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Shota stützte ihre Ellenbogen auf den Tisch und schlang ihre Finger ineinander. »So geht es mir mit der Zukunft. Nicht immer kann ich die erfreulichen Ereignisse in der Zukunft sehen, die ich sehen möchte, und manchmal kann ich nicht verhindern, daß ich Dinge erblicke, die mir zuwider sind. Einige Ereignisse habe ich ganz deutlich vor Augen, andere dagegen, ganz gleich, wie sehr ich sie mir klarer wünsche, bleiben nebelhafte Schatten.«

»Wie verhält es sich mit den Winden, die Jagd auf Richard machen?«

Shota schüttelte geistesabwesend den Kopf. »Das war beunruhigend. Es war, als werde mir die Erinnerung eines anderen aufgezwungen. So als benutzte mich jemand, um eine Nachricht weiterzugeben.«

»War es eine Nachricht oder eher eine Warnung?«

Shota runzelte nachdenklich die Stirn. »Das habe ich mich auch gefragt. Die Antwort darauf kenne ich nicht. Ich habe sie durch Nadine weitergegeben, weil ich dachte, Richard sollte in jedem Fall davon erfahren.«

Kahlan fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Shota, als die Pest ausbrach, brach sie bei Kindern aus, die ein Spiel gespielt oder dabei zugesehen hatten.«

»Ja'La.«

»Ja, richtig. Kaiser Jagang –«

»Der Traumwandler.«

Kahlan sah auf. »Ihr habt von ihm gehört?«

»Gelegentlich sucht er meine Erinnerungen an die Zukunft heim. Er bedient sich gewisser Tricks und versucht, in meine Träume einzudringen. Das lasse ich nicht zu.«

»Haltet Ihr es für möglich, daß es der Traumwandler war, der Euch diese Nachricht über die Winde, die Jagd auf Richard machen, eingegeben hat?«

»Nein. Ich kenne seine Tricks. Mein Wort darauf, es war keine Botschaft von Jagang. Wie war das mit der Pest und diesem Spiel, Ja'La?«

»Nun, Jagang hat seine Fähigkeit als Traumwandler dazu benutzt, in den Geist eines Zauberers zu schlüpfen, den er losschickte, um Richard zu ermorden. Er war bei der Ja'La-Partie anwesend. Der Zauberer, meine ich. Der Kaiser hat das Spiel durch die Augen des Zauberers verfolgt.

Er war erzürnt, weil Richard die Regeln geändert hatte, damit alle Kinder mitspielen konnten. Unter diesen Kindern brach die Pest aus. Das ist einer der Gründe, weshalb wir glauben, Jagang sei dafür verantwortlich.

Das erste Kind, das wir aufsuchten, lag bereits im Sterben.« Kahlan legte die Fingerspitzen auf die geschlossenen Augen, als sie daran dachte. Sie atmete tief durch, um sich wieder zu fassen. »Es starb, während Richard und ich neben ihm knieten. Er war noch ein kleiner Junge. Ein unschuldiger Junge. Wegen der Pest war sein ganzer Körper von Fäulnis befallen. Er hat ein unvorstellbares Leid durchgemacht. Vor unseren Augen hauchte er sein Leben aus.«

»Das tut mir leid«, flüsterte Shota.

Kahlan sammelte sich, dann sah sie auf. »Nachdem er bereits gestorben war, hob er noch einmal die Hand und packte Richards Hemd. Seine Lungen füllten sich mit Luft, er zog Richard heran und sagte: ›Die Winde machen Jagd auf dich.‹«

Von der anderen Seite des Tisches kam ein gequältes Seufzen. »Dann hatte ich recht. Es war keine Einbildung, sondern tatsächlich eine Nachricht, die durch mich übermittelt wurde.«

»Richard glaubt, der Tempel der Winde mache Jagd auf ihn, Shota. Er ist im Besitz des Tagebuches eines Mannes, der während des Großen Krieges vor dreitausend Jahren lebte. Darin wird berichtet, wie die Zauberer aus jener Zeit Gegenstände von großem Wert und großer Gefährlichkeit in dem Tempel unterbrachten und diesen dann fortschickten.«

Shota beugte sich stirnrunzelnd vor. »Fort? Wohin denn?«

»Das wissen wir nicht. Der Tempel der Winde stand früher auf dem Gipfel von Berg Kymermosst.«

»Den Ort kenne ich. Es gibt dort keinen Tempel, nur ein paar alte Ruinen.«

Kahlan nickte. »Möglicherweise haben die Zauberer ihre Macht dazu benutzt, die Seite des Berges wegzusprengen und den Tempel unter einem Erdrutsch zu begraben. Was immer sie getan haben, er ist verschwunden. Dem Tagebuch zufolge hält Richard es für möglich, daß der rote Mond eine Warnung des Tempels war. Des weiteren nimmt er an, der Tempel der Winde sei auch einfach unter der Bezeichnung ›die Winde‹ bekannt.«

Shota tippte mit einem Finger gegen ihre Teetasse. »Die Nachricht könnte also unmittelbar vom Tempel der Winde stammen?«

»Haltet Ihr das für möglich? Wie kann ein Ort eine Nachricht schicken?«

»Die Zauberer aus jener Zeit konnten Dinge mit ihrer Magie anstellen, über die wir heute nur staunen können. Nehmt zum Beispiel die Sliph. Soviel ich weiß, und nach allem, was Ihr mir berichtet habt, ist es Jagang vermutlich auf irgendeine Weise gelungen, einen Gegenstand von tödlicher Gefährlichkeit aus dem Tempel der Winde zu entwenden und damit die Pest auszulösen.«

Kahlan fühlte, wie eine Woge kalter Angst sie durchflutete. »Wie könnte er so etwas machen?«

»Er ist ein Traumwandler. Er hat Zugang zu unermeßlichem Wissen. Trotz seiner plumpen Ziele ist er alles andere als dumm. Ich wurde von seinem Geist im Schlaf berührt, wenn er des Nachts auf Jagd ging. Man darf ihn nicht unterschätzen.«

»Er will alle Magie vernichten, Shota.«

Shota zog eine Braue hoch. »Ich sagte bereits, ich werde alle Eure Fragen beantworten. Ihr braucht mich nicht an mein eigenes Interesse in dieser Angelegenheit zu erinnern. Jagang bedeutet für mich eine ebensogroße Bedrohung wie die Gefahr, die mir durch den Hüter droht. Er verspricht, die Magie zu vernichten, setzt aber für die Erreichung dieses Zieles selbst Magie ein.«

»Aber wie könnte er diese Pest aus dem Tempel der Winde entwendet haben? Haltet Ihr das überhaupt für möglich? Ganz ehrlich?«

»Soviel kann ich Euch verraten, die Pest ist nicht von allein ausgebrochen. Eure Vermutung ist richtig. Sie wurde mit Hilfe von Magie ausgelöst.«

»Wie können wir sie aufhalten?«

»Ich kenne kein Heilmittel gegen die Pest.« Shota trank einen Schluck Tee. Dann sah sie zu Kahlan auf. »Andererseits, wie könnte man eine Pest auslösen?«

»Mit Hilfe von Magie.« Kahlan runzelte die Stirn. »Ihr meint … Ihr meint, wenn Magie sie auslösen konnte, dann könnte Magie ihr auch Einhalt gebieten, auch wenn wir nicht wissen, wie man die eigentliche Krankheit behandelt? Wollt Ihr mir das vorschlagen?«

Shota zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht, wie man eine solche Seuche auslöst, und ebensowenig, wie man sie heilt. Ich weiß, daß Magie dabei im Spiel war. Wenn Magie dafür verantwortlich ist, dann wäre es einleuchtend, daß man ebenfalls Magie dagegen einsetzen kann.«

Kahlan richtete sich auf. »Demnach besteht Hoffnung, daß wir sie beenden und all die Menschen vor dem Tod retten können?«

»Schon möglich. Wenn wir die einzelnen Teile zusammenfügen, scheint alles auf eins hinzudeuten: Jagang hat eine Magie aus dem Tempel der Winde entwendet, um damit die Pest auszulösen, und der Tempel versucht, Richard vor dieser Schändung zu warnen.«

»Warum ausgerechnet Richard?«

»Was meint Ihr? Was unterscheidet Richard von allen anderen?«

Kahlan fühlte sich durch Shotas dünnes, schlaues Lächeln wie gelähmt.

»Er ist ein Kriegszauberer. Er besitzt Subtraktive Magie. Auf diese Weise hat er die Seele von Darken Rahl besiegt und dem Hüter Einhalt geboten. Richard verfügt als einziger über die Macht, das zu tun, was helfen könnte.«

»Vergeßt das nie«, sprach Shota leise in ihre Tasse hinein.

Plötzlich hatte Kahlan das Gefühl, einen Pfad entlang geführt zu werden. Sie wies das Gefühl von sich. Shota versuchte bloß zu helfen.

Sie nahm all ihren Mut zusammen. »Warum habt Ihr Nadine geschickt, Shota?«

»Damit sie Richard heiratet.«

»Warum ausgerechnet Nadine?«

Ein trauriges Lächeln spielte über Shotas Lippen. Auf diese Frage hatte sie gewartet.

»Weil ich mir Sorgen um ihn mache. Ich wollte, daß es jemand ist, bei dem er wenigstens ein bißchen Erfüllung findet.«

Kahlan schluckte. »Aber die findet er bei mir!«

»Ich weiß. Dennoch ist es ihm bestimmt, eine andere zu heiraten.«

»Das sagt Euch der Strom zukünftiger Ereignisse? Eure Erinnerung … an die Zukunft?« Shota nickte knapp. »Es war nicht Eure Idee? Ihr wolltet nicht einfach eine Frau schicken, die ihn heiratet, nur damit ich ihn nicht heirate?«