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»Ja, Herrin«, erwiderte Samuel kläglich.

»Ich bin sehr enttäuscht von dir, Samuel.«

»Tut Samuel leid.«

»Wir unterhalten uns später weiter. Laß uns jetzt allein.«

Der Gehilfe der Hexe entfernte sich hüpfend unter die Bäume. Shota drehte sich um und sah Kahlan in die Augen.

»Ich habe ihm erklärt, er darf Euch weder etwas antun noch Euch bedrohen. Ich kann verstehen, warum Ihr Euch erregt, die Fassung verliert und denkt, ich wollte Euch etwas Böses. Bitte nehmt meine Entschuldigung an.« Sie schenkte Kahlan Tee nach. »Seht Ihr? Ich habe nicht die Absicht, Euch Leid zuzufügen.«

Kahlan nahm einen Schluck aus ihrer vollen Tasse. »Samuel ist das geringste Übel. Ich weiß, Ihr wollt Unheil über mich und Richard bringen, aber ich fürchte mich nicht mehr vor Euch. Ihr könnt mir nichts mehr anhaben.«

Shotas selbstgefälliges Lächeln kehrte zurück. »Wirklich nicht?«

»Ich schlage vor, Ihr versucht erst gar nicht, Eure Kraft gegen mich einzusetzen.«

»Meine Kraft? Alles, was ich tue, alles, was jeder tut, macht er mit seiner Kraft. Wenn ich atme, benutze ich meine Kraft.«

»Ich rede davon, mir Schaden zuzufügen. Wenn ihr wagt, es zu versuchen, werdet Ihr den Versuch nicht überleben.«

»Mein Kind, ich habe nicht die Absicht, so etwas zu tun, auch wenn Ihr das denkt.«

»Eine mutige Bemerkung, jetzt, wo Ihr wißt, daß Ihr dazu nicht mehr in der Lage seid.«

»Ach, wirklich? Habt Ihr je daran gedacht, daß der Tee vergiftet sein könnte?«

Ihr Lächeln wurde breiter, als Kahlan sich versteifte. »Ihr habt …?«

»Natürlich nicht. Ich sagte doch schon, das liegt nicht in meiner Absicht. Wenn mir danach gewesen wäre, hätte ich alles mögliche tun können. Ich hätte einfach eine Viper hinter Eure Ferse setzen können. Vipern mögen es nicht, wenn man sich hastig bewegt.«

Wenn Kahlan eins haßte, dann waren es Schlangen, und das wußte Shota.

Sie entspannte sich und atmete aus. »Aber ich sollte denken, dort könnte eine sein.«

»Ich sollt erkennen, daß man Selbstvertrauen auch überbewerten kann. Vielleicht freut es Euch zu erfahren, daß ich Euch schon immer aus allen möglichen Gründen für überaus gefährlich gehalten habe. Daß Ihr einen Weg gefunden habt, die andere Seite Eurer Magie anzuzapfen, hat für mich keine große Bedeutung.

Was mir angst macht, sind ganz andere Dinge. Euer Schoß macht mir angst. Und Eure überhebliche Selbstgewißheit.«

Kahlan wäre vor Wut fast aufgesprungen, doch dann mußte sie plötzlich an die sterbenden Kinder in Aydindril denken. Wie viele von ihnen waren dem Tod nahe, bangten zitternd um ihr Leben, während Kahlan halsstarrig mit Shota über Fehler und Schuldzuweisungen debattierte. Shota wußte von der Pest und den Winden, die Jagd auf Richard machten. Was bedeutete Kahlans Stolz im Vergleich dazu?

Sie mußte auch an eine Passage aus der Prophezeiung denken: … keine Klinge, sei sie aus Stahl oder aus Zauberei geschmiedet, kann diesem Feind etwas anhaben.

Aus ziemlich dem gleichen Grund wäre es ebenso zwecklos, mit Shota die Klingen zu kreuzen. Es hätte keinen Sinn, und schlimmer noch, es brächte keine Lösung.

Kahlan mußte einsehen, daß sie der Rache wegen gekommen war. Dabei wäre es eigentlich ihre Pflicht gewesen, sich um die leidenden und sterbenden Menschen zu kümmern. Wen, von ihrem Stolz abgesehen, würde es weiterbringen, wenn sie sich mit Shota anlegte? Sie stellte sich und ihre Unsicherheit aus Eigensinn über das Leben Unschuldiger. Sie war selbstsüchtig.

»Nadine ist der Grund, weshalb ich wehen Herzens hergekommen bin, Shota. Ich wollte, daß Ihr Richard und mich in Frieden laßt. Ihr wollt uns nichts Böses, sagt Ihr, und es sei Eure Absicht zu helfen. Auch ich will den Menschen helfen, die verzweifelt sind und im Sterben liegen. Warum einigen wir uns nicht darauf, für den Augenblick wenigstens, einander zu glauben?«

Shota sah sie über ihre Teetasse hinweg an. »Welch brillanter Einfall.«

Kahlan versuchte, ihre inneren Ängste, ihren inneren Zorn zu beschwichtigen. Am liebsten wäre sie aus Wut über Nadines Benehmen auf Shota losgegangen. Was aber, wenn es gar nicht Shotas Fehler war? Wenn Nadine aus eigenem Antrieb handelte, genau wie Samuel? Was, wenn die Hexe die Wahrheit sagte, wenn sie tatsächlich kein Unheil hatte anrichten wollen?

Falls das stimmte, dann war Kahlans Drang, auf ihr Gegenüber loszugehen, auf bedauernswerte Weise ein Irrtum.

Kahlan gestand sich ein, daß Shota recht gehabt hatte. Sie hatte nur deswegen einen Grund gesucht, sich zu rächen, weil sie auf ihre todbringende Kraft zurückgreifen wollte. Sie hatte nicht zuhören wollen.

Sie legte die Hände auf den Tisch. Shota nippte an ihrem Tee und beobachtete, wie das bläuliche Glühen um Kahlans Hände schwächer wurde und schließlich ganz erlosch. Kahlan wußte nicht, ob sie davon würde Gebrauch machen können, falls Shota jetzt über sie herfiele, sah aber ein, daß es keine Rolle spielte.

Ein Versagen bei ihrer eigentlichen Pflicht war ein zu hoher Preis für ihren Stolz.

Kahlan spürte, dies war die einzig echte Chance, ihre Zukunft, Richard und die unschuldigen Menschen in Aydindril zu retten. Richard sagte immer, man müsse an die Lösung denken, nicht an das Problem.

»Shota«, sagte Kahlan leise, »ich habe von Euch immer nur das Schlechteste gedacht. Angst war nur zum Teil der Grund dafür. Ihr hattet recht, mein Motiv war Eifersucht. Ich bitte Euch, verzeiht mir meinen Starrsinn und meine Überheblichkeit.

Ich weiß, Ihr habt früher schon versucht, Menschen zu helfen. Bitte, helft jetzt mir. Ich brauche Antworten. Menschenleben hängen davon ab. Bitte sprecht mit mir. Ich werde versuchen, mir ganz offen anzuhören, was Ihr zu sagen habt, denn ich weiß, Ihr seid weder der Bote noch die Ursache.«

Shota setzte ihre Teetasse ab. »Glückwunsch, Mutter Konfessor. Ihr habt Euch soeben das Recht erworben, mir Fragen zu stellen. Habt den Mut, die Antworten zu vernehmen, dann werden sie Euch eine Hilfe sein.«

»Ich werde mein Bestes tun, das schwöre ich«, antwortete Kahlan.

41

Shota schenkte Tee nach. »Was wollt Ihr wissen?«

Kahlan nahm ihre Tasse. »Wißt Ihr etwas über den Tempel der Winde?«

»Nein.«

Kahlan stutzte, die Tasse in der Hand. »Nadine habt Ihr jedenfalls erzählt, die Winde machten Jagd auf Richard.«

»Das ist richtig.«

Shota machte eine vage Handbewegung. »Ich weiß nicht, wie ich einer Frau, die keine Hexe ist, erklären soll, wie ich den Strom der Zeit wahrnehme, das Vorbeiziehen zukünftigter Ereignisse. Man könnte es ein wenig mit Erinnerung vergleichen. Wenn man an ein Ereignis oder eine Person aus der Vergangenheit denkt, dann erinnert man sich daran. Manchmal erinnert man sich lebhaft an zurückliegende Ereignisse. Dann wieder gar nicht.

Meine Fähigkeit funktioniert ebenso, nur kann ich dasselbe mit der Zukunft machen. Für mich besteht zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kein großer Unterschied. Ich treibe auf einem Fluß aus Zeit und blicke sowohl stromauf- als auch stromabwärts. Ich kann ebenso einfach in die Zukunft blicken, wie Ihr Euch an vergangene Ereignisse erinnert.«

»Zuzeiten jedoch kann ich mich an bestimmte Dinge gar nicht erinnern«, wandte Kahlan ein.

»Ebenso ergeht es mir. Ich kann mich nicht erinnern, was aus dem Vogel wurde, den meine Mutter immer rief, als ich noch ganz klein war. Ich weiß noch, wie er auf ihrem Finger saß, während sie ihm leise, zärtliche Worte zuflüsterte. Ist er gestorben oder fortgeflogen?

Andere Ereignisse, wie der Tod eines geliebten Menschen, sind mir dagegen sehr lebhaft in Erinnerung geblieben. So sehe ich genau das Kleid vor mir, das meine Mutter am Tag ihres Todes trug. Noch heute könnte ich Euch die Länge des losen Fadens an ihrem Ärmel angeben.«

»Verstehe.« Kahlan starrte in ihren Tee. »Ich kann mich auch sehr gut an den Tag erinnern, an dem meine Mutter starb. An jede schreckliche Einzelheit, und dabei würde ich das alles gerne vergessen.«