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Die meisten nickten gedankenversunken, während Drefan sich über Menschen ausließ, die der Krankheit Tür und Tor öffneten, indem sie ihren Körper mit ungesunden Gedanken und Taten verunreinigten. Er erklärte ihnen, der Schöpfer habe sie mit der Fähigkeit ausgestattet, sich vor Krankheiten wie der Pest zu schützen, vorausgesetzt, sie verhielten sich nur wie von der Natur vorgesehen und verzehrten die richtige Nahrung, und zwar eine solche, die die ihren Körper kräftigenden Auren stärkte; des weiteren sollte man die Methode der inneren Einkehr benutzen, um die Wirkung der unterschiedlichen Energiefelder im Einklang mit dem Ganzen auf ihre eigentliche Aufgabe zu lenken.

Vieles von dem, was er sagte, ergab Sinn: das Meiden jeglichen Essens, von dem man wußte, daß man davon Kopfschmerzen bekam, weil es die Fähigkeit des Geistes, den Körper zu regulieren, störte; das Meiden schwerer Speisen kurz vor dem Schlafengehen, weil dadurch dem Körper jene Ruhe vorenthalten wurde, die er benötigte, um sich zu erholen; die Dinge, die die Auren zerstörten, welche uns Kraft gaben und unsere Gesundheit förderten.

Die Menschen staunten ganz offen, wie Drefan es schaffte, ihnen das alles so leicht verständlich zu erklären. Sie redeten, als seien sie blind gewesen, und nun habe ihnen jemand zum ersten Mal die Augen geöffnet. Verblüfft verfolgten sie, wie er ihnen des weiteren erklärte, wir besäßen in uns die Kraft, den Körper zu beherrschen, und Krankheiten könnten uns nur deshalb quälen, weil wir es zuließen. Er sprach von Kräutern, die den Körper von Giften reinigten und die den Menschen vielleicht zum allerersten Mal seit seiner Geburt wirklich gesund machten.

Diese Menschen lauschten nicht dem Bruder von Lord Rahl, sie lauschten Drefan Rahl, dem Hohenpriester der Raug'Moss.

Wie ein Mann befolgten sie die Anweisungen des Hohenpriesters, als dieser von ihnen verlangte, die Augen zu schließen und den Odem des Lebens und die Dämpfe der Gesundheit unter Einsatz der Bauchmuskeln durch die Nase zu atmen, bis tief hinein in ihren innersten Kern. Er erläuterte, wie man die Luft bis ganz tief unten an die Quelle der Kraft der einzigartigen Aura jedes einzelnen führte, wie man die Gifte aus den entlegensten, dunkelsten Winkeln ihres Seins hervorholte und sie durch den Mund nach außen stieß, wo sie gegen einen kräftigenden Atemzug des Lebens ausgetauscht wurden, der wiederum durch die Nase eingesogen wurde.

Vermutlich, dachte Kahlan, war es besser, wenn diese Leute zu Drefan kamen und um einen Rat baten, der vielleicht sogar ein wenig half – zumindest klang das alles so, als könnte es keinen Schaden anrichten –, anstatt ihr Erspartes im Tausch gegen falsche Hoffnungen zu den Betrügern auf der Straße zu tragen. Mit Hilfe von vernünftiger Ernährung und genügend Ruhe den Bedürfnissen des eigenen Körpers gerecht zu werden, schien ein solider Rat.

Während sie alle langsam durch ihre Nasen einatmeten, drehte Drefan den Kopf und richtete seinen Darken-Rahl-Blick auf Kahlan. Er sah sie mit seinem freundlichen Lächeln an, das wohlwollend in seinen blauen Augen funkelte. Sie konnte verstehen, warum diese Menschen ihm vertrauten, und zwang sich, mit einem dünnen Lächeln zu antworten.

Kahlan mußte daran denken, wie sie sich mit Shota über die Schwierigkeit unterhalten hatte, unerfreuliche Erinnerungen aus dem Gedächtnis zu verbannen. Wenn sie nur seine Hand zwischen Caras Beinen vergessen könnte.

Drefan versuchte, den Menschen zu helfen. Er tat alles in seiner Macht Stehende, um die Pest aufzuhalten. Er war ein großartiger Heiler – der Hohepriester der Raug'Moss. Sie versuchte, das Bild, wie er diese kranken Kinder tröstete, an die Stelle der Erinnerung an jene große Hand zu setzen, die er Cara gewaltsam zwischen die Beine geschoben hatte.

Drefan hatte seinerzeit erklärt, warum er Cara das angetan hatte. Er hatte Cara das Leben gerettet – einer Mord-Sith, die erst vor Schmerzen geschrien und dann das Bewußtsein verloren hatte. Drefan hatte sie zurückgeholt. Für Richard hatte er etwas Tröstliches an sich, wie für jeden anderen auch. Kahlan brach den Blickkontakt mit ihm ab und setzte ihre Suche nach Richard fort.

Tristan Bashkar, der jaranische Botschafter, der im Palast der Konfessoren wohnte und der, bevor er kapitulierte, auf ein weiteres Zeichen von den Sternen, auf ein weiteres Wort von oben wartete, blieb an einem Balkon stehen, als sie unten vorüberkam. Wie es seine Gewohnheit war, zog er seinen Rock ein wenig zurück und legte seine Hand auf die Hüfte. Dadurch stellte er den gemeinen Dolch zur Schau, den er an seinem Gürtel trug. Oftmals setzte er während eines Gespräches auch einen Stiefel auf einen Stuhl und stützte, als sei es nicht beabsichtigt, seinen Unterarm auf das Knie. Damit enthüllte er denen, die sich mit ihm unterhielten, auch das Messer, das er in seinem Stiefel trug.

Je häufiger sie Tristan, der sie stets aus seinen verschlagenen Augen musterte, im Palast sah, desto mehr mißfiel ihr seine Anwesenheit. Kahlan kannte keinen Mann, der sich kindischer aufführte.

Schweigend verfolgte Tristan, wie sie eilig ihres Weges ging. Kahlan war froh, daß er oben auf dem Balkon stand. Somit mußte sie keine Zeit damit vergeuden, sich mit ihm herumzustreiten.

Ulic und Egan warfen Kahlan einen seltsamen Blick zu, als diese sie grüßte, bevor sie hastig durch die Tür des kleinen Zimmers verschwand, in dem Richard gerne Kolos Tagebuch studierte. Er saß da, den Kopf in den Händen, die Finger in seinem Haar vergraben, und las in einem anderen Buch, das aufgeschlagen auf dem Tisch lag. Zwei Kerzen und eine Lampe auf dem Tisch neben ihm spendeten Licht, und ein kleines, wohlriechendes Feuer aus Birkenscheiten wärmte das gemütliche Zimmer. Sein Cape hing über einem Stuhl ganz in der Nähe, sein Schwert jedoch hatte er umgeschnallt.

Richard hob den Kopf. Als er sie erblickte, sprang er auf. Ohne das goldene Cape glich er einem großen, dunklen Schatten, der durch das Zimmer schwebte. Bevor er ein Wort sagen konnte, warf Kahlan sich ihm in die Arme.

Sie legte ihr Gesicht an seine Brust und umarmte ihn. »Schrei mich bitte nicht an, Richard. Bitte halte mich einfach nur fest.« Tränen erstickten ihre Stimme. »Bitte sag nichts – halte mich einfach nur fest.«

Es war ein Hochgefühl, endlich wieder bei ihm zu sein. Jedesmal, wenn sie ihn sah, war sie erstaunt, wie sehr sie ihn brauchte und liebte.

Er schloß sie in seine schützenden Arme. Sie lauschte auf das Knacken des Feuers und auf das Pochen seines Herzens dicht an ihrem Ohr. In der Geborgenheit seiner Arme konnte sie sich fast vorstellen, alles sei in bester Ordnung und sie hätten eine Zukunft.

Dann fielen ihr die Worte ihrer Mutter ein.

Konfessoren kennen keine Liebe, Kahlan. Sie kennen nur die Pflicht.

Kahlan klammerte sich in sein schwarzes Hemd, während sie den Kampf gegen ihre Tränen verlor. Er hielt sie fest und streichelte sie. Sie hatte ihn gebeten, nicht zu sprechen, und genau das tat er. Dadurch wurde alles nur noch schlimmer.

Er mußte doch Fragen haben. Er mußte ihr etwas erzählen wollen, ihr mitteilen wollen, wie erleichtert er war, sie in Sicherheit zu wissen, welche Sorgen er sich gemacht hatte, mußte sie fragen wollen, wo sie gewesen war und was sie herausgefunden hatte, ihr berichten wollen, was er entdeckt hatte, mußte sie anschreien wollen. Aber er tat nichts dergleichen. Statt dessen tat er widerspruchslos, um was sie ihn gebeten hatte, und ordnete seine eigenen Wünsche unter.

Wie sollte sie ohne seine Liebe weiterexistieren? Wie sollte sie atmen? Wie sollte sie es schaffen weiterzuleben, bis sie alt war, ihre Pflicht erfüllt hatte und endlich sterben durfte?

»Richard … tut mir leid, daß ich in dem Brief so bedrohlich geklungen habe. Ich wollte dir nicht drohen, das schwöre ich, ich wollte dich nur in Sicherheit wissen. Ich bedauere, wenn ich dir weh getan habe.«