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Ann schaute in die entgegengesetzte Richtung, so als interessiere sie das nicht. »Wie kommt es, daß sie darin so gut sind?«

Zedd sah kurz zu ihren Bewachern hoch. Sie verfolgten ausnahmslos die Verhandlungen und schenkten ihren hilflosen Gefangenen wenig Beachtung.

»Sie besitzen die seltene Fähigkeit, von einem Geschäft Abstand zu nehmen. Andere beschließen, daß sie etwas wollen und geben sich dann schon bald mit weniger zufrieden, nur um einig zu werden. Die Si Doak nicht. Sie gehen einfach fort. Wenn es nicht anders möglich ist, geben sie ihre Hoffnung ohne Bedauern auf und widmen sich etwas anderem.«

Einer der Si Doak, der mit einem Kaninchenfell auf dem Kopf, warf einen Stapel Decken in die Kreismitte. Er deutete auf eine kleine Ziegenherde und unterbreitete ein Angebot, das, soweit Zedd dies verstand, zwei der Tiere umfaßte.

Das Angebot schien die Nangtong zu erzürnen. Ihr Hauptunterhändler sprang auf und reckte wiederholt seinen Speer in die Luft, offenbar um seiner Empörung über den niedrigen Preis Ausdruck zu verleihen. Zedd fiel auf, daß er nicht etwa fortging. Ihre Ehre stand auf dem Spiel. Soviel hatten die Nangtong investiert.

Er stieß Ann an, legte den Kopf in den Nacken und heulte wie ein Kojote. Ann verstand, was er beabsichtigte, und stimmte ein. Die beiden kläfften und blafften, so laut sie nur konnten.

Die Unterhändler verstummten und sahen zu den Gefangenen hinüber. Ihr Oberhaupt nahm wieder Platz.

Ein Schlag auf den Kopf ließ Zedd und Ann verstummen. Die Gespräche drüben bei den Verhandlungen über den Tausch wurden wiederaufgenommen. Ein Abgesandter der Nangtong wurde losgeschickt, um die Ziegen genauer zu begutachten.

Zedd kratzte sich an der Schulter. Der trockene Schlamm wurde unangenehm. Aber vermutlich weniger unangenehm, als sich das Herz herausschneiden oder den Kopf abschlagen zu lassen, oder was immer die Nangtong mit ihren Menschenopfern machten.

»Ich habe Hunger«, raunte er. »Sie haben uns den ganzen Tag noch nichts zu essen gegeben. Der Nachmittag ist fast zur Hälfte um, und wir haben nicht eine einzige Mahlzeit bekommen.«

Er bellte seine Häscher an, um ihnen sein Mißfallen kundzutun. Die Unterhandlungen gerieten kurz ins Stocken, als man erneut für einen Augenblick zu den Gefangenen hinübersah. Die Si Doak verschränkten sämtlich die Arme und betrachteten die Nangtong schweigend.

Rasch nahmen die Nangtong die Gespräche wieder auf. Ihr Tonfall änderte sich, wurde versöhnlich. Verhaltenes Gelächter mischte sich unter ihr zwangloses Geschnatter. Die Reaktion der Si Doak war knapp und schroff. Der mit dem Kaninchenfell auf dem Kopf deutete erst auf die Nachmittagssonne, dann in die Richtung seines Dorfes.

Der verantwortliche Mann der Nangtong zerrte eine Decke aus dem Stapel in der Mitte und untersuchte sie mit widerstrebender Bewunderung. Er gab die Decke an seine Kameraden weiter. Sie würdigten ihren Wert mit einem knappen Nicken, als hätten sie ihn gerade erst erkannt. Der Mann, den man losgeschickt hatte, um sich die Ziegen anzusehen, kehrte mit zweien von ihnen zurück. Er zeigte sie seinen Gefährten, und diese ergingen sich in Lauten der Begeisterung, als sei ihnen nun erst aufgefallen, daß die Ziegen beeindruckender waren, als anfangs gedacht, und ganz und gar nicht jene ausgemergelten Tiere, die vorzufinden sie erwartet hatten.

Offenbar waren die Nangtong zu dem Entschluß gekommen, daß sie auf keinen Fall mit den Gefangenen nach Hause zurückkehren wollten. Jeder brauchbare Gegenstand war besser als zwei Verrückte. Sie konnten den Seelen schließlich schlecht zwei Verrückte schicken. Jeder Tausch war für sie ein Gewinn, vor allem in Anbetracht des schwindenden Interesses der Si Doak.

Diese behielten ihre versteinerten Mienen bei. Die Nangtong hatten einen Fehler begangen. Sie hatten verraten, daß sie das, was sie hatten, unbedingt verkaufen mußten. Nichts schätzten die Si Doak mehr als einen Verkäufer, der unter Druck stand.

Plötzlich wurde man sich über den Preis einig – was, war für Zedd nicht ersichtlich. Die Ranghöchsten der Si Doak und der Nangtong erhoben sich, hakten die Arme an den Ellenbogen ineinander und drehten sich so verbunden dreimal umeinander. Als sie sich wieder lösten, ging auf beiden Seiten ein fröhliches Schnattern durch die Reihen. Der Handel war besiegelt.

Die Nangtong gingen daran, die Decken aufzusammeln. Die Ziegen wurden angebunden. Die Si Doak traten auf ihre Beute zu. Als sie näher kamen, schlugen die Wächter Zedd und Ann auf den Kopf, offenbar als Warnung, das Geschäft nicht noch zu vereiteln.

Zedd hatte nicht die geringste Absicht, das zu tun. Die Si Doak opferten keine Menschen. Soweit er wußte, waren sie ein sanftmütiges Völkchen, und die schlimmste Strafe, die sie über jemanden verhängten, der sich eines schweren Verbrechens schuldig gemacht hatte, war Verbannung. Gelegentlich kam es vor, daß ein verbannter Si Doak verhungerte, weil man ihn vertrieben hatte. Ein unartiges Kind wurde dadurch eines Besseren belehrt, daß alle es einen Tag lang völlig ignorierten. Für einen Si Doak war das eine fürchterliche Strafe, die für lange Zeit danach allerbestes Betragen zur Folge hatte.

Natürlich waren Zedd und Ann keine Angehörigen der Gemeinschaft der Si Doak, daher war es durchaus möglich, eigentlich sogar wahrscheinlich, daß ihnen eine solche Behandlung nicht zuteil werden würde.

Zedd beugte sich zu Ann und flüsterte: »Ich glaube nicht, daß diese Leute uns etwas antun werden, also merk dir eins: Sollten sie beschließen, uns nicht zu nehmen, könnten die Nangtong uns möglicherweise doch noch die Kehle durchschneiden, nur um nicht die Demütigung hinnehmen zu müssen, mit zwei Verrückten zurückzukehren.«

»Erst soll ich im Schlamm spielen und jetzt das brave kleine Mädchen?«

Zedd mußte über ihren Sarkasmus lachen. »Nur bis unsere neuen Bewacher uns von den alten weggeschafft haben.«

Der Älteste der Si Doak, der mit dem Kaninchenfell auf dem Kopf, ging vor seinen neuen Errungenschaften in die Hocke. Er streckte die Hand aus und befühlte Zedds Armmuskeln. Daraufhin stieß er ein mißbilligendes Grunzen aus. Nun befühlte er Anns Arme und gab einen Laut von sich, als sei er mit dem Vorgefundenen zufrieden.

Ann zog erstaunt eine Braue hoch und sah Zedd an. »Offenbar sage ich ihnen mehr zu als ein knochiger alter Kerl.«

Zedd grinste. »Vermutlich halten sie dich als menschliches Arbeitstier für besser geeignet. Sie werden dich hart schuften lassen.«

Ihr selbstzufriedener Gesichtsausdruck erlosch. »Was soll das heißen?«

Er bedeutete ihr, sie solle schweigen. Ein weiterer Si Doak hockte sich neben den Ältesten. An seinem Kopf waren Ziegenhörner befestigt. Über seinem Wildlederhemd trug er gut und gerne einhundert Halsketten, von denen einige bis zu seinen Lenden herabhingen und die aus Zähnen, Perlen, Knöpfen, Federn, Tonscherben, Metallplättchen, Goldmünzen, kleinen Lederbeuteln und geschnitzten Amuletten bestanden. Er war der Schamane der Si Doak. Der Mann ergriff Zedds Hand und streckte vorsichtig dessen Arm. Dann ließ er ihn los. Zedd ließ ihn fallen. Der Schamane tat schnatternd sein Mißfallen kund. Zedd begriff genug, um sich zusammenzureimen, daß er seinen Arm hochhalten sollte. Doch gab er vor, daß er nichts verstand, woraufhin der Schamane den Arm erneut anhob und Zedd mit der Hand bedeutete, er solle ihn dort lassen.

Während die Nangtong noch immer ihre Speere auf ihre Gefangenen gerichtet hielten, holte der Schamane lange, zusammengerollte Grashalme aus einer der Taschen an seiner Hüfte. Einen Sprechgesang anstimmend, wickelte er Zedd das Gras ums Handgelenk. Als er fertig war, wickelte er das Gras um Zedds anderes Handgelenk, dann machte er dasselbe mit Ann.

»Irgendeine Ahnung, was das soll?« fragte sie.

»Das bindet unsere Magie. Die Nangtong brauchen nichts zu tun, um unsere Magie zu blockieren, aber die Si Doak müssen irgendeine Form ihrer eigenen Magie einsetzen, um unsere aufzuheben. Dieser Schamane ist ein Mann der Magie. Er hat die Gabe. Er ist so etwas wie der Zauberer der Si Doak.« Zedd sah kurz aus den Augenwinkeln zu ihr hinüber. »Vielleicht könnte man auch sagen, er ist wie die Schwestern des Lichts mit ihren Halsringen. Wie die Halsringe werden wir auch diese Armbänder nicht abnehmen können.«