit hatten, um den jungen Burschen die Beherrschung ihrer Gabe beizubringen.

Das alles war jetzt vorbei. Richard hatte den Palast zerstört und die Prophezeiungen vernichtet, damit sie Jagang nicht in die Hände fielen. Die Prophezeiungen wären ihm bei seinem Bestreben, die Welt zu erobern, nützlich gewesen, und der Palast hätte ihm ermöglicht, jahrhundertelang über die Menschen zu herrschen, die er unterworfen hatte.

Kahlan spürte, wie die Last der Sorge von ihr wich. »Jetzt weiß ich, warum ich so ein seltsames Gefühl bei ihm hatte«, sagte sie und tat ihre Erleichterung mit einem Seufzer kund.

Cara wirkte nicht so erleichtert. »Warum hast du dich den Soldaten im Palast der Konfessoren zu erkennen gegeben?«

»Kaiser Jagang hat seine Anweisungen nicht erläutert, Herrin Cara.«

»Jagang stammt aus der Alten Welt und weiß zweifellos nichts von den Mord-Sith«, erklärte Cara Kahlan. »Wahrscheinlich dachte er, ein Zauberer wie Marlin hier könne seine Identität preisgeben, um so eine Panik auszulösen und ein Chaos anzurichten.«

Kahlan ließ sich die Vermutung durch den Kopf gehen. »Mag sein. Die Schwestern der Finsternis sind Jagangs Marionetten, daher hätte er die Möglichkeit, sich Informationen über Richard zu beschaffen. Er war nicht lange genug im Palast, um viel über seine Gabe zu erfahren. Die Schwestern der Finsternis hätten Jagang davon unterrichtet, daß er seine Gabe nicht zu benutzen weiß. Richard ist der Sucher und weiß, wie er das Schwert der Wahrheit führen muß, aber seine Gabe kann er nicht recht einsetzen. Möglicherweise hatte Jagang die Absicht, einen Zauberer zu schicken, auf die Möglichkeit hin, daß er Erfolg hat, und wenn nicht … was macht das schon? Er hat noch andere.«