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Auf dem Treppenabsatz blieb Kahlan im Schatten stehen und hielt Cara am Ellenbogen fest.

»Alle Mitglieder von Richards Familie sind tot – Darken Rahl tötete seinen Stiefvater, seine Mutter starb, als er noch klein war, und sein Halbbruder Michael verriet ihn … woraufhin Denna Richard gefangennehmen konnte. Nachdem er Darken Rahl besiegt hatte, verzieh er Michael, was dieser ihm angetan hatte, trotzdem verurteilte er ihn zum Tode, denn sein Verrat hatte ganz bewußt zur Folge, daß unzählige Menschen durch die Hand von Darken Rahl gefoltert und getötet wurden.

Ich weiß, wieviel Richard Familie bedeutet. Er wäre außer sich vor Freude, wenn er erführe, daß er einen Halbbruder hat. Könnten wir nicht Nachricht in den Palast in D'Hara schicken und ihn hierherbringen lassen? Richard wäre –«

Cara schüttelte den Kopf und schaute zur Seite. »Darken Rahl stellte das Kind auf die Probe und fand heraus, daß es ohne die Gabe geboren worden war. Darken war ganz versessen auf einen Erben mit der Gabe. Alles andere betrachtete er als entstellt und wertlos.«

»Verstehe.« Stille legte sich über das Treppenhaus. »Das Mädchen … die Mutter …?«

Cara seufzte schwer, denn sie merkte, daß Kahlan die ganze Geschichte hören wollte. »Darken Rahl hatte eine Veranlagung. Eine krankhafte Veranlagung. Er zerquetschte dem Mädchen mit bloßen Händen die Luftröhre, nachdem er es gezwungen hatte, zuzusehen … nun, zuzusehen, wie er ihren Sohn tötete. Wenn er auf Nachkommen aufmerksam wurde, die nicht die Gabe besaßen, wurde er oft wütend, und dann tat er solche Dinge.«

Kahlan ließ ihre Hand von Caras Arm heruntersinken.

Cara sah auf, ihr Blick wieder ruhig. »Einige der Mord-Sith erlitten ein ähnliches Schicksal. Zum Glück wurde ich nie schwanger, wenn er mich für seine Vergnügungen auswählte.«

Kahlan versuchte, die Stille zu füllen. »Ich bin froh, daß Richard Euch aus der Leibeigenschaft dieser Bestie befreit hat. Daß er alle befreit hat.«

Cara nickte. So kalt hatte Kahlan ihre Augen noch nie gesehen. »Er ist für uns mehr als nur Lord Rahl. Jeder, der ihm etwas antut, wird sich vor den Mord-Sith verantworten müssen – und vor mir.«

Plötzlich betrachtete Kahlan Caras Bemerkung, sie dürfe Richard ›behalten‹, in neuem Licht. Es war das Netteste, was sie für ihn tun konnte: ihm zu erlauben, bei dem Menschen zu sein, den er liebte, trotz ihrer Sorge um die Gefahr für sein Herz.

»Ihr werdet Euch hinten anstellen müssen.«

Endlich mußte auch Cara lächeln. »Beten wir zu den Guten Seelen, daß wir niemals darum kämpfen müssen, wer die ältesten Rechte hat.«

»Ich habe eine bessere Idee. Bewahren wir ihn einfach vor jeglichem Unheil. Aber denkt daran, wenn wir oben ankommen, wissen wir immer noch nicht mit Sicherheit, wer diese Nadine ist. Wenn sie eine Schwester der Finsternis ist, handelt es sich bei ihr um eine sehr gefährliche Frau. Aber das wissen wir nicht sicher. Sie könnte eine Würdenträgerin sein: eine Frau von Rang und Namen. Oder nichts weiter als die Tochter eines reichen Adligen. Vielleicht hat er ihren Liebhaber, einen armen Bauernburschen, des Landes verwiesen, und jetzt ist sie auf der Suche nach ihm. Ich möchte nicht, daß ihr einer Unschuldigen etwas antut. Wir dürfen nicht den Kopf verlieren.«

»Ich bin kein Ungeheuer, Mutter Konfessor.«

»Das weiß ich. Das wollte ich damit auch keinesfalls sagen. Ich will nur nicht, daß wir über unseren Wunsch, Richard zu beschützen, den Kopf verlieren. Das gilt auch für mich. So, und jetzt laßt uns hinauf in den Saal der Bittsteller gehen.«

Cara runzelte die Stirn. »Warum sollen wir dorthin gehen? Warum gehen wir nicht in das Zimmer, in dem sich Nadine aufhält?«

Kahlan begann, zwei Stufen auf einmal nehmend, die zweite Treppenflucht hinaufzusteigen. »Im Palast der Konfessoren gibt es Zweihundertachtundachtzig Gästezimmer, die an verschiedenen Stellen auf sechs voneinander getrennte Flügel verteilt sind. Ich war vorhin in Gedanken und habe nicht daran gedacht, den Wachen zu sagen, wohin sie sie bringen sollen. Also müssen wir uns erkundigen.«

Cara stieß die Tür am oberen Ende der Treppe mit der Schulter auf und betrat, den Kopf nach rechts und links drehend, den Korridor vor Kahlan, wie sie es gerne tat, um zu sehen, ob es irgendwelche Schwierigkeiten gab.

»Scheint mir eine ziemlich unvorteilhafte Bauweise zu sein. Aus welchem Grund wurden die Gästezimmer voneinander getrennt?«

Kahlan deutete auf einen Korridor, der nach links abzweigte. »Hier entlang ist es kürzer.« Sie wurde langsamer, als zwei Wachen zur Seite traten und sie durchließen, und beschleunigte dann ihren Schritt wieder, während sie über dicken blauen Teppich liefen. »Die Gästezimmer sind voneinander getrennt, weil viele Diplomaten den Palast wegen geschäftlicher Angelegenheiten aufsuchen. Falls die falschen Diplomaten zu nah beieinander untergebracht werden, kann es passieren, daß sie sehr undiplomatisch werden. Den Frieden unter den Verbündeten zu wahren, war manchmal ein Spiel, bei dem man die Betroffenen wie rohe Eier behandeln mußte. Das galt auch für die Unterbringung.«

»Aber es gibt doch all die Paläste – für die einzelnen Abgesandten – auf der Königsstraße.«

Kahlan brummte spöttisch. »Das ist ein Teil des Spiels.«

Als sie den Saal der Bittsteller betraten, fielen die Anwesenden erneut auf die Knie. Kahlan war gezwungen, die Begrüßung in aller Förmlichkeit zu erwidern, bevor sie mit dem Kommandanten sprechen konnte. Er erklärte ihr, wo er Nadine untergebracht hatte, und sie wollte gerade gehen, als ein Junge, einer aus der Gruppe der Ja'La-Spieler, die geduldig im Saal warteten, sich seine schlappe Wollmütze vom blonden Haarschopf riß und auf sie zugerannt kam.

Der Kommandant sah ihn, wie er durch den Saal lief. »Er wartet darauf, Lord Rahl zu sprechen. Wahrscheinlich soll sich der Lord ein weiteres Spiel ansehen.« Der Kommandant lächelte vor sich hin. »Ich habe ihm gesagt, er dürfe gerne warten, aber ich könne ihm nicht versprechen, daß Lord Rahl ihn empfängt.« Er zuckte unsicher mit den Schultern. »Mehr konnte ich nicht tun. Ich war gestern mit einer ganzen Gruppe von Soldaten beim Spiel. Der Junge und seine Mannschaft haben mir drei Silbermünzen eingebracht.«

Die Mütze zwischen zwei Fäusten zerdrückend, beugte der Junge auf der von Kahlan aus gesehen anderen Seite des marmornen Geländers das Knie.

»Mutter Konfessor, wir würden gerne … also wenn es keine Umstände macht … wir…« Er ließ den Satz unbeendet und schluckte Luft.

Kahlan lächelte ermutigend. »Hab keine Angst. Wie heißt du?«

»Yonick, Mutter Konfessor.«

»Tut mir leid, Yonick, aber Richard kann jetzt nicht kommen und sich noch ein Spiel anschauen. Wir haben im Augenblick zu tun. Vielleicht morgen. Ich weiß, es hat uns beiden gefallen, und wir würden gerne noch einmal zusehen, aber an einem anderen Tag.«

Er schüttelte den Kopf. »Darum geht es gar nicht. Es geht um meinen Bruder Kip.« Er verdrehte seine Mütze. »Er ist krank. Ich dachte, vielleicht … na ja, vielleicht könnte Lord Rahl kommen und ein wenig Magie zaubern und ihn wieder gesund machen.«

Kahlan drückte dem Jungen tröstend die Schulter. »Also, zu dieser Sorte Zauberer gehört Richard eigentlich nicht. Warum gehst du nicht zu einem der Heiler auf der Stentorstraße? Erzähl ihm, woran er erkrankt ist, dann wird er ihm Kräuter geben, damit er sich wieder besser fühlt.«

Yonick ließ den Kopf hängen. »Für Kräuter haben wir kein Geld. Deswegen hatte ich gehofft … Kip ist richtig krank.«

Kahlan richtete sich auf und sah zum Kommandanten. Dessen Blick wanderte von Kahlan zu dem Jungen und wieder zurück. Er räusperte sich.

»Also, Yonick, ich habe dich gestern spielen sehen«, stammelte der Kommandant. »Ziemlich gut. Deine Mannschaft war wirklich gut.« Nach einem weiteren Blickwechsel mit Kahlan steckte er eine Hand in irgendeine Tasche und zog sie mit einer Münze darin wieder zum Vorschein. Er beugte sich über die Absperrung und drückte sie Yonick in die Hand. »Ich weiß, wer dein Bruder ist. Er … das war ein toller Spielzug, das Tor, das er geschossen hat. Nimm das und besorge ihm ein paar Kräuter, die er braucht, wie die Mutter Konfessor gesagt hat.«