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Berdine blickte ihn finster an. »Ich habe nicht gesagt, ich komme nicht mit. Ich sagte, Ihr solltet das nicht tun.«

»Ich muß. Es war nirgendwo anders. Also kann es nur hier sein. Wie ich hörte, wurden wichtige Dinge, Dinge, die nicht für jeden bestimmt waren, in der Enklave des Obersten Zauberers aufbewahrt.«

Berdine rollte mit den Schultern, um die Verspannung in ihren Muskeln zu lockern. »Wenn Ihr unbedingt hineinwollt, begleite ich Euch. Ich lasse Euch nicht alleine dort hineingehen.«

»Raina?« fragte er. »Ich brauche Euch nicht beide. Wollt Ihr hier warten?«

Als Antwort warf ihm Raina einen düsteren Mord-Sith-Blick zu.

»Also schön. Und jetzt hört zu. Ich weiß, alle Schilde hier sind gefährlich, aber mehr auch nicht. Möglicherweise unterscheiden sie sich von denen, durch die ich Euch bereits geführt habe.

Ich muß die Metallplatte dort drüben an der Wand berühren. Ihr wartet hier, während ich nachsehe, ob ich die richtige Magie besitze, um die Tür zu öffnen. Wenn sie aufgeht, kommt Ihr beide nach.«

»Das ist doch kein Trick, oder?« fragte Raina. »Ihr habt uns schon einmal reingelegt, damit wir draußen bleiben, weil Ihr verhindern wolltet, daß wir irgendwo hingehen, wo es Gefahren gibt. Mord-Sith fürchten sich vor nichts.«

Der Wind fuhr unter sein goldenes Cape. »Nein, das ist kein Trick, Raina. Die Angelegenheit ist wichtig, aber ich möchte nicht, daß ihr beide Euer Leben unnötig aufs Spiel setzt. Wenn ich die Tür öffnen kann, dann verspreche ich, nehme ich Euch beide mit. Zufrieden?«

Die beiden Frauen nickten. Richard drückte jeder von ihnen anerkennend die Schulter. Gedankenversunken zog er die Metallreifen an seinem Handgelenk zurecht, während er zu dem hochaufragenden Bollwerk hinüberstarrte, das sie am Ende der Mauer erwartete.

Ein kalter Wind schlug ihm entgegen, als er sich auf den Weg machte. Er spürte den Druck des Schildes wie das Gewicht von Wasser, wenn man auf den Grund eines Teiches taucht. Während er weiterging, stellten sich die feinen Härchen in seinem Nacken auf. Der Druck machte es schwierig, aber nicht unmöglich, Luft zu holen, genau wie Kahlan es beschrieben hatte.

Sechs gewaltige Säulen aus buntgemasertem Gestein standen zu beiden Seiten der mit Gold verkleideten Tür und stützten ein vorspringendes Gebälk aus dunklem Stein. Der Hauptbalken war mit Schmuckplatten aus Messing verziert. Im Näherkommen erkannte Richard einige derselben Symbole wieder, die er auf seinen Armbändern, am Gürtel und auf den Nieten seiner Stiefel trug. Das Fries enthielt runde Scheiben aus Metall mit anderen, eher kreisförmigen Symbolen. Die gradlinigeren Zeichen, die er am Körper trug, waren ebenfalls in den Stein des Gesimses gemeißelt.

Es beruhigte ihn, Symbole zu sehen, die er kannte, auch wenn ihm ihre Bedeutung nicht vertraut war. Er trug diese Dinge, weil er dazu gezwungen war, aus Pflichtbewußtsein und weil er ein Recht darauf hatte – er wußte, daß er dazu geboren war. Nur nicht, warum. Selbst wenn er es sich anders gewünscht hätte, so war es nun einmal. Er war ein Kriegszauberer.

Abgelenkt durch den unangenehmen Druck und das Kribbeln der Schilde, hatte er die Tür erreicht, bevor er sich dessen richtig bewußt wurde. Sie war wenigstens zwölf Fuß hoch und gute vier Fuß breit, mit Gold beschlagen und mit den gleichen symbolischen Motiven verziert.

In der Mitte befand sich ein Relief mit einem der auffälligeren Zeichen, die er am Körper trug: zwei grobe Dreiecke, umgeben und durchzogen von einer doppelten Wellenlinie. Richard legte seine linke Hand auf das Heft des Schwertes, während er das Symbol mit seiner anderen Hand betastete und seinen ovalen, gewellten Außenrand nachzeichnete.

Als er es berührte, es nachzeichnete, seinen Konturen folgte, begriff er. Die Seelen, die vor ihm das Schwert der Wahrheit benutzt hatten, gaben ihr Wissen an ihn weiter, wenn er die Klinge benutzte, allerdings übermittelten sie dieses Wissen nicht immer in Worten. In der Hitze des Gefechtes war dafür oft keine Zeit.

Manchmal erreichte es ihn in Gestalt von Symbolen: diesen Symbolen.

Dies eine hier auf der Tür, wie auch die auf seinen Armbändern, stand für eine Art Tanz, den man im Kampf gegen eine große Überzahl benutzte. Es vermittelte einem die Bewegungen des Tanzes, Bewegungen ohne Form.

Des Tanzes mit dem Tod.

Das ergab Sinn. Schließlich trug er die Kleider eines Kriegszauberers. Aus Kolos Tagebuch hatte Richard erfahren, der Oberste Zauberer zu Kolos Zeiten mit dem Namen Baraccus sei ebenfalls ein Kriegszauberer gewesen, genau wie er selbst. Für einen solchen ergaben diese Symbole einen Sinn. So wie ein Schneider eine Schere auf seine Fensterscheiben malte, auf dem Schild eines Gasthauses ein Krug zu sehen war, ein Schmied ein Hufeisen annagelte oder ein Waffenmacher Messer auslegte, waren diese Symbole die Zeichen seines Handwerks: das Bringen des Todes.

Richard merkte, daß die Angst von ihm abgefallen war. Er stand in der Burg der Zauberer, wo zuvor seine Nerven stets bis aufs äußerste gespannt gewesen waren, und schlimmer noch, er stand jetzt vor dem am besten gesicherten und abgesperrten Ort in der Burg, und doch fühlte er sich innerlich ruhig.

Er berührte das Sonnenaufgangssymbol auf der Tür. Dieses Zeichen stellte eine Warnung dar.

Bewahre dir einen alles erfassenden Blick, lasse niemals zu, daß er sich auf ein einzelnes Ding beschränkt. Das war die Bedeutung des Sonnenaufgangs: Schau überall gleichzeitig hin, betrachte nichts ausschließlich für sich allein, und lasse nicht zu, daß der Feind deinen Blick lenkt, sonst siehst du nur, was er will. Wenn dann deine Verwirrung einsetzt, wird er dich angreifen und seine Chance suchen, und du wirst unterliegen.

Statt dessen muß dein Blick offen sein für alles, was ist, darf nie zur Ruhe kommen, nicht einmal beim Schnitt. Erkenne die Schachzüge deines Feindes instinktiv, warte nicht ab, bis du sie mit den Augen siehst. Mit dem Tod zu tanzen hieß, das Schwert des Feindes und seine Schnelligkeit zu kennen, ohne abzuwarten, bis man sie sah. Mit dem Tod zu tanzen hieß, eins mit dem Feind zu sein, ohne den Blick auf ihn zu heften, um ihn töten zu können. Mit dem Tod zu tanzen bedeutete, daß man die Inkarnation des Todes war, der kam, die Lebenden niederzumähen.

Berdines Stimme wehte über die Mauer zu ihm herüber. »Lord Rahl?«

Richard sah über seine Schulter. »Was ist? Stimmt etwas nicht?«

Berdine verlagerte ihr Gewicht auf das andere Bein. »Geht es Euch gut? Ihr habt so lange dort gestanden und die Tür angestarrt. Ist alles in Ordnung?«

Richard wischte sich mit der Hand übers Gesicht. »Ja, es geht mir ausgezeichnet. Ich habe nur … ich habe mir nur alles angesehen, was auf der Tür steht, sonst nichts.«

Er drehte sich um und schlug seine Hand, ohne nachzudenken, auf die Metallplatte in der polierten grauen Marmorwand. Kahlan hatte ihm erzählt, wenn man dieses Metall berührte, war es angeblich so, als berühre man das kalte tote Herz des Hüters selbst.

Die Metallplatte wurde warm. Die goldene Tür schwenkte geräuschlos nach innen auf.

Von dahinter drang schwaches Licht heraus. Richard machte einen vorsichtigen Schritt in die Türöffnung. Wie beim Docht einer Lampe, den man langsam hochdreht, wurde das schwache Licht heller. Er tat einen weiteren Schritt, und das Licht leuchtete noch stärker.

Er ließ den Blick über die Innenseite wandern und winkte die beiden wartenden Mord-Sith heran. Welche Magie die Menschen zuvor auch daran gehindert haben mochte, sich zu nähern, jetzt war sie offenbar aufgehoben worden. Berdine und Raina konnten ihm problemlos folgen.

»Das war gar nicht so schlimm«, meinte Raina. »Ich habe nichts gespürt.«

»So weit, so gut«, gab Richard zurück.

Drinnen, oben auf Postamenten aus grünem Marmor, gab es rechts und links von ihm an der Wand angebrachte Glaskugeln, ungefähr eine Handbreit im Durchmesser. Ähnliche Glaskugeln hatte Richard bereits in den unteren Gefilden der Burg gesehen. Wie jene spendeten sie Licht.