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Es war eine ganze Weile still im Raum, bevor er es aussprach: »Jagang wird gewinnen.«

Kahlan drehte seinen Kopf zu sich herum. »Das darfst du nicht sagen.«

Er zwang sich zu lächeln. »Du hast recht. Wir werden ihn besiegen.«

An der Tür klopfte es. Auf Richards Frage, wer dort sei, steckte Ulic den Kopf zur Tür herein.

»General Kerson möchte wissen, ob Ihr ihm eine Minute Eurer Zeit widmen könntet, Lord Rahl.«

Kahlan gab Richard einen leichten Klaps auf die Schulter. »Ich werde gehen und Drefan und Nadine von Rainas Tod erzählen.«

Richard brachte sie zur Tür. Draußen wartete General Kerson, in der Hand die üblichen Berichte.

»Ich komme gleich nach«, sagte Richard.

Kahlan ging und überließ es Richard, sich die Berichte des Generals anzuhören. Egan schloß sich ihr an. Es war ein eigenartiges Gefühl, von Egan alleine beschützt zu werden, ohne eine Mord-Sith. Früher schien stets eine von ihnen in der Nähe gewesen zu sein.

»Mutter Konfessor«, setzte Egan an, »soeben sind im Palast einige Personen eingetroffen, die Euch und Lord Rahl sprechen möchten. Ich habe ihnen erklärt, alle seien sehr beschäftigt. Ich wollte Lord Rahl nicht unnötig damit belasten.«

»Angesichts des ganzen Ärgers ist der Saal der Bittsteller sicher voll von Menschen, die uns sprechen wollen.«

»Sie warten nicht im Saal der Bittsteller. Die Wachen haben sie angehalten, als sie einen der Empfangssäle betreten wollten. Sie sind nicht gerade überheblich, so wie manche anderen Abgesandten, die ich erlebt habe, aber sie legen eine merkwürdige Hartnäckigkeit an den Tag.«

Kahlan sah den riesenhaften, blonden D'Haraner stirnrunzelnd an. »Haben sie gesagt, wer sie sind? Hast du das herausfinden können?«

»Sie sagten, sie seien Andolier.«

Kahlan blieb mit einem Ruck stehen und packte Egans mächtigen Arm. »Andolier! Und die Wachen haben sie hereingelassen? Sie haben Andolier in den Palast gelassen?«

Egan runzelte verwirrt die Stirn. »Ich weiß nicht, wie sie hereingekommen sind. Nur, daß sie hier sind. War das falsch, Mutter Konfessor?«

Die Hand des Mannes ging sofort zum Schwert. »Nein, das eigentlich nicht. Nur … Gütige Seelen, wie soll man jemandem die Andolier erklären?« Sie suchte nach den passenden Worten. »Genaugenommen sind sie – gar keine Menschen.«

»Wie soll ich das verstehen?«

»Es gibt Geschöpfe der Magie, die in den Midlands leben, und es gibt Menschen mit Magie in den Midlands. Manchmal fällt es schwer, zwischen ihnen eine Trennlinie zu ziehen. Einige dieser Menschen mit Magie sind teils Kreatur – wie eben die Andolier.«

»Mit Magie?« fragte Egan, offensichtlich angewidert. »Sind sie gefährlich?«

Schweren Herzens entschied Kahlan sich anders und begab sich statt dessen zum Empfangssaal. »Im Grunde nicht. Jedenfalls normalerweise nicht. Vorausgesetzt, man weiß mit ihnen umzugehen.

Niemand kennt die Andolier genauer. Wir lassen sie in Frieden. Die meisten Völker der Midlands hegen eine starke Abneigung gegen sie. Die Andolier stehlen. Dabei geht es ihnen nicht um den Wert der Gegenstände, sondern sie sind einfach von bestimmten Dingen fasziniert. Meist von Dingen, die glänzen. Ein Stück Glas, eine Goldmünze oder ein Knopf – für sie bedeutet das alles dasselbe.

Die Menschen mögen die Andolier nicht, weil sie fast genau so aussehen wie du und ich. Deshalb denken die Menschen, sie müßten sich benehmen wie sie. Doch im Grunde sind es gar keine.

Gewöhnlich lassen sie sich nur aus reiner Neugier irgendwo blicken. Im Palast erhalten sie keinen Einlaß, weil sie sehr zwiespältige Gefühle wecken. Am besten sperrt man sie aus. Aufgrund ihrer Magie können sie ziemlich unangenehm werden, wenn man versucht, sie in die Schranken zu weisen. Sehr unangenehm.«

»Vielleicht sollte ich sie von den Soldaten hinauswerfen lassen.«

»Nein. Das könnte sehr gefährlich werden. Der Umgang mit ihnen erfordert eine ganz bestimmte Art von Protokoll. Glücklicherweise ist mir dieses Protokoll geläufig. Ich werde dafür sorgen, daß sie wieder verschwinden.«

»Und wie?«

»Die Andolier lieben es, Nachrichten zu überbringen. Das mögen sie lieber als alles andere – sogar noch lieber als glänzende Gegenstände. Ganz besonders gefällt es ihnen, Menschen Nachrichten zu überbringen. Vermutlich fühlen sie sich der menschlichen Seite zugehöriger, wenn sie in die Angelegenheiten der Menschen einbezogen werden.

Einige der Völker der Midlands setzen sie zu eben diesem Zweck ein. Andolier sind zuverlässiger als jeder Kurier. Sie sind bereit, es für einen glänzenden Knopf zu tun. Ja, sogar ohne Gegenleistung übernehmen sie jeden Auftrag. Das Überbringen von Nachrichten ist ihr Leben.

Ich brauche ihnen nur eine Botschaft zu geben, die sie übermitteln sollen, und sie werden sich sofort auf den Weg machen. Das ist die einfachste Methode, einen Andolier loszuwerden.«

»Die Frage ist nur, ob wir sie alle auf diese Weise loswerden«, meinte Egan, sich am Kopf kratzend.

»Alle? Gütige Seelen, sag bloß, es sind mehr als nur ein paar.«

»Sie sind zu siebt. Sechs Frauen, die alle gleich aussehen, sowie ein Mann.«

Kahlan blieb stehen. »Das glaube ich einfach nicht. Das müßten dann ja Legat Rishi und seine sechs Frauen sein, alles Schwestern. Die sechs Schwestern stammen übrigens alle aus einem … Wurf.«

Nach Ansicht der Andolier war nur ein Wurf von sechs Weibchen geeignet, die Frauen eines Legaten zu werden. Kahlan drehte sich der Kopf, als sie versuchte, sich trotz der Niedergeschlagenheit über Rainas Tod, über all die Toten zu konzentrieren. Sie mußte sich überlegen, wohin sie die Andolier schicken konnte, und dazu eine Nachricht, die sie überbringen sollten.

Vielleicht etwas über die Pest. Sie konnte sie mit einer Pestwarnung irgendwohin schicken. Vielleicht nach Süden, in die Wildnis. Die Stämme und Völker der Wildnis waren den Andoliern gegenüber toleranter als die meisten anderen Völker der Midlands.

Ein dichtes Gedränge aus waffenstrotzenden Wachen füllte die Flure rings um den Empfangssaal. Zwei Männer mit Langspießen öffneten die hohe, mit Mahagoni getäfelte Doppeltür, als Kahlan und Egan sich ihr näherten.

Bei dem Saal, in dem die Andolier warteten, handelte es sich um einen der kleineren ohne Fenster. Skulpturen jeder Art, angefangen bei Herrscherbüsten bis hin zu einem Bauern mit Ochsen, größtenteils aus blassem Marmor gearbeitet, ruhten auf quadratischen Granitblöcken, die man hinten vor die dunklen Wände gestellt hatte. Hinter jeder Skulptur hing ein als Verzierung dienender Wandbehang in tiefem Kastanienbraun, den man vor Halbsäulen aus dunkelviolettem Marmor zurückgebunden hatte, welche zwischen den einzelnen Skulpturen vor die Wand gesetzt worden waren. Das erweckte den Anschein, als werde jedes Einzelstück auf einer Bühne zur Schau gestellt, deren Vorhänge sich soeben öffneten.

Vier voneinander getrennte Trauben reich verzierter Lampen mit Zylindern aus geschliffenem Glas hingen an silbernen Ketten. Wegen des düsteren Dekors schafften es die vielen Lampen kaum, die Atmosphäre im Saal über eine gewisse bedrückende Stimmung hinaus aufzuhellen. Drei schwere, dunkle Tische ruhten auf dem schwarzen Marmorboden.

Vor einem dieser Tische standen die Andolier. Die sechs Schwestern waren rank und schlank und für Kahlan unmöglich auseinanderzuhalten. Ihr Haar hatten sie mit den Beeren des Hassetbusches, der in der Heimat der Andolier gedieh, leuchtend orange eingefärbt. Sie lebten weit entfernt und hatten eine lange Reise auf sich genommen, um nach Aydindril zu gelangen.

Mit ihren großen, runden Augen verfolgten sie, wie Kahlan auf sie zuging. Das orangefarbene Haar, zu Hunderten von kleinen Zöpfen geflochten, ließ die Frauen aussehen, als trügen sie Perücken aus Garn. In dieses garnartige Haar hineingeflochten waren kleine, glänzende Gegenstände – Knöpfe, Metallfetzen, Gold- und Silbermünzen, Glasscherben, Obsidiansplitter – alles, was sie ihrem Geschmack entsprechend für glänzend genug befunden hatten.

Alle sechs waren in schlichte, aber elegante Gewänder aus einem durchscheinenden, satinähnlichen Stoff gekleidet. Trotz allem, was Kahlan über die Andolier wußte – angeblich konnte bereits ein einfaches Gewitter sie winselnd und schutzsuchend unter einen Busch oder in ein Erdloch treiben –, strahlten sie eine gewisse Noblesse aus. Was auch verständlich war. Schließlich waren sie die Frauen des Legaten, des Führers der Andolier.