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Das Innere der Enklave des Obersten Zauberers war ein gewaltiger höhlenähnlicher Raum, der mit Steinmetzarbeiten verziert war. Vier Säulen aus poliertem Marmor, wenigstens zehn Fuß im Durchmesser, bildeten ein Quadrat, das Rundbögen stützte, die gleich hinter dem äußeren Rand einer zentralen, oben mit einem Ring aus Fenstern versehenen Kuppel standen. Zwischen jedem Säulenpaar gelangte man von dem gewaltigen Geviert in der Mitte aus in einen Gebäudeflügel. Ihm fiel auf, daß die Steinmetzarbeiten meist das Palmblattmuster wiederholten, das die goldenen Kapitelle der schwarzen Marmorsäulen schmückte. Die Marmorsäulen waren so glatt geschliffen, daß sie Bilder zurückwarfen, als seien sie aus Glas.

Fein gearbeitete Leuchter aus geschmiedetem Metall enthielten Kerzen. In fließendem Schwung geschmiedetes Eisen bildete Geländer am Rand des weitläufigen, tiefer liegenden Bodens in der Mitte.

Das war nicht das finstere Loch, das Richard erwartet hatte. Dies war ein Ort von großer Pracht, der es mit jedem aufnehmen konnte, den er je gesehen hatte. Dieser Raum war wundervoll und erfüllte ihn mit Ehrfurcht.

Der Flügel, in dem die drei standen, die Eingangshalle, schien der bei weitem kleinste der vier zu sein. Sechs Fuß hohe weiße Marmorpostamente zogen sich in langen Doppelreihen entlang eines langen roten Teppichs auf golddurchsetztem dunkelbraunem Marmor.

Die Arme um eines der Postamente gelegt, hätte Richard seine eigenen Fingerspitzen nicht berühren können. Das gerippte Faßgewölbe der Decke dreißig Fuß über ihren Köpfen ließ die mächtigen Postamente winzig erscheinen.

Auf einigen befanden sich Gegenstände, die Richard wiedererkannte: verzierte Messer, in Broschen oder am Ende von vergoldeten Ketten eingesetzte Edelsteine, ein silberner Kelch, mit Filigran verzierte Schalen und fein gearbeitete Kästchen. Vieles davon lag auf rechteckigen Deckchen mit Gold- oder Silberstickereien am Rand, andere auf Ständern, die aus einem Holz geschnitzt waren, aus dem man die Astlöcher entfernt hatte.

Auf anderen befanden sich verzogene, entstellte Gegenstände, deren Sinn er nicht begriff. Er hätte geschworen, daß sie ihre Form veränderten, sobald er sie betrachtete. Er entschied, es wäre das beste, die magischen Gegenstände nicht direkt anzusehen, und warnte die beiden anderen.

Der Flügel gegenüber, jenseits des zentralen Gevierts unter der gewaltigen Kuppel, endete an einem Rundbogenfenster, das wenigstens dreißig Fuß hoch sein mußte. Vor dem Fenster stand ein riesiger Tisch, auf dem ein Durcheinander aus Gegenständen lag: Glasgefäße, Schalen und spiralförmige Glasröhren, ein massiver, aber schlichter Kandelaber aus Eisen, der mit einer uralten Wachsschicht überzogen war, Stapel von Schriftrollen, mehrere menschliche Schädel und ein Wust aus kleineren Dingen, die Richard aus dieser Entfernung nicht erkennen konnte. Der Fußboden rings um den Tisch war mit einem ebensolchen Durcheinander übersät, dazu kamen die Gegenstände, die man übereinander gestapelt oder an den Tisch gelehnt hatte.

Der Flügel rechts lag im Dunkeln. Richard war es unangenehm, auch nur in diese Richtung zu blicken. Er beherzigte die Warnung und wandte sich nach links. Dort entdeckte er Bücher. Tausende von Büchern.

»Na also«, sagte Richard und deutete nach links. »Deswegen sind wir hergekommen. Denkt daran, was ich Euch gesagt habe. Faßt nichts an.« Er blickte kurz zu den beiden hinüber, die sich staunend mit großen Augen umsahen. »Ich meine es ernst. Ich weiß nicht, wie ich Euch retten soll, wenn Ihr hier Schwierigkeiten bekommt, weil Ihr etwas angefaßt habt.«

Die beiden Augenpaare erwiderten seinen Blick.

»Wir sind nicht so dumm, Magie herauszufordern«, sagte Raina. »Wir sehen uns nur um, das ist alles. Wir fassen bestimmt nichts an.«

»Gut. Aber ich schlage vor, daß Ihr nicht einmal etwas anseht, außer den Dingen, bei denen es unbedingt notwendig ist. Soweit ich weiß, könnte alleine das Anschauen eines Gegenstandes hier seine Magie hervorrufen.«

»Meint Ihr wirklich?« fragte Raina erstaunt.

»Was ich meine, ist: Ich möchte das nicht erst herausfinden, wenn es zu spät ist. Kommt jetzt. Bringen wir es hinter uns, damit wir wieder von hier verschwinden können.«

Seltsamerweise, und obwohl er die Worte eben erst ausgesprochen hatte und sie durchaus sinnvoll schienen, war ihm gar nicht nach Gehen zumute. So potentiell gefährlich dieser Ort seines Wissens auch war, er ertappte sich dabei, daß ihm die Enklave des Obersten Zauberers gefiel.

Berdine feixte. »Lord Rahl fürchtet sich genauso vor Magie wie wir.«

»Da täuscht Ihr Euch, Berdine. Ich kenne mich ein wenig damit aus.« Er blickte am roten Teppich entlang. »Ich fürchte mich davor mehr als Ihr.«

Zehn breite Stufen am Ende führten hinunter in das zentrale Geviert. Eine weite Fläche aus cremefarbenem Marmor bedeckte den Boden. Eine Begrenzung aus dunklerem Marmor lief in der Nähe des Randes um die Bodenfläche herum. Als Richard die unterste Stufe erreichte und sein Fuß den Boden berührte, summte dieser und begann zu leuchten. Rasch zog er sich auf den roten Teppich zurück. Das Leuchten erlosch.

»Was jetzt?« fragte Raina.

Er löste ihre Finger von seinem Arm. »Hat eine von Euch ihren Fuß auf diesen Boden gesetzt?« Die beiden schüttelten den Kopf. »Dann versucht es.«

Während Richard auf der Stufe wartete, unterzog Berdine den Fußboden einem behutsamen Test. Sie nahm ihren Fuß zurück.

»Es geht nicht. Irgend etwas hält mich zurück, bevor ich den Boden berühren kann.«

Richard trat erneut auf die Marmorfläche. Wie zuvor leuchtete und summte sie.

»Dann muß es sich um einen Schild handeln. Hier, nehmt meine Hand und versucht es noch einmal.«

Richards Hand haltend, gelang es Berdine, mit ihm zusammen die Marmorfläche zu betreten. Raina ergriff seine andere Hand und tat es ihnen nach.

»Also gut«, meinte er. »Da es sich um eine Art Schild handelt, laßt meine Hand nicht los, solange wir auf diesem Teil stehen. Wir wissen nicht, was andernfalls geschieht. Nach allem, was ich weiß, könntet Ihr geröstet werden wie Speck in der Pfanne, wenn Ihr loslaßt.«

Sie faßten fester zu. Als sie die Stufen betraten, die zum Flügel mit den Büchern hinaufführten, verstummte der Fußboden. Ohne Richard, der sie auf dem Weg nach draußen bei den Händen nahm, säßen sie in diesem Palast in der Falle und wären nicht in der Lage, durch das zentrale Geviert zurückzukehren.

Der Flügel mit den Büchern war nicht die Art Bibliothek, die er erwartet hatte. Es gab reihenweise Regale, sie befanden sich jedoch in einem vernachlässigten Zustand. Völlig beliebig lagen die Bücher übereinander gestapelt. Gesteinsbrocken dienten als Stützen für die wenigen, die in dem Chaos aufrecht standen.

Da und dort waren sie zu Bergen aufgeschichtet, als habe sie jemand aus den Regalen gezogen und sie einfach auf einen Haufen geworfen. Die meisten waren zugeklappt, eine beträchtliche Anzahl jedoch lag offen da, manche mit dem Gesicht nach oben, manche mit dem Gesicht nach unten. Aber das war nicht die größte Überraschung.

Überall, so schien es, hatte man Bücher auf dem Fußboden zu Stapeln aufgetürmt. Einige der Stapel waren klein, vielleicht drei oder vier Fuß hoch, sehr viel mehr jedoch bildeten hohe Büchersäulen. Einige der unregelmäßigen Stapel ragten zwölf oder vierzehn Fuß in die Höhe. Sie sahen aus, als brauchte man nur Luft zu holen, um sie zum Einsturz zu bringen. Die Büchersäulen standen überall und bildeten eine Art Irrgarten. Richard konnte sich beim besten Willen nicht erklären, wieso man die Bücher so unordentlich aufgetürmt hatte, und das Ganze erschien ihm so rätselhaft, daß ihm der Schweiß ausbrach.

Richard faßte die beiden Frauen am Arm. »Mein Großvater hat mir erzählt, es gebe Bücher in der Burg der Zauberer, die äußerst gefährlich sind. Kahlan hat mir erzählt, die bedrohlichsten Dinge würden hier drinnen aufbewahrt, wo niemand an sie herankommt, nicht einmal die ihr bekannten Zauberer.«