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Die beiden Schwestern ließen den Blick durch den luxuriösen Raum wandern und lächelten Nathan verschwörerisch an.

»Welch ein gerissener alter Mann Ihr seid«, sagte Schwester Jodelle. »Und wir dachten die ganze Zeit, Ihr wärt nur ein alter Narr, der sein Leben in seinen Gemächern fristet. Nun, Lord Rahl, wir werden Euren Vorschlag an Kaiser Jagang weiterleiten. Ich denke, er wird ihn mit äußerstem Interesse aufnehmen. Wäre der derzeitige Lord Rahl ebenso vernünftig gewesen, steckte er gegenwärtig nicht in diesen verhängnisvollen Schwierigkeiten.«

»In so vielen Jahren findet ein Mann viel Zeit zum Nachdenken.«

An der Tür drehte sich Schwester Jodelle noch einmal um. »Ich kann nicht für den Kaiser sprechen, Lord Rahl, aber ich denke, diese Neuigkeiten werden ihn aufs äußerste erfreuen. Ich glaube, wir dürfen das Ende dieses Krieges ins Auge fassen und den Sieg, der damit enden wird, daß Jagang der Name ist, den man dem Herrscher aller Menschen geben wird.«

»Ich will lediglich, daß das Morden ein Ende hat. Davon profitieren alle, Schwester. Oh, und sagt Jagang, die Sache mit Vincent tut mir leid, aber der Junge hat ihm ohnehin keine guten Dienste erwiesen.«

Schwester Jodelle zuckte die Achseln. »Ganz recht, Lord Rahl. Das hat er wirklich nicht.«

50

Richard fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und stützte die Stirn in die Hände. Er hörte, wie jemand ins Zimmer kam, und sah auf. Es war Kahlan.

Als er ihr Lächeln sah, ihre strahlend grünen Augen, ihr üppiges dichtes Haar – ihre ganze Schönheit, faßte er wieder Mut. Diese Schönheit und die Tatsache, daß sie ihn liebte, verwunderte ihn stets aufs neue.

Das Gefühl der Selbstgewißheit, das ihm diese Liebe verlieh, hätte er sich niemals träumen lassen. Er hatte sich immer vorgestellt, jemanden zu lieben, doch das Gefühl von Sicherheit und Frieden, das dies seiner Seele gab, hatte er sich nicht träumen lassen. Sollte Shota jemals versuchen, daran zu kratzen…

Kahlan hielt eine dampfende Suppenschüssel in der Hand. »Ich dachte, vielleicht möchtest du etwas essen. Seit Tagen arbeitest du jetzt schon ununterbrochen. Außerdem finde ich, du mußt mehr schlafen.«

Er warf einen kurzen Blick auf die große weiße Schüssel in ihrer Hand. »Danke.«

Sie runzelte die Stirn. »Was ist mit dir, Richard? Dein Gesicht ist weiß wie Asche.«

Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und seufzte. »Ich fühle mich ein wenig krank.«

Sie wurde ebenfalls bleich. »Krank! Richard, es ist doch nicht –«

»Nein, ist es nicht. Es rührt von diesem Buch über die Untersuchung und die Verhandlung über den Tempel der Winde her. Ich wünschte fast, ich hätte es nie entdeckt.«

Kahlan beugte sich über ihn, als sie die Schüssel abstellte. »Hier. Iß etwas.«

»Was ist es denn?« fragte Richard und schielte auf den üppigen Schwung ihres Busens, der sich im rechteckigen Ausschnitt ihres Konfessorenkleides auf und ab bewegte.

»Linsenbrei. Iß etwas. Was hast du herausgefunden?«

Richard pustete auf den Brei, um ihn zu kühlen. »Ich bin noch nicht sehr weit gekommen. Es dauert ewig. Aber nach dem bißchen, das ich mir habe zusammenreimen können, haben diese Leute … diese Zauberer … sämtliche Zauberer hingerichtet, die den Tempel der Winde fortgeschickt hatten. Die Tempelmannschaft, wie sie sie nennen. Fast einhundert Mann.« Er fuhr sich mit dem Finger über die Kehle.

Kahlan setzte sich ihm gegenüber auf die Tischkante. »Welches Verbrechen haben sie begangen, das die Todesstrafe rechtfertigt?«

Richard rührte in seinem Brei. »Nun, einerseits ließen sie, wie befohlen, einen Weg in den Tempel offen, andererseits erschwerten sie die Rückkehr in den Tempel dermaßen, daß sie den Leuten, als diese zurückkamen, um sich eine bestimmte Magie zu beschaffen und damit den Krieg zu bestreiten, nicht gelang.«

»Kolo schrieb, es seien rote Monde erschienen, und der Tempel habe eine Warnung geschickt. Willst du damit sagen, die Zauberer von damals seien gar nicht in der Lage gewesen, diese Warnung zu beherzigen?«

»Nein, so hat das nicht funktioniert. Es ist ihnen durchaus gelungen, den Tempel wieder zu betreten.« Er fuchtelte mit dem Löffel herum, um seine Worte zu unterstreichen. »Genaugenommen war das Grund für den roten Mond. Gescheitert sind sie beim zweiten Versuch hineinzugelangen, als sie auf die roten Monde reagieren wollten, die von der ersten Person, die man hineingeschickt hatte, hervorgerufen worden waren.«

Kahlan beugte sich zu ihm vor, während Richard einen Löffel Mus verschlang. »Aber diese erste Person gelangte hinein?«

»Oh, ja, er gelangte hinein. Genau darin lag das Problem.«

Kahlan schüttelte den Kopf. »Ich kann dir nicht ganz folgen.«

Richard legte den Löffel weg und lehnte sich zurück. Er sah ihr in die Augen.

»Die Tempelmannschaft, die den Tempel der Winde fortschickte, das waren dieselben Leute, die auch die Magie dort deponiert hatten. Du kennst doch einige dieser grauenerregenden magischen Wesen, die während des Krieges erschaffen wurden. Wesen, die man aus Menschen geschaffen hatte, wie zum Beispiel die Mriswith? Die Traumwandler?

Wie auch immer, die Menschen aus der Neuen Welt kämpften gegen die Menschen aus der Alten Welt, die die Magie vernichten wollten, ganz so wie Jagang heute. In gewisser Hinsicht hatten diese Leute, die die Gegenstände der Macht in die Obhut des Tempels brachten, Verständnis für die Menschen aus der Alten Welt, die die Magie vernichten wollten. Sie waren der Überzeugung, wenn man Menschen zur Schaffung dieser fürchterlichen Waffen mißbrauchte, sei dies ebenso verwerflich wie einige der Dinge, gegen die sie zu Felde zogen.«

Kahlan beugte sich fasziniert weiter vor. »Willst du damit sagen, sie haben sich auf die Seite des Feindes geschlagen? Und in Wahrheit für die Menschen in der Alten Welt gearbeitet, die die Magie vernichten wollten?«

»Nein, sie hatten es nicht darauf abgesehen, die Neue Welt zu besiegen oder alle Magie abzuschaffen. Aber sie glaubten die ganze Angelegenheit in einem größeren Zusammenhang als bloß dem Krieg zu sehen, ganz anders als die Zauberer, die hier, in der Burg, das Sagen hatten. Sie suchten einen Mittelweg, irgendwo zwischen den Fronten. Dadurch kamen sie zu dem Schluß, der Krieg und all ihre Schwierigkeiten mit dem Mißbrauch von Magie hingen zusammen. Sie kamen zu dem Schluß, man müsse etwas tun.« Kahlan strich sich ein paar Haare hinters Ohr. »Etwas tun? Und was?«

»Weißt du noch, wie es früher in der Burg von Zauberern nur so wimmelte? Als die Zauberer beide Seiten der Magie besaßen? Und die Zauberer von damals über sehr viel mehr Macht verfügten als jetzt selbst Zedd, der Oberste Zauberer? Und wie die, die mit der Gabe geboren werden, mit der Zeit immer seltener wurden?

Ich glaube, diese Zauberer haben den Tempel der Winde dazu benutzt, einen Teil der Macht der Magie aus dieser Welt abzuziehen – und sie in der Unterwelt wegzusperren, wo sie ihrer Ansicht nach nicht dazu mißbraucht werden konnte, in dieser Welt Unheil anzurichten.«

Kahlan schlug sich die Hand vor die Brust. »Gütige Seelen. Woher hatten sie das Recht, darüber zu befinden? Sie sind nicht der Schöpfer, von dem alles stammt, auch die Magie.«

Richard lächelte. »Der Vorsitzende des Untersuchungsrates war ziemlich genau derselben Ansicht. Er verlangte genau zu wissen, was sie getan hatten.«

»Und hast du die Antwort gefunden?«

»Ich bin mit meiner Übersetzung noch nicht weit gekommen und verstehe nicht, wie die Magie funktioniert, aber ich glaube, die Tempelmannschaft hat folgendes getan: Sie sperrte den Subtraktiven Teil der Magie der Zauberer weg. Diesen hatte man dazu benutzt, Menschen in diese Waffen zu verwandeln. Mit ihm nahm man diesen Menschen einen Teil ihrer Eigenschaften, jenen Teil, den diese Zauberer nicht wollten, um ihnen anschließend mit Hilfe von Additiver Magie jenen Teil hinzuzufügen, den man benötigte, um diese Menschen als Waffe mißbrauchen zu können.«