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»Großvater, ich muß mehr wissen. Ist die Seuche selbst Magie?«

Die Stimme kam aus großer Ferne. »Die in die Winde entsandte Magie ist von gewaltiger Kraft. Um sie ganz nutzen zu können, benötigt man ungeheures Wissen. Sie wurde ohne Verständnis dessen benutzt, was freigesetzt wurde oder wie man dies beherrscht. Die Pest wurde durch diese Magie ausgelöst, ganz so, wie der Blitz eines Zauberers zwar Magie ist, nicht aber die Feuersbrunst, die entsteht, wenn dieser Blitz in leicht entzündbares Grasland einschlägt. So verhält es sich auch mit der Pest. Sie wurde mit Hilfe von Magie ausgelöst, jetzt aber ist sie nur eine Seuche wie andere vorher auch – wahllos und unberechenbar –, doch angeheizt von Magie

»Die Pest ist hier und in Aydindril. Wird sie begrenzt bleiben?«

»Nein

Jagang war sich nicht darüber im klaren, was er angerichtet hatte. Wenn er zuließe, daß die Angelegenheit außer Kontrolle geriet, konnte sie am Ende ihn selbst töten.

»Hat sie, wie du mir gezeigt hast, bereits auf andere Orte übergegriffen? Ist sie auch an diesen anderen Orten bereits ausgebrochen?«

»Ja«, war ein fernes, hallendes Flüstern zu hören.

Sie hatten gehofft, die Pest auf Aydindril beschränken zu können. Diese Hoffnung war dahin. Die gesamten Midlands, die ganze Neue Welt stand im Begriff, von jenem Feuersturm verwüstet zu werden, den der magische Funke aus dem Tempel der Winde entfacht hatte.

In der Mitte des Kreises, dort, wo die Seele sich befunden hatte, entstand ein Luftwirbel, als die Seele wieder in der Unterwelt entschwand.

In der Ferne, in der Unterwelt, hörte Kahlan den Widerhall des Lachens einer anderen Seele. Das boshaft vergnügte Lachen bereitete ihr eine Gänsehaut.

Als Kahlan aus der Trance der Versammlung erwachte, standen die Ältesten im Kreis um sie herum. Sie waren an diesen veränderten Seinszustand mehr gewöhnt als sie. Ihr drehte sich noch immer der Kopf, außerdem war ihr schlecht. Der Älteste Breginderin hielt ihr die Hand hin und bot sich an, ihr aufzuhelfen.

Als sie seine Hand ergriff, sah sie die Male unter der Hülle aus schwarzem und weißem Schlamm. Sie schaute hinauf in sein Gesicht, in sein freundliches, beruhigendes Lächeln. Er würde diesen Tag nicht überleben.

Ihr Freund Savidlin war zur Stelle und hielt ihre Kleider. Kahlan fühlte sich trotz des Schlamms plötzlich sehr nackt. Sie begann ihre Kleider überzustreifen und versuchte sich ihre Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. Gleichzeitig schalt sie sich angesichts der bevorstehenden Katastrophe für derart weltliche Sorgen. In einer Versammlung ging es darum, die Seelen der Toten herbeizurufen, nicht darum, ob jemand Mann war oder Frau. Trotzdem, sie war die einzige des letzteren Geschlechts, während die anderen alle dem ersteren angehörten.

»Danke, daß du gekommen bist, Mutter Konfessor«, sagte der Vogelmann. »Wir wissen, diese Heimkehr ist nicht das freudige Ereignis, das wir uns alle gewünscht haben

»Nein«, antwortete sie leise, »das ist es wohl nicht. Mein Herz singt, weil ich mein Volk wiedersehe, aber das Lied ist getrübt von Traurigkeit. Wir werden nicht ruhen, bis diese Geschichte zu Ende gebracht ist

»Glaubst du, du kannst so etwas wie ein Fieber aufhalten?« fragte Surin.

Savidlin legte ihr eine Hand auf die Schulter, als sie ihr Hemd zuknöpfte. »Die Mutter Konfessor und Richard haben uns schon einmal geholfen. Wir wissen, wie tapfer sie sind. Unsere Ahnen meinten, es handele sich um ein Fieber, das durch Magie ausgelöst wurde. Die Mutter Konfessor und ihr Sucher besitzen mächtige Magie. Sie werden tun, was sie tun müssen

»Savidlin hat recht. Wir werden tun, was wir tun müssen

Savidlin lächelte sie an. »Und wenn du fertig bist, wirst du dann nach Hause zu deinem Volk kommen und dich wie geplant trauen lassen? Meine Frau Weselan möchte sehen, wie ihre Freundin, die Mutter Konfessor, in dem Kleid getraut wird, das sie für dich genäht hat

Kahlan hätte am liebsten lauthals aufgeschrien. »Nichts würde mir mehr Freude bereiten, als euch alle wohlbehalten zu sehen

»Du bist eine große Freundin unseres Volkes, Kind«, sagte der Vogelmann. »Wir alle freuen uns auf die Hochzeit, wenn du mit dieser Angelegenheit der Seelen und der Magie fertig bist

Kahlan blickte in alle Augen, die auf sie gerichtet waren. Sie glaubte nicht, daß diese Männer Zeugen der Visionen des Todes, die man ihr gezeigt hatte, oder der wahren Ausmaße der Seuche, mit denen sie es zu tun hatten, geworden waren.

»Verehrte Älteste, wenn wir scheitern … wenn wir…«

Ihr versagte die Stimme. Der Vogelmann kam ihr zur Hilfe.

»Solltest du scheitern, Kind, dann werden wir trotzdem alle wissen, daß du alles getan hast, was in deiner Macht stand. Wenn es einen Pfad gibt, dann wirst du alles tun, um ihn zu finden, das wissen wir. Wir vertrauen auf dich

»Danke«, murmelte sie.

Die Welt verschwamm hinter Tränen. Sie zwang sich, den Kopf nicht hängen zu lassen. Sie würde diesen Menschen nur angst machen, wenn sie ihre eigene zeigte.

»Kahlan, du mußt Richard mit dem Zorn heiraten.« Der Vogelmann lachte leise vergnügt in sich hinein, als wollte er sie aufmuntern. »Er hat sich bereits einmal einer Hochzeit mit einer Frau der Schlammenschen entzogen. Der Hochzeit mit dir wird er nicht entgehen, wenn ich etwas in der Angelegenheit zu sagen habe. Er muß eine Frau der Schlammenschen heiraten

Sie war zu benommen, um sein Lächeln zu erwidern.

»Wirst du den Rest der Nacht hierbleiben?« fragte Savidlin. »Weselan würde sich sehr freuen, dich zu sehen

»Verzeiht mir, verehrte Älteste, aber wenn ich euer Volk retten soll, muß ich sofort zurück. Ich muß zu Richard und ihn davon unterrichten, was ich mit eurer Hilfe herausgefunden habe

44

Eine Frau trat aus einer Tür hinaus auf die schmale, menschenleere Gasse. Er mußte stehenbleiben, sonst wäre er mit ihr zusammengestoßen. Unter ihrem Vierecktuch trug sie ein dünnes Kleid, und an der Art, wie ihre Brustwarzen in der Kälte vorstanden, erkannte er, daß sie unter dem Kleid unbekleidet war.

Sie glaubte, sein Lächeln gelte ihr. Das tat es nicht. Es entsprang der Freude darüber, wie eine Gelegenheit manchmal seinen Weg kreuzte, wenn er es am wenigsten erwartete. Er vermutete, es läge an seinem außergewöhnlichen Wesen, daß solche Ereignisse von ihm angezogen wurden.

Ob er sie erwartete oder nicht, er war stets darauf vorbereitet, Ereignisse zu seinem Vorteil auszunutzen.

Sie erwiderte das Lächeln, als sie ihm mit der Hand über die Brust strich und mit einem Finger sein Kinn kraulte.

»Schau an, schau an, mein Lieber. Lust auf ein bißchen Vergnügen?«

Sie war nicht attraktiv, trotzdem weckte die Eigenart dieser sich zufällig ergebenden Gelegenheit seine Begierde. Er wußte, was hier gespielt wurde. Er sah es an der Art, wie sie sich ganz dicht vor ihn stellte und seine ganze Aufmerksamkeit einforderte. Er hatte schon früher solche Begegnungen gehabt. Genaugenommen legte er es manchmal geradezu darauf an. Dann war die Herausforderung größer. Und mit der Herausforderung ging eine seltene Form der Befriedigung einher.

Die Situation war alles andere als ideal – sie wies entschiedene Nachteile auf, zum Beispiel den, daß er unmöglich zulassen durfte, daß ihre Schreie Aufmerksamkeit erregten, und trotzdem würde er dem noch immer etwas abgewinnen können. Er öffnete sich ihr mit all seinen Sinnen. Schon begann er, die Einzelheiten in sich aufzunehmen, so wie Erde einen prasselnden Regen in sich aufsaugt.