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Vernas versagte die Stimme. »Wie ertragt ihr das alles nur?«

Janet preßte eine Faust auf ihr Herz. »Wir sind Schwestern des Lichts, wir müssen es für den Schöpfer über uns ergehen lassen.«

Verna und Warren sahen sich einen Augenblick lang besorgt an. »Weißt du, wo wir sie finden können? Vielleicht könnten wir sie suchen gehen und mitnehmen?«

Janet schüttelte den Kopf. »Wir werden von Zelt zu Zelt weitergereicht. Sie könnte überall sein. Das Armeelager erstreckt sich meilenweit in alle Richtungen.

Vor nicht allzu langer Zeit wurden weitere gefangene Frauen hierhergeschafft. Ihre Schreie sind überall zu hören, deshalb können wir uns nicht einfach nach ihnen richten. Außerdem, wenn wir draußen zwischen den Zelten herumlaufen, dauert es vermutlich keine fünf Minuten, bis man uns in eins hineinzerrt.«

»Wie lange noch?« fragte Verna. »Wann kehrt Amelia zurück?«

»In fünf Tagen. Aber danach wird sie mindestens noch ein, vielleicht zwei Tage nicht laufen können.«

Verna hielt ihren Zorn fest im Griff. »Nichts spricht dagegen, daß ich meine Gabe einsetze, um sie wieder gesund zu machen, wenn sie wieder hier ist.«

Janet sah auf. »Das ist wahr. Also dann fünf Tage. Morgen nacht ist Vollmond. Also vier Tage nach Vollmond.«

»Kannst du von hier fort? Um dich mit uns zu treffen? Ich glaube nicht, daß wir noch einmal hierherkommen können.«

»Sehr weit werde ich nicht kommen. Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie Ihr hier hereingelangt seid.«

Verna sah die Frau verkniffen lächelnd an. »Ich bin nicht umsonst Prälatin. Warren hat ebenfalls mitgeholfen. Wir werden zurückkehren, vier Tage nach Vollmond.«

»Da ist noch etwas, Verna. Wenn Jagang nicht in meine Träume eindringen kann, wird er wissen, daß etwas nicht in Ordnung ist.«

Verna nahm ihr Gesicht in beide Hände. »Aber du hast das Gelübde bereits abgelegt. Du kannst es nicht rückgängig machen, sonst verliert es seine Bedeutung. Du hast Richard dein Herz bereits geschenkt.«

»Dann werde ich mich vorsehen müssen.«

»Schaffst du das? Wirst du damit durchkommen?«

Janet legte ihre Finger an die Lippen. »Welche Wahl habe ich? Ich muß.«

Verna hielt ihr ihren Dacra hin. »Hier. Dann kannst du dich wenigstens schützen.«

Janet wies ihn von sich, als sei er giftig. »Wenn ich mit diesem Ding erwischt werde, schickt man mich für ein ganzes Jahr in die Zelte.«

»Na ja, zumindest kannst du von deiner Gabe Gebrauch machen, jetzt, wo Jagang dich nicht mehr daran hindern kann.«

»Hier wird mir das nichts nützen. Jagang hat die völlige Kontrolle über alle mit der Gabe, die sich hier befinden – Schwestern und Zauberer. Wenn ich versuchte, meine Gabe gegen sie einzusetzen, wäre das, als wollte man gegen den Wind spucken.«

»Ich weiß. Deswegen können wir die anderen jetzt auch nicht mitnehmen. Wir würden es niemals schaffen. Die Schwestern der Finsternis würden sich gegen uns stellen und uns mit ihrer Subtraktiven Magie in Stücke schneiden.« Verna preßte die Lippen aufeinander. »Bist du ganz sicher, daß du das willst, Janet?«

»Wenn ich einer Schwester in ärgster Not nicht helfe, was hat mein Gelübde als Schwester des Lichts dann für einen Wert? Eine ist vom Hüter zu uns zurückgekommen, vielleicht kann sie uns beibringen, wie wir auch die anderen wiedergewinnen.«

Daran hatte Verna überhaupt noch nicht gedacht. Warren machte ungeduldig Zeichen mit den Augen. Sie sah, wie er die Kiefermuskeln anspannte.

Janet bemerkte es ebenfalls. Sie packte Verna an den Schultern und küßte sie auf beide Wangen. Dann drehte sie sich um und umarmte Warren.

»Bitte, Verna, ihr beide müßt von hier verschwinden, bevor es zu spät ist. Fünf Tage halte ich durch. Ich weiß, wie man vor Jagang katzbuckelt. Er ist sehr beschäftigt, vielleicht gelingt es mir, ihm bis dahin nicht unter die Augen zu treten.«

»Also gut. Wo? Wir sind entlang der Küste nach Grafan gekommen, und ich kenne die geographischen Gegebenheiten nicht.«

»Entlang der Küste? Dann habt ihr bestimmt das Wachhaus an den Hafenanlagen passiert.«

»Ja, ich habe das Haus gesehen, aber es waren Wachen darin.«

Janet beugte sich vor. »Aber dich hindert nichts daran, die Gabe zu benutzen. Die Wachablösung erfolgt bei Sonnenuntergang. Wartet, bis ihr die Ablösung seht, dann bringt sie zum Schweigen. Dort könnt ihr in Sicherheit bis Einbruch der Dämmerung warten. Irgendwann im Laufe der Nacht werde ich mit Amelia dort eintreffen.«

»Also dann im Wachhaus. In der vierten Nacht nach Vollmond.«

Janet nahm sie kurz in den Arm. »Fünf Nächte, dann sind wir frei. Beeilt euch. Verschwindet von hier.« Warren packte Vernas Arm und zerrte sie zur Tür hinaus.

54

Bald nach dem Aufwachen, kurz vor der Dämmerung, stand Richard vor seinem Schlafgemach und las den morgendlichen Bericht. Zum ersten Mal war die Zahl der Toten in einer Nacht über eintausend geklettert. Eintausend Tragödien in einer einzigen Nacht.

Ulic stand, die massigen Arme verschränkt, nicht weit entfernt und erkundigte sich nach der Zahl. Ein seltenes Ereignis, daß Ulic eine Frage stellte. Richard brachte kein Wort heraus. Er reichte seinem Leibwächter den Bericht. Dem Mann entfuhr ein tiefer Seufzer, als er die Zahl las.

Die Stadt war ein Trümmerhaufen. Der Handel war zusammengebrochen, die Lebensmittel wurden knapp. Feuerholz, sowohl zum Heizen als auch zum Kochen, war kaum mehr zu bekommen. Es war schwierig, irgendwelche Unterstützung zu erhalten, entweder, weil die Menschen Angst hatten, ihre Waren in die Stadt zu transportieren, weil sie ihre Häuser verlassen hatten und aus der Stadt geflohen waren oder weil sie tot waren.

Nur Heilmittel gab es in den Straßen noch im Überfluß.

Richard blieb auf seinem Weg ins Arbeitszimmer neben einem langen Wandbehang mit einer städtischen Marktszene stehen. Sein Schatten kam neben ihm zum Stehen. Die Vorstellung, weiter das Buch zu übersetzen, erzeugte bei ihm ein Gefühl von Übelkeit. Er würde ohnehin nichts Neues herausfinden. Er steckte in einem langweiligen Bericht über eine Untersuchung der Geschäfte fest, die Zauberer Ricker mit einem Volk, das man Andolier nannte, betrieben hatte. Der Bericht war langatmig und ergab wenig Sinn für ihn.

So früh am Tag fand Richard die Vorstellung, an dem Buch zu arbeiten, unerträglich. Außerdem war ihm schlecht vor Sorge um Raina. Ihr Zustand hatte sich im Lauf der vergangenen Woche ständig verschlechtert. Man konnte nichts für sie tun, jedenfalls nicht mehr als für die eintausend Menschen, die es während der vergangenen Nacht dahingerafft hatte.

Shota hatte Kahlan erzählt, der Tempel der Winde werde eine weitere Botschaft schicken, werde verraten, wie man in ihn hineingelangte. Die Seelen hatten ihr dasselbe gesagt. Wieso war sie nicht eingetroffen? Würden sie etwa alle tot sein, bevor die Winde Nachricht gaben?

Richard blickte aus dem Ostfenster und sah, wie die ersten Strahlen der Morgensonne zwischen den Bergen hervorbrachen. Wegen der zunehmenden Bewölkung, die, wie er bemerkt hatte, von Westen her aufzog, wußte er, daß sie den Vollmond in dieser Nacht nicht zu sehen bekommen würden.

Er begab sich zu Kahlans Gemach. Er brauchte etwas, das ihn aufmunterte. Ulic bezog an der Flurecke neben Egan Posten. Egan hatte in der vergangenen Nacht vor Kahlans Zimmer Wache geschoben.

Richard wurde von Nancy begrüßt, die gerade aus der Tür herauskam.

»Ist Kahlan auf?«

Nancy zog die Tür hinter sich zu. Sie blickte den Flur entlang und sah Ulic und Egan. Die beiden waren zu weit entfernt, um etwas mitzubekommen.

»Ja, Lord Rahl. Sie ist heute morgen nur ein wenig langsam. Sie fühlt sich nicht gut.«

Richard packte die Frau am Arm. Er fand, Kahlan wirkte seit ein paar Tagen so, als ginge es ihr nicht gut, doch sie hatte seine Besorgnis hartnäckig zerstreut. Richard spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.