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»Was ist mir ihr? Ist sie … krank? Sie hat doch nicht –?«

»Nein, nein«, wiederholte Nancy beharrlich, als sie plötzlich merkte, daß sie ihm einen Todesschrecken eingejagt hatte. »Nichts dergleichen.«

»Was ist es dann?« drängte Richard.

Die Frau tätschelte ihren Unterleib und beugte sich näher vor. Sie senkte die Stimme zu wenig mehr als einem Flüstern. »Es ist nur ihr Mondzyklus, das ist alles. Noch ein paar Tage, dann ist es vorbei. Ich würde es nicht erwähnen, aber angesichts der Pest wollte ich nicht, daß Ihr Euch zu Tode sorgt. Erzählt Ihr nur nicht, daß ich es Euch verraten habe, sonst reißt sie mir den Kopf ab.«

Richard seufzte und lächelte erleichtert. Dankbar drückte er Nancys Hand.

»Natürlich nicht. Danke, Nancy Ihr wißt gar nicht, wie mich das beruhigt. Ich könnte es nicht ertragen, wenn sie…«

Nancy berührte ihn am Arm und bedachte ihn mit einem warmen Lächeln. »Ich weiß. Sonst hätte ich auch nichts gesagt.«

Nachdem Nancy den Gang hinunter verschwunden war, klopfte Richard an die Tür. Kahlan hatte sie gerade öffnen wollen und war überrascht, ihn vor sich zu sehen.

Sie blickte ihn lächelnd an. »Ich habe mich getäuscht.«

»Wieso?«

»Du siehst noch besser aus als in meiner Erinnerung.«

Richard schmunzelte. Schon hatte sie ihn aufgemuntert. Als sie sich auf die Zehenspitzen stellte und die Lippen schürzte, gab er ihr rasch einen Kuß.

Er nahm ihre Hand. »Ich wollte gerade nach Raina sehen. Hast du Lust mitzukommen?«

Sie nickte, dabei wich ihr die Freude wie ein Spuk aus dem Gesicht.

Nicht weit von ihrem Zimmer kam ihnen Berdine entgegen. Ihre Augen waren gerötet und wirkten müde. Sie trug ihre rote Lederkleidung. Richard erkundigte sich nicht, warum.

»Lord Rahl, bitte … Raina fragt nach Euch.«

Richard legte ihr einen Arm um die Schultern. »Wir waren gerade auf dem Weg zu ihr. Gehen wir.«

Richard erkundigte sich nicht nach Berdines Befinden. Es war offenkundig, daß sie krank vor Sorge war.

»Manch einer hat sich schon von der Pest erholt, Berdine. Niemand ist stärker als Raina. Sie ist eine Mord-Sith. Sie wird zu denen gehören, die wieder auf die Beine kommen.«

Berdine nickte benommen.

Raina lag auf ihrem Bett. Sie trug ihre rote Lederkleidung.

Noch in der Tür beugte Richard sich zu Berdine und fragte leise: »Wieso ist sie angezogen?« Die naheliegende Frage, wieso sie ihre rote Lederkleidung anhatte, stellte er nicht.

Berdine klammerte sich an seinen Arm. »Sie bat mich, ihr das rote Leder der Mord-Sith« – Berdine unterdrückte ein leises Schluchzen – »für ihren letzten Kampf anzulegen.«

Richard ließ sich neben dem Bett auf die Knie sinken. Rainas halbgeöffnete Augen wandten sich ihm zu. Der Schweiß lief ihr über das Gesicht. Ihre Unterlippe zitterte.

Sie ergriff Richards Arm. »Lord Rahl … bitte, bringt Ihr mich nach draußen, damit ich Reggie sehen kann?«

»Reggie?«

»Die Streifenhörnchen … bitte bringt mich hinaus, damit ich ihn füttern kann. Das ist der, dem das Ende seines kleinen Schwänzchens fehlt.«

Das brach ihm fast das Herz. Er setzte ein Lächeln für sie auf. »Es wäre mir eine Ehre.«

Dann nahm er sie in die Arme. Sie hatte viel Gewicht verloren. Sie wog kaum noch etwas.

Raina schlang ihm einen geschwächten Arm um den Hals und schmiegte ihren Kopf an seine Schulter, während er sie durch die Flure trug.

Neben ihnen ging Berdine und hielt ihre andere Hand. Kahlan hielt sich auf Richards anderer Seite. Ulic und Egan marschierten hinterher.

Überall traten Soldaten, den Blick zu Boden gesenkt, aus dem Weg und salutierten mit einem Faustschlag aufs Herz, als Richard und die kleine Prozession vorüberzogen.

Der Salut galt Raina.

Draußen angekommen, setzte Richard sich im steinernen Innenhof in das Licht der aufgehenden Sonne und nahm Raina auf seinen Schoß. Kahlan ließ sich auf seiner anderen Seite nieder, Ulic und Egan, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, standen nicht weit entfernt im Hintergrund. Richard sah, wie die eine oder andere Träne über die Wangen ihrer verschleierten Gesichter kullerte.

»Da drüben«, sagte Richard zu Kahlan und deutete mit seinem Kinn auf die Stelle. »Gib mir die Schachtel.«

Kahlan drehte sich suchend um und sah, was er meinte. In einer Schachtel unter der Steinbank bewahrte er Körner auf. Sie nahm den klemmenden Deckel ab und hielt ihm die Schachtel hin.

Richard nahm eine Handvoll Körner heraus und warf ein paar vor ihnen auf die Erde. Die restlichen ließ er in Rainas knochendürre Hand rinnen.

Es dauerte nicht lange, und zwei Streifenhörnchen kamen mit federnden Schwänzen über den Rasen gesprungen. Richard hatte sie oft genug gefüttert, daher wußten sie, das Erscheinen von Menschen verhieß einen Leckerbissen. Zwischen von lautem Schnattern begleiteten Versuchen, sich gegenseitig fortzujagen, stopften sie sich, so gut es irgend ging, die Backen mit Körnern voll.

Raina sah ihnen aus nur halb geöffneten Augen dabei zu.

Ihr Strafer baumelte an einer Kette am Gelenk der Hand, die Berdine hielt.

Die beiden Streifenhörnchen flitzten mit vollen Backen in ihren Bau, um ihre Beute zu verstauen.

Raina ließ den Arm nach außen gleiten und legte die Hand aufs Pflaster. Sie öffnete die Finger. Bei jedem ihrer flachen Atemzüge rasselten ihre Bronchien.

Berdine streichelte zärtlich Rainas Stirn.

Unter einem Busch kam ein weiteres Streifenhörnchen hervor. Es lief ein Stück auf sie zu, erstarrte plötzlich, prüfte, ob Gefahr drohte, dann huschte es den Rest des Weges herbei. Am Ende seines Schwanzes fehlte ihm ein Stück.

»Reggie«, hauchte Raina.

Sie lächelte, als Reggie in ihre geöffnete Hand kletterte. Dort hockte er und stemmte sich mit seinen kleinen Pfoten gegen ihre Finger, während er sich mit der Zunge Körner ins Maul stopfte. Dann hielt er inne und richtete sich in ihrer Hand auf, um die in die Backen gestopften Körner zu sortieren. Zufrieden ließ er sich wieder zusammensacken und stemmte seine kleinen Füße abermals gegen Rainas Finger.

Der Mord-Sith entfuhr ein leises Lachen.

Berdine küßte sie auf die Stirn. »Ich liebe dich, Raina«, sagte sie leise.

»Ich liebe dich, Berdine.«

Richard spürte, wie Rainas Muskeln erschlafften, als sie in seinen Armen starb, während Reggie dahockte und ihr Körner aus der Hand fraß.

55

Kahlan stand hinter Richard, der auf seinem Stuhl in seinem Arbeitszimmer saß, hatte ihm die Arme um den Hals geschlungen, die Wange auf den Kopf gelegt und weinte.

Richard rollte Rainas Strafer zwischen seinen Fingern hin und her. Berdine hatte gemeint, Raina habe gewollt, daß er ihn bekomme.

Die Mord-Sith hatte um Erlaubnis gebeten, zur Burg der Zauberer hinaufgehen und es Cara mitteilen zu dürfen. Sie hatte auch gefragt, ob sie deren Schicht bei der Wache der Sliph übernehmen könne, da Cara bereits die letzten drei Tage oben gewesen war.

Richard hatte ihr erklärt, sie möge tun, was immer sie wolle und so lange sie wolle, und wenn er ihre Wachschicht übernehmen oder ihr Gesellschaft leisten solle, brauche sie nur zu fragen. Sie hatte geantwortet, sie wolle lieber eine Weile alleine sein.

»Wieso hat der Tempel keine Nachricht geschickt?«

Kahlan strich ihm übers Haar. »Ich weiß es nicht.«

»Was sollen wir bloß tun?« fragte er. Er erwartete keine Antwort. »Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll.«

Kahlan ließ ihre Hände von seinen Schultern über die Oberarme gleiten. »Glaubst du, du findest in den Aufzeichnungen über die Verhandlung einen Hinweis?«

»Nach allem, was ich weiß, könnte es die allerletzte Zeile sein, die mir irgend etwas Brauchbares liefert.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Wir werden alle längst tot sein, bevor ich die letzte Zeile übersetzt habe.«

Richard hakte Rainas Strafer zum Amulett an die Kette auf seiner Brust. Die rote Farbe des Strafers paßte gut zu dem Rubin.