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Darauf wußte Kahlan keine Antwort.

»Lord Rahl«, meinte Cara. »Ich gehe jetzt hinauf zur Sliph und löse Berdine ab.«

»Ich werde Euch begleiten. Mich interessiert, ob Berdine etwas in dem Tagebuch gefunden hat. Außerdem möchte ich für eine Weile hier raus. Willst du mich begleiten?« fragte er Kahlan.

Sie zog ihn fest an sich. »Gerne.«

Berdine hatte sich über das Tagebuch gebeugt und las. Die Sliph wandte den Blick Richard zu, noch bevor die Mord-Sith aufsah.

»Möchtest du reisen, mein Herr und Meister? Du wirst zufrieden sein.«

»Nein«, antwortete Richard, als das Echo ihrer unheimlichen Stimme verhallt war. »Danke, Sliph, aber im Augenblick nicht.«

Berdine lehnte sich zurück, reckte die Arme und gähnte. »Bin ich froh, daß du kommst, Cara. Mir fallen die Augen zu.«

»Du siehst wirklich aus, als könntest du ein wenig Schlaf gebrauchen.«

Richard deutete auf das aufgeschlagene Tagebuch vor ihr auf dem Tisch. »Irgend etwas Neues?«

Berdine betrachtete beim Aufstehen kurz die Sliph. Sie nahm das Tagebuch in die Hand, drehte es herum und hielt es ihm hin. Dann beugte sie sich vor und senkte die Stimme.

»Ihr erinnert Euch doch noch, wie Ihr mir von den Worten des Mannes kurz vor seiner Hinrichtung erzählt habt. Was er über die leidigen … Frauen sagte, die auch ein Recht auf ihr Leben hätten?«

Richard wußte, wovon Berdine sprach. »Ja. Ihr meint den Zauberer Ricker.«

»Genau den. Nun, Kolo erwähnt es kurz.« Sie tippte auf eine Stelle im Tagebuch. »Hier.«

Richard studierte den Satz einen Augenblick lang, bis er ihn im Kopf übersetzt hatte. »›Rickers leidige Prostituierte beobachtet mich, während ich hier sitze und darüber nachdenke, welchen Schaden die Mannschaft angerichtet hat. Heute hörte ich, daß wir Lothian verloren haben. Ricker hat seine Rache bekommen.‹«

»Wißt Ihr, wer dieser Lothian ist?« fragte Berdine.

»Er war der oberste Ankläger im Verfahren des Tempels der Winde. Er war es, der loszog, um den Schaden zu beheben, den die Mannschaft angerichtet hatte.«

Richard hob den Kopf. Die Sliph beobachtete ihn. Er trat zu ihr.

Die Idee war ihm zuvor nie gekommen. Wieso hatte er daran noch nicht gedacht?

»Sliph.«

»Ja, mein Herr und Meister. Du möchtest reisen? Komm, du wirst zufrieden sein.«

»Nein, ich möchte nicht reisen, sondern mit dir reden. Erinnerst du dich an die Zeit, es ist lange her, als ein gewaltiger Krieg tobte?«

»Lang? Ich bin lang genug, um zu reisen. Sag mir, wohin du willst. Du wirst zufrieden sein.«

»Nein, ich spreche nicht vom Reisen. Kannst du dich an Namen erinnern?«

»Namen?«

»Namen. Erinnerst du dich an den Namen Ricker?«

Das silberne Gesicht sah ihn ohne Regung an. »Ich verrate meine Kunden nie.«

»Sliph, du warst mal ein Mensch, nicht wahr? Ein Mensch wie ich?«

Die Sliph lächelte. »Nein.«

Richard legte eine Hand auf Kahlans Schulter. »Ein Mensch wie sie?«

Das silberne Lächeln wurde breiter. »Ja, ich war eine Hure wie sie.«

Kahlan hüstelte. »Ich glaube, Richard wollte fragen, ob du eine Frau warst, Sliph.«

»Ja, ich war auch eine Frau.«

»Wie lautete dein Name?« fragte Richard.

»Name?« Die Sliph runzelte die Stirn, als wäre sie verwirrt. »Ich bin die Sliph.«

»Wer hat dich zur Sliph gemacht?«

»Einige meiner Kunden.«

»Warum? Warum haben sie dich zur Sliph gemacht?«

»Weil ich meine Kunden niemals preisgebe.«

»Sliph, könntest du das vielleicht etwas genauer erklären?«

»Einige der Zauberer hier in diesem Palast waren meine Kunden. Die Allermächtigsten. Ich war eine sehr wählerische Hure und sehr teuer. Viele der Zauberer wetteiferten um Macht. Manche wollten mich dazu benutzen, einige meiner Kunden zu verschleppen. Wieder andere wollten mich für ihr Vergnügen haben, aber nicht die Art von Vergnügen, das ich ihnen bot. Ich gebe meine Kunden niemals preis.«

»Du willst damit sagen, sie wären erfreut gewesen, hättest du ihnen die Namen der Zauberer verraten, die zu dir kamen, und darüber hinaus noch etwas mehr über diese Besuche?«

»Ja. Meine Kunden hatten Angst, diese anderen würden mich für ihr Vergnügen benutzen, deshalb machten sie mich zur Sliph.«

Richard wandte sich ab. Er raufte sich die Haare. Sogar noch während des Krieges gegen den Feind hatten sie sich untereinander bekämpft. Als er seine Gedanken endlich wieder geordnet hatte, drehte er sich wieder zu dem wunderschönen silbernen Gesicht um.

»Diese Männer sind mittlerweile alle tot, Sliph. Es lebt niemand mehr, der diese Männer kennt. Es gibt keine Zauberer mehr, die um Macht wetteifern. Könntest du mir ein wenig mehr erzählen?«

»Sie schufen mich und erklärten mir, ich würde ihre Namen Zeit ihres Lebens nicht aussprechen können. Dies würde ihre Kraft verhindern. Wenn es stimmt, daß ihre Seelen aus dieser Welt geschieden sind, dann ist das nicht mehr von Bedeutung, und ich kann ihre Namen preisgeben.«

»Lothain war einer deiner Kunden, nicht wahr? Und dieser andere Zauberer, Ricker, hielt ihn für einen Heuchler.«

»Lothain.« Das quecksilbrige Gesicht bekam einen milderen Zug, als sie offenbar den Namen in Gedanken ausprobierte. »Zauberer Ricker kam zu mir und sagte, dieser Lothain sei der oberste Ankläger und eine abscheuliche Bestie, der sich gegen mich wenden würde. Ich sollte ihm helfen, Lothain loszuwerden. Ich weigerte mich, meine Kunden zu nennen.«

Richard sprach in die Stille hinein. »Und Rickers Worte stellten sich als wahr heraus. Lothain wandte sich gegen dich und machte dich zur Sliph, damit du nicht gegen ihn aussagen konntest.«

»Ja. Ich erklärte ihm, ich gäbe meine Kunden niemals preis. Er müsse nicht fürchten, daß ich etwas ausplaudere. Er meinte, das spiele keine Rolle, ich sei nur eine Hure, und die Welt werde mich nicht vermissen. Er verdrehte mir den Arm und tat mir weh. Er benutzte mich ohne meine Einwilligung für sein Vergnügen. Nachdem er fertig war, lachte er, und dann sah ich einen Lichtblitz in meinem Kopf.

Anschließend kam Ricker zu mir und erklärte mir, er werde Lothain und Zauberern wie ihm das Handwerk legen. Am Rand meines Brunnens saß er, weinte und sagte, was man mir angetan hätte, tue ihm leid. Er erklärte mir, er wolle der Art und Weise, wie die Magie die Menschen zerstörte, ein Ende bereiten.«

»Warst du traurig?« fragte Berdine. »War es traurig, zur Sliph gemacht zu werden?«

»Sie nahmen mir die Traurigkeit, als sie mich schufen.«

»Haben sie dir auch das Glück genommen?« fragte Kahlan leise.

»Sie ließen mir nur die Pflicht.«

Selbst in diesem Punkt war ihnen ein Fehler unterlaufen. Sie ließen einen Teil der Person, die die Sliph einst gewesen war, übrig, um diese ausnutzen zu können. Dieser Teil unterwarf sich allerdings jedem, der den geforderten Preis bezahlte: Magie. Bei der Einschätzung ihres Wesens war ihnen ein Fehler unterlaufen. Sie benutzten sie, mußten sie aber bewachen, weil sie sich jedem andiente – selbst dem Feind –, der den erforderlichen Preis zahlen konnte.

»Sliph«, sagte Richard. »Es tut mir sehr leid, daß die Zauberer dir das zugefügt haben. Dazu hatten sie kein Recht. Es tut mir sehr leid.«

Die Sliph lächelte. »Zauberer Ricker erklärte mir, sollte irgend ein Herr und Meister jemals diese Worte zu mir sprechen, dann soll ich ihm folgendes von ihm überbringen: ›Abwehr links hinein. Abwehr rechts heraus. Hüte dein Herz vor Stein.‹«

»Was soll das bedeuten?«

»Er hat mir die Worte nicht erklärt.«

Richard war übel. Würden sie wegen eines dreitausend Jahre alten Machtkampfes sterben? Vielleicht hatte Jagang recht. Möglicherweise hatte die Magie wirklich keinen Platz mehr in dieser Welt.

Richard drehte sich zu den anderen um.

»Berdine, Ihr braucht Schlaf. Raina muß früh auf den Beinen sein, um Cara abzulösen. Sie muß ebenfalls ins Bett. Stellt eine Wache vor Kahlans Gemächern auf, und dann ruht Ihr Euch beide etwas aus. Mir reicht es ebenfalls für heute.«