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Seine Worte ließen sie bis ins Mark erschaudern, als er fortfuhr.

»Die Bänder sind eine Darstellung des Tanzes. Geschnitten aus der Leere, nicht aus der Verwirrung. Schneide den Feind so schnell und unmittelbar wie möglich. Schneide mit Gewißheit. Schneide entschieden und beherzt. Schneide in seine Stärke. Dringe fließend durch die Lücken seiner Deckung. Schneide ihn. Schneide ihn, bis er kampfunfähig ist. Lasse ihn niemals zu Atem kommen. Schneide ihn ohne Erbarmen bis in die Tiefen seiner Seele.

Das ist das Gegengewicht zum Leben: der Tod. Es ist der Tanz mit dem Tod.

Das ist das Gesetz, nach dem ein Kriegszauberer lebt. Wenn nicht, stirbt er.«

49

Clarissa saß zusammengekauert in einem Sessel und nähte den Saum eines neuen Kleides um, das Nathan ihr gekauft hatte. Er hatte die Arbeit von einer Näherin machen lassen wollen, sie aber hatte darauf bestanden, es selbst zu erledigen, hauptsächlich, um sich zu beschäftigen. Lächelnd hatte er daraufhin gemeint, wenn es ihr Freude bereite, habe er nichts dagegen. Sie wußte gar nicht, was sie mit all den Kleidern anfangen sollte, die er ihr ständig schenkte. Daher hatte sie ihn gebeten, damit aufzuhören, doch davon wollte er nichts wissen.

Nathan kam von der Tür zurück. Soeben hatte er mit einem Soldaten namens Bollesdun eine lange Diskussion über die Bewegungen der Expeditionstruppen Jagangs geführt. Diese Soldaten hatten auch, wie Clarissa erfahren hatte, ihr Zuhause in Renwold überfallen. Sie versuchte, die Gespräche, die Nathan mit seinen gelegentlich erscheinenden Soldatenfreunden führte, zu überhören.

Denn an den Alptraum von Renwold dachte sie nicht gerade gern zurück. Nathan erklärte ihr, er wolle dem Morden ein Ende setzen, damit es nicht zu weiteren Renwolds komme. Er nannte es sinnloses Blutvergießen.

Clarissa berührte Nathan am Bein. »Kann ich dir irgendwie helfen?«

Er sah sie eine ganze Weile mit seinen blauen Augen an. »Nein, vorerst nicht. Ich muß einen Brief schreiben. In Kürze erwarte ich Besuch. Komm nicht ins Schlafzimmer, wenn sie da sind. Bleib hier. Ich möchte nicht, daß sie dich sehen. Du hast keine Magie, also werden sie dich nicht bemerken.«

Clarissa entging der besorgte Unterton in seiner Stimme nicht.

»Glaubst du, es wird Schwierigkeiten geben? Sie werden dir doch nichts antun, oder?«

Ein verschmitztes Lächeln trat auf sein Gesicht. »Das wäre dann ihr letzter Fehler. Ich habe so viele Fallen aufgestellt, daß nicht einmal der Hüter selbst es wagen würde, mich hier zu überfallen.« Er zwinkerte ihr zu, um sie zu beruhigen. »Schau durchs Schlüsselloch, wenn du möchtest. Es könnte hilfreich sein, wenn du dir die Gesichter dieser Leute einprägst. Sie sind gefährlich.«

Mit vor lauter Aufregung flauem Magen begann Clarissa, den Saum des Kleides mit kleinen Ranken und Blättern zu besticken, weil sie zum einen fand, daß sie hübsch aussehen würden, und um sich zum anderen die Zeit zu vertreiben, während Nathan seinen Brief schrieb. Nachdem er fertig war, verschränkte er die Hände hinter dem Rücken und ging auf und ab.

Als es endlich klopfte, blickte er kurz hinüber ins Schlafzimmer, wo sich die Tür zum Flur befand. Er wandte sich zu ihr um und legte einen Finger vor die Lippen. Clarissa nickte. Er schloß die Tür zum Salon und ging zur anderen. Sie legte ihre Handarbeit zur Seite und kniete an der Tür, um durch das Schlüsselloch zu spähen.

Sie hatte einen guten Blick auf die Tür zum Flur, als Nathan diese öffnete. Draußen standen zwei attraktive Frauen ungefähr in Clarissas Alter. Hinter ihnen warteten zwei junge Männer. Der finstere Ausdruck im Gesicht der Frauen hätte Steine sprengen mögen.

Zu Clarissas Überraschung trugen beide Frauen, genau wie sie, einen kleinen Goldring in der Unterlippe.

»Sieh an, sieh an«, meinte eine der Frauen verächtlich, »wenn das nicht der Prophet höchstpersönlich ist. Wir haben uns schon gedacht, daß du es bist, Nathan, der sich in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen.«

Grinsend verbeugte sich Nathan übertrieben von der Hüfte an aufwärts. »Schwester Jodelle. Schwester Willamina. Wie schön, Euch wiederzusehen. Und mein Name ist Lord Rahl. Das gilt auch für Euch, Schwester Jodelle.«

»Lord Rahl«, äffte Schwester Jodelle ihn mit gelangweilter Stimme nach. »Ist uns bereits zu Ohren gekommen.«

Nathan begrüßte die beiden Männer, die draußen hinter den beiden Frauen im Flur standen, mit einem lässigen Wink. »Vincent, Pierce, wie schön, euch zwei Nachwuchszauberer wiederzusehen. Seid ihr gekommen, um euch einen Rat zu holen? Oder euch eine Lektion erteilen zu lassen?«

»Ein bißchen übermütig geworden, was, alter Mann?« erwiderte einer der beiden jungen Männer.

Nathans Amüsiertheit verflog. Er schnippte mit dem Finger. Der junge Mann stieß einen Schrei aus und brach zusammen.

»Ich habe es dir schon einmal erklärt, Pierce, man redet mich mit Lord Rahl an.« Nathans Stimme klang mörderischer, als Clarissa sie je gehört hatte. »Fordert mich nicht noch einmal heraus.«

Schwester Willamina bedachte Pierce mit einem finsteren Blick und erteilte ihm mit leiser Stimme einen deftigen Tadel, während er sich mühsam wieder auf die Beine erhob.

Nathan breitete einladend seine Arme aus. »Möchten die Damen nicht eintreten? Bringt Eure Knaben doch mit.«

Clarissa fand eigentlich nicht, daß sie, wie Nathan sie nannte, Knaben ähnelten. Sie mochten wenigstens Ende zwanzig sein. Die vier traten vorsichtig ein und blieben, die Hände vor dem Körper verschränkt, in einer Gruppe stehen, während Nathan die Tür wieder schloß.

»Ziemlich riskant, Na … Lord Rahl, uns vier so nah heranzulassen«, meinte Schwester Jodelle. »Für so unvorsichtig hätte ich Euch nicht gehalten, jetzt, da Ihr eine leicht gestörte Schwester überredet habt, sich Eurer zu erbarmen und Euch den Rada'Han abzunehmen.«

Nathan schlug sich auf den Schenkel und lachte heulend. Von den anderen vier verzog keiner auch nur eine Miene.

»Riskant?« wiederholte er, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. »Wieso denn das? Was habe ich von Euresgleichen denn zu befürchten? Außerdem, müßt Ihr wissen, habe ich mir den Rada'Han selbst abgenommen. Gerechterweise muß ich Euch erzählen, daß ich, während Ihr törichterweise beschlossen hattet, in mir den verrückten Alten zu sehen, Dingen nachgegangen bin, von denen Ihr nicht einmal eine Ahnung habt. Während Ihr Schwestern allesamt –«

»Kommt zur Sache«, knurrte Schwester Jodelle.

Nathan hob den Zeigefinger. »Die Sache ist folgende, meine Lieben. Ich habe zwar weder etwas gegen Euch noch gegen Euren Führer, aber ich kann Netze spinnen, die Ihr nicht begreifen würdet und gegen die Ihr Euch erst recht nicht schützen könntet, solltet Ihr mir ans Leder wollen. Ich bin zum Beispiel sicher, Ihr könnt die einfachen Schilde, die ich da und dort errichtet habe, spüren, nur gibt es hinter den Dingen, die Ihr spürt, weitere. Solltet Ihr –«

Schwester Jodelle verlor die Geduld und schnitt ihm abermals das Wort ab. »Wir sind nicht hergekommen, um uns das Geschwätz eines alten Tattergreises anzuhören. Haltet Ihr uns für dämlich? Die armselige Magie, die Ihr um diesen Ort gewoben habt, haben wir längst entdeckt, und ich versichere Euch, es ist kein einziger Bann dabei, den jede von uns nicht mit Leichtigkeit in seine Einzelteile zerlegen könnte, während sie sich dabei noch einen Teller Suppe schmecken läßt!«

Vincent schob die Schwestern zur Seite. »Ich habe diesem ausgedörrten alten Esel jetzt lange genug zugehört. Eingebildet war er ja schon immer. Langsam wird es Zeit, daß er begreift, mit wem er es zu tun hat!«

Als Vincent seine Hände hob, machte Nathan keinerlei Anstalten, sich zu verteidigen. Clarissa riß erschrocken die Augen auf, während der junge Mann die Finger krümmte und sein Gesicht sich haßerfüllt verzog. Sie schlug entsetzt die Hand vor den Mund, als aus Vincents Händen Licht in Richtung Nathan zuckte.