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»Ich weiß, Ihr sprecht die Wahrheit, Shota, nur wie ist es möglich, daß ich Richard verrate? Ich will Euch die Wahrheit sagen: Ich würde eher sterben, als ihn zu verraten. Mein Herz erlaubt mir so etwas nicht. Ich wäre dazu gar nicht in der Lage.«

Shota strich eine Falte ihres Kleides glatt. »Denkt nach, Mutter Konfessor, und Ihr werdet feststellen, wie sehr Ihr Euch irrt. Habe ich Euch nicht den Fehler nachgewiesen, als Ihr dachtet, ich könnte Euch nichts mehr anhaben?«

»Aber wie? Wie kann ich das tun, wo ich doch weiß, es ist mir nicht gegeben, ihn – aus welchem Grund auch immer – zu verraten?«

Shota seufzte nachsichtig. »Es ist längst nicht so kompliziert, wie Ihr gerne glauben möchtet. Was wäre zum Beispiel, wenn Ihr nur eine Möglichkeit hättet, ihm das Leben zu retten, und diese darin bestünde, ihn zu verraten, Ihr dadurch jedoch seine Liebe verlöret? Würdet Ihr die Liebe zu ihm opfern, um ihm das Leben zu retten? Sagt die Wahrheit.«

Kahlan schluckte, obwohl sie einen Kloß im Hals hatte. »Ja. Ich würde ihn verraten, wenn ich ihm damit das Leben retten würde.«

»Seht Ihr, es ist nicht gar so unmöglich, wie Ihr dachtet.«

»Ja, schon«, gab Kahlan kleinlaut zu. Sie spielte mit ein paar Krumen auf dem Tisch. »Was hat das alles für einen Sinn, Shota? Warum sollte die Zukunft beinhalten, daß Richard Nadine heiratet und ich einen anderen Mann? Das muß doch einen Grund haben. Es ist das genaue Gegenteil dessen, was wir beide wollen, demnach muß es eine Macht geben, die die Geschehnisse auf diesen Pfad zwingt.«

Nach einem Augenblick des Nachdenkens sagte Shota: »Der Tempel der Winde macht Jagd auf Richard. Dabei haben die Seelen ihre Hand im Spiel.«

Kahlan ließ das Gesicht erschöpft in die Hände fallen.

»Ihr habt zu Nadine gesagt: ›Mögen die Seelen ihm gnädig sein.‹ Was habt Ihr damit gemeint?«

»Die Unterwelt beherbergt nicht nur die Guten Seelen. Alle Seelen sind darin verwickelt – gute wie böse.«

Kahlan wollte nicht mehr weitersprechen. Es war zu schmerzlich, über die Zerstörung ihrer Träume und Hoffnungen zu reden, als seien sie Figuren auf einem Spielbrett.

»Mit welchem Ziel?« murmelte sie.

»Der Pest.«

Kahlan sah auf. »Was?«

»Es hat etwas mit der Pest zu tun und mit dem Gegenstand der Magie, den der Traumwandler aus dem Tempel der Winde entwendet hat.«

»Eurer Meinung nach könnte dies also irgendwie Teil unseres Versuches sein, die Magie zu finden, mit der wir die Seuche aufhalten können?«

»Ich glaube, genau so verhält es sich«, meinte die Hexe schließlich. »Richard und Ihr seid auf der verzweifelten Suche nach einer Möglichkeit, die Pest einzudämmen und das Leben unzähliger Menschen zu retten. Und ich sehe in der Zukunft, daß ihr beide jeweils einen anderen heiraten werdet.

Aus welchem anderen Grund würdet Ihr beide sonst ein solches Opfer darbringen?«

»Warum sollte es erforderlich sein –?«

»Ihr sucht Antworten, die ich Euch nicht geben kann. Ich kann weder ändern, was sein wird, noch kenne ich den Grund dafür. Wir müssen unsere Möglichkeiten abwägen. Denkt nach.

Angenommen, der einzige Weg, all diese Menschen davor zu bewahren, im Sturm der Pest hingerafft zu werden, bestünde darin, daß Richard und Ihr gemeinsam euer Leben aufgebt, um dadurch, sagen wir, die Aufrichtigkeit Eurer Opferbereitschaft unter Beweis zu stellen. Wärt ihr beide unter diesen Umständen dazu bereit?«

Kahlan legte ihre zitternden Hände unterm Tisch in den Schoß. Sie hatte den gequälten Blick in Richards Augen gesehen, als er den Jungen sterben sah. Sie wußte, wie schmerzlich es für sie selbst gewesen war. Wie viele würden noch sterben?

Dennoch käme sie nie mehr mit sich ins Reine, wenn die einzige Chance, diese Kinder zu retten, darin bestünde, ihre Liebe zu opfern, und sie dieses Opfer ablehnte.

»Wie könnten wir uns weigern? Selbst wenn es uns selbst das Leben kosten würde, könnten wir uns weigern? Aber ist es möglich, daß die guten Seelen einen solchen Preis verlangen?«

Plötzlich mußte Kahlan daran denken, wie Dennas Seele Richard vom Mal des Hüters befreit und sich aus freien Stücken bereit erklärt hatte, an Richards Stelle die ewigen Qualen durch die Hand des Hüters auf sich zu nehmen. Später hatte sich herausgestellt, daß Denna sich diesem Schicksal nicht zu stellen brauchte, doch das spielte keine Rolle. Sie war davon überzeugt gewesen und hatte ihre Seele für einen Menschen geopfert, den sie liebte.

Die Äste eines nahen Ahornbaumes schlugen in der leichten Brise klackend aneinander. Kahlan hörte die Fahnen auf Shotas Palast im Wind knattern. Die Luft schmeckte nach Frühling. Das Gras hatte eine helle, frische Farbe. Überall ringsum blühte das Leben auf.

Kahlans Herz fühlte sich an, als sei es aus erkalteter Asche.

»Ich werde Euch noch etwas verraten«, sagte Shota wie aus großer Ferne. Kahlan hörte ihr vom Grund eines tiefen Brunnens der Hoffnungslosigkeit zu. »Die letzte Nachricht von den Winden kennt Ihr noch gar nicht. Ihr werdet eine weitere erhalten, die den Mond betrifft. Dies wird die sich daraus ergebende Verbindung sein.

Ignoriert sie nicht, tut sie nicht einfach ab. Eure und Richards Zukunft sowie die Zukunft all dieser unschuldigen Menschen hängt von diesem Ereignis ab. Ihr beide müßt Euer ganzes Wissen benutzen, um die Chance zu erkennen, die man Euch bieten wird.«

»Chance? Welche Chance?«

Shota nagelte Kahlan mit ihrem Blick fest. »Die Chance, Eure erhabenste Pflicht zu erfüllen. Die Chance, das Leben der unschuldigen Menschen zu retten, die auf Euch angewiesen sind.«

»Wann wird das sein?«

»Ich weiß nur, daß es nicht mehr lange dauern wird.«

Kahlan nickte. Zu ihrer Verwunderung kamen ihr nicht einmal die Tränen. Dies alles war die vernichtendste persönliche Katastrophe, die sie sich nur vorstellen konnte – sie würde Richard verlieren –, und sie weinte nicht einmal.

Vermutlich würde sie es später tun, nur nicht jetzt, nicht hier.

Sie starrte auf den Tisch. »Shota, Ihr würdet verhindern, daß wir beide ein Kind bekommen, nicht wahr? Einen Jungen?«

»Ja.«

»Ihr würdet versuchen, unseren Sohn zu töten, wenn wir einen hätten, nicht wahr?«

»Ja.«

»Woher weiß ich dann, daß dies alles nicht nur eine Intrige von Euch ist, die verhindern soll, daß wir ein Kind bekommen?«

»Ihr werdet die Wahrheit meiner Worte mit Eurem eigenen Verstand und Herz beurteilen müssen.«

Kahlan mußte an die Worte des sterbenden Jungen denken, und an die Prophezeiung. Irgendwie hatte sie die ganze Zeit gewußt, daß sie Richard niemals heiraten würde. Das alles blieb ein unerfüllbarer Traum.

Als sie noch jung war, hatte Kahlan ihre Mutter über das Erwachsenwerden ausgefragt und wie es sei, einen Liebsten, einen Mann zu haben, ein Heim. Ihre Mutter hatte vor ihr gestanden – wunderschön, strahlend, streng, jedoch mit ihrem Konfessorengesicht.

Konfessoren kennen keine Liebe, Kahlan. Sie kennen nur die Pflicht.

Richard war als Kriegszauberer geboren worden. Auch er war für einen bestimmten Lebenszweck geboren worden. Für die Pflicht.

Sie beobachtete, wie der Wind ein paar Krumen vom Tisch wehte. »Ich glaube Euch«, erwiderte Kahlan leise. »Ich wünschte, es wäre anders, aber ich glaube Euch. Ihr sprecht die Wahrheit.«

Es gab nichts mehr zu sagen. Kahlan stand auf. Um sich auf den zittrigen Beinen halten zu können, mußte sie die Knie aneinanderpressen. Sie versuchte sich zu erinnern, wo sich der Brunnen der Sliph befand, schien ihre Gedanken aber nicht ordnen zu können.

»Danke für den Tee«, hörte sie sich sagen. »Er war köstlich.«

Falls die Hexe antwortete, bekam Kahlan es nicht mit.

»Shota?« Kahlan griff nach der Rückenlehne des Stuhls, um sich abzustützen. »Könntet Ihr mir den Weg zeigen? Ich glaube, ich weiß nicht mehr genau…«

Shota war sofort bei ihr und nahm ihren Arm. »Ich werde Euch ein Stück begleiten, mein Kind«, sagte sie sanft und voller Mitgefühl, »damit Ihr den Weg findet.«