Schon ließ er sich ganz von seiner Lust überwältigen.
»Tja«, meinte er, wobei er das Wort dehnte, »hast du denn überhaupt ein Zimmer?«
Sie hatte sicher keines. Er wußte, was hier gespielt wurde.
Sie legte ihr Handgelenk auf seine Schulter. »Ein Zimmer ist nicht nötig, Schätzchen. Nur eine halbe Silbermünze.«
So unbemerkt wie möglich ließ er seinen Blick über die umstehenden Gebäude schweifen. Die Fenster waren alle dunkel. Nur ein paar Lichter in der Ferne spiegelten sich auf dem nassen Pflaster. Dies war die Gegend, in der die Speicher standen. In diesen Häusern wohnte kein Mensch. Es war unwahrscheinlich, daß außer zufälligen Passanten wie ihm selbst viele Menschen in der Nähe waren. Dennoch würde er seine Lust durch Besonnenheit mäßigen müssen.
»Ein wenig kalt, um sich hier draußen auf dem Pflaster auszuziehen, meinst du nicht auch?«
Sie legte ihm die Hand an die Wange, damit er seine Aufmerksamkeit weiter auf sie richtete. Mit der anderen Hand faßte sie ihm zwischen die Beine. Was sie dort vorfand, ließ sie zufrieden schnurren.
»Sei unbesorgt, mein Schatz. Für eine halbe Silbermünze kenne ich ein warmes Plätzchen, wo du das hier hinstecken kannst.«
Er genoß das Spielchen. Das letzte Mal war schon zu lange her. Er setzte für sie seine unschuldigste, unbedarfteste Miene auf.
»Tja, ich weiß nicht. Kommt mir ein bißchen plump vor. Normalerweise hab ich es am liebsten, wenn genug Zeit ist, damit die junge Dame auch ihren Spaß hat.«
»Oh, ich werde meinen Spaß haben, Schätzchen. Du glaubst doch nicht, ich mache es nur der halben Silbermünze wegen, oder? Ach was. Ich habe Spaß dabei.«
Rückwärts bewegte sie sich zur Tür zurück, aus der sie getreten war. Er ließ sich von ihren Händen, die sie hinter seinem Hals verschränkt hatte, mitziehen.
»So kleines Geld habe ich nicht bei mir.« Fast konnte er ihre Augen über ihr Glück aufleuchten sehen. Sie würde noch zu lernen haben, daß dieser Abend für sie nicht glücklich enden würde.
»Ach, nein?« entgegnete sie, als bereite sie sich darauf vor, ihr Angebot zurückzuziehen, jetzt, wo sie sicher war, ihn mit ihrem verlockenden Angebot in der Falle zu haben. »Tja, eine Dame muß sehen, wie sie zurechtkommt. Dann muß ich wohl weiter und sehen, ob ich nicht einen anderen…«
»Das Kleinste, was ich habe, ist eine Silbermünze. Aber ich wäre bereit, dir die ganze Silbermünze zu geben, vorausgesetzt, du läßt dir Zeit und hast auch dein Vergnügen. Ich mag es, wenn eine junge Frau wie du sich amüsiert. Ja, das gefällt mir.«
»Was für ein Schatz«, schnurrte sie mit aufgesetztem, übertriebenem Entzücken, als sie die Silbermünze nahm, die er ihr hinhielt.
Sie stank. Ihr Lächeln zauberte keinerlei Schönheit auf ihr Gesicht, und doch weidete er sich an den Einzelheiten: an ihrem derben Haar, ihrem Körpergeruch, der krummen Nase und den zu kleinen Augen. Sie war ordinär, billiger, als ein Mann seines Ranges es gewohnt war, aber gerade das hatte seinen ganz eigenen Reiz.
Er horchte aufmerksam, während er sie betrachtete. Andere Einzelheiten waren sogar noch wichtiger, wenn er vollen Genuß erzielen wollte.
Sie zog sich in den Eingang zurück und setzte sich auf einen Hocker, der dort stand. Der Eingang war gerade tief genug für sie beide, so daß er den Rücken der Gasse zukehrte, wenn er sich vor ihr aufbaute.
Es ärgerte ihn, daß sie ihn für so dumm, so töricht, für einen solchen Hitzkopf hielt. Sie würde bald begreifen, wie sehr sie sich täuschte.
Sie drückte ihm einen Kuß vorne auf die Hose und nestelte an seinem Gürtel herum. Lange würde es nicht dauern. Sie würde wollen, daß es rasch ging, damit sie weiterziehen konnte, um im Schutz der Nacht so viel Geld wie nur möglich abzukassieren.
Bevor sie ihm die Hose aufmachen konnte, ergriff er zärtlich eines ihrer Handgelenke. Es wäre nicht gut, wenn ihm die Hosen um die Knie hingen, wenn es anfing. Nein, das wäre gar nicht gut.
Lächelnd blickte sie zu ihm hoch, sichtlich verwirrt, aber ebenso erkennbar überzeugt, ihn mit ihrem Lächeln zu betören. Lange würde er es nicht ertragen müssen. In Kürze wäre es vorbei.
Dunkel genug war es. Zu dunkel, um mit Sicherheit erkennen zu können, was er tat. Die Menschen sahen stets, was sie zu sehen erwarteten.
Während sie ihn noch immer anlächelte und bevor sie Zeit hatte, Fragen zu stellen, griff er mit seiner anderen Hand nach unten und faßte sie im Nacken. Sie dachte, er wollte sie einfach festhalten, während sie ihren Liebesdienst versah.
Perfekt, wie sie ihren Kopf nach hinten neigte.
Mit einem Daumen und vor Anstrengung leise ächzend, zerquetschte er ihr die Luftröhre.
Das Lächeln ging auf sein Gesicht über. Der würgende Laut würde keinen unmittelbaren Verdacht erregen. Die Menschen hörten, was sie zu hören erwarteten, genau wie sie sahen, was sie erwarteten zu sehen. Er beugte sich über sie, damit es so aussah, wie man es erwartete, und preßte ihr das Leben aus dem Leib.
»Überraschung«, sagte er leise in ihre hervorquellenden Augen.
Er ergötzte sich an ihrer entsetzten Miene, dem Ausdruck des Erdrosseltwerdens. Als ihre Arme erschlafften, ließ er diese los und hielt sie mit der Faust in ihren Haaren hoch. Er bog ihren Kopf nach hinten über seinen Oberschenkel, damit sie aufrecht blieb, und wartete.
Sekunden später vernahm er die vorsichtig von hinten nahenden Schritte. Mehr als einer, genau wie er es sich gedacht hatte. Nun wußte er, was hier gespielt wurde: Raub.
Nur noch Sekunden, dann waren sie da. Die Zeit dehnte sich für ihn in der Vorfreude auf das, was er sehen, hören, riechen würde. Er war der einzigartigste aller Menschen. Die Zeit gehörte ihm. Das Leben gehörte ihm. Der Tod gehörte ihm.
Jetzt war es an der Zeit, sein Vergnügen zum Höhepunkt zu steigern.
Er drückte ihr sein Knie gegen die Wirbelsäule und brach ihr mit einem Ruck das Genick. Er wirbelte herum, riß das Messer hoch, bohrte es dem Kerl, der unmittelbar hinter ihm stand, in den Bauch und schlitzte ihn von den Lenden bis zum Brustbein auf. Mit einer raschen Drehung war er an dem Mann vorbei, dessen Eingeweide klatschend auf die Gasse fielen.
Er hatte einen weiteren Mann erwartet. Statt dessen waren es zwei. Für gewöhnlich hatte eine Frau wie sie zwei Kerle dabei, die den Freier ausnahmen. Drei hatte er noch nicht gesehen. Angesichts der unerwarteten Bedrohlichkeit dieser Entwicklung wurde ihm ganz schwindelig vor Lust.
Der zweite Kerl rechts von ihm holte aus. Er sah das Messer in seiner Faust und wich dem Schwung der Klinge mit einem Schritt nach hinten aus. Als der dritte vorrückte, stieß er ihn mit einem Stiefeltritt gegen das untere Ende des Brustbeins zurück. Der Mann schlug hinten gegen die Wand, ging mit einem schmerzhaften Ächzen taumelnd auf die Knie und bekam keine Luft mehr.
Der Mann rechts erstarrte. Jetzt hieß es Mann gegen Mann. Dem Gesicht nach war er noch ein Junge. Mit dem für junge Burschen typischen Mut nahm er die Beine in die Hand und rannte los.
Er feixte. Es gab kein perfekteres Ziel als den Kopf eines laufenden Menschen. Der Kopf verharrte beinahe vollkommen bewegungslos, während Arme und Beine hektisch ruderten. Das Ziel wurde in seinem Blick zu einem Zentrum der Ruhe.
Er warf das Messer. Der Junge rannte, so schnell ihn seine hektisch pumpenden Beine trugen. Das Messer war schneller und versank mit einem dumpfen Geräusch im Ziel. Der jugendliche Räuber ging augenblicklich zu Boden.
Der dritte Mann rappelte sich gerade auf. Er war älter, muskelbepackt, schwer und außer sich vor Zorn. Gut.
Ein seitlicher Tritt zertrümmerte dem Kerl die Nase. Vor Wut und Schmerzen heulend, warf sich der Mann nach vorn. Er sah das Aufblinken von Stahl, duckte sich seitlich weg und trat dem Kerl dabei die Füße unterm Körper weg. Das alles geschah in einem einzigen Augenblick. Es war eine prachtvolle Nummer, dieser gefährliche, tobende Stier, der wie von Sinnen attackierte.
Er sog die Einzelheiten in sich auf: die Kleidung des Mannes, der kleine Riß hinten in seinem Mantel, der abgewetzte Stoff, in dem sich das ferne Licht spiegelte, sein krauses, fettiges Haar, das kleine Stück, das ihm im rechten Ohr fehlte, die Art, wie er zusammensackte, als ihn der Stiefel zwischen den Schultern traf.