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Sie konnte es nicht ertragen, ihn nicht anzusehen, doch wenn ihre Blicke sich kreuzten, war ihr, als brenne sich ein heißes Messer in ihr Herz.

Die bergige Landschaft, in die sie hineinritten, das grünende Gras, die sich öffnenden Farne, die knospenden Bäume, all das bereitete ihr keine Freude. Es war ein warmer Tag, verglichen mit dem Frühlingswetter, das sie bislang gehabt hatten, auch wenn am Himmel bedrohlich dunkle Wolken aufzogen. Vermutlich würden sie noch vor dem Abend ein Unwetter erleben. Die Andolier zuckten jedesmal erschrocken zusammen, wenn sie in den Himmel blickten.

Kahlan zog ihren Umhang enger zusammen. Sie dachte an das blaue Kleid, das sie bei der Hochzeit mit Richard hatte tragen wollen.

Sie merkte, daß sie wütend auf ihn wurde. Er hatte sie zu dem Glauben verführt, sie könnte Liebe und Glück erfahren. Er hatte sie dazu verführt zu vergessen, daß sie nur die Pflicht kannte. Hatte sie dazu verführt, ihn zu lieben.

Als sie sich dieses Zorns bewußt wurde, kamen ihr erneut die Tränen, die ihr lautlos übers Gesicht rannen. Dies betraf nicht nur sie, es betraf ebenso ihn. Diesen Schmerz erlitten sie gemeinsam.

Sie dachte daran, wie sie ihn kennengelernt hatte. Es schien so lange her, daß sie vor Darken Rahls gedungenen Mördern geflohen war und Richard ihr geholfen hatte. Sie dachte an all die Abenteuer, die sie zusammen erlebt hatten, an all die Male, die sie im Schlaf über ihn gewacht, ihn dabei angesehen und sich vorgestellt hatte, sie wäre nur eine einfache Frau, die sich verlieben konnte, und kein Konfessor, der seine Gefühle geheimhalten mußte und gezwungen war, ein Leben ohne Liebe, aber voller Pflichtgefühl zu führen.

Indes hatte Richard einen Weg gefunden, eine Möglichkeit, wie sie, ein Konfessor, Liebe finden konnte. Und der hatte sich jetzt in einen Aschehaufen verwandelt.

Warum taten die Seelen ihnen das an? Die Antwort kam ihr, als sie sich an das Gespräch mit Shota und mit der Ahnenseele erinnerte. Es gab nicht nur gute, sondern auch böse Seelen. Diese bösen Seelen hatten hier ihre Hand im Spiel. Sie waren es, die dies wollten, die es verlangten.

Die Seelen, die diesen Preis forderten, waren mehr als böse.

Am späten Vormittag machten sie halt, um den Pferden eine Rast zu gönnen und um etwas zu essen. Nadine und Drefan unterhielten sich mit vollem Mund. Der Legat saß zurückgelehnt und ließ sich von seinen Frauen füttern. Es ging ihm nicht besonders gut mit seiner aufgeplatzten Lippe. Sie rieben ihre Beine an ihm und kicherten, wenn er ihnen aus den Fingern aß. Zwischen den Bissen, die sie ihm hinhielten, bedienten sie sich selbst. Cara aß schweigend. Kahlan nahm keine Notiz davon, was irgend jemand speiste.

Sie und Richard hatten keinen Appetit. Beide hockten sie wie Totholz auf den sonnenbeschienenen Felsen, schweigend, mürrisch, den starren Blick ins Leere gerichtet.

Als die anderen ihr Mahl beendet hatten, beobachtete Richard, wie alle wieder aufsaßen. Keiner der anderen hatte es bemerkt, doch Kahlan sah den schwelenden Zorn in seinen Augen. Die Seelen hatten Drefan dazu auserkoren, ihm weh zu tun. Schlimmeres Leid hätten sie ihm nicht zufügen können.

»Wie geht es dem Arm?« fragte Nadine Drefan, als alle wieder aufbrachen.

Drefan hielt ihn in die Höhe und streckte die Finger zum Beweis.

»So gut wie neu.«

Kahlan achtete nicht auf ihre Unterhaltung. Den ganzen Morgen über hatten sie miteinander geplaudert. In ihrer Welt des Schweigens fiel es ihr kaum auf.

»Was ist mit Eurem Arm passiert, Meister Drefan?« erkundigte sich eine der sechs Schwestern.

»Oh, irgendeinem Schurken hat es nicht gefallen, wie ich die Welt von Krankheit befreien wollte.«

Drefan drehte sich arrogant im Sattel um. »Hat mich mit seinem Messer erwischt. Hat versucht, mich umzubringen, der dreckige Lump.«

»Wieso ist es ihm nicht gelungen?«

Drefan tat den Zwischenfall mit einer überheblichen Handbewegung ab. »Ich habe ihn ein wenig Stahl sehen lassen, da ist er um sein Leben gerannt.«

»Ich habe seine Wunde vernäht«, erklärte Nadine den staunenden Schwestern. »Und sie war tief.«

Drefan warf Nadine einen Blick zu, der sie im Sattel schrumpfen zu lassen schien. »Ich habe es dir schon einmal erklärt, Nadine, es war nicht der Rede wert. Ich will kein Mitleid. Eine Menge Menschen sind in viel größerer Not als ich.«

Er ließ sich angesichts des einfältigen Ausdrucks auf ihrem Gesicht erweichen. »Jedenfalls hast du deine Arbeit gut gemacht. So gut wie jeder meiner Heiler. Das weiß ich zu schätzen.«

Nadine lächelte, während sie weiterritten.

Drefan zog die weite Kapuze seines flachsenen Gewandes hoch.

Gütige Seelen, dachte sie, das soll mein Ehemann werden. Für den Rest meines Lebens wird er mein Lebensgefährte sein.

Bis sie starb und wieder mit Richard vereint war.

Der süße Tod konnte sie nicht früh genug ereilen.

Clarissa rieb sich die feuchten Hände, linste durch das Schlüsselloch und hörte zu, wie Nathan im anderen Zimmer mit den Schwestern sprach.

»Ich bin sicher, Ihr versteht, Lord Rahl«, sagte Schwester Jodelle. »Dies dient auch Eurer Sicherheit.« Nathan lachte amüsiert. »Wie zuvorkommend von Eurem Kaiser, an mein Wohlbefinden zu denken.«

»Wenn Richard Rahl, wie Ihr behauptet, heute abend vernichtet wird, dann könnt Ihr ganz unbesorgt sein. Wir werden es anschließend herbringen. Das ist doch sicher früh genug.«

Nathan feuerte einen hitzigen Blick in ihre Richtung. »Ich habe es Euch bereits erklärt, Jagangs Plan ist gelungen. Richard Rahl wird heute nacht vernichtet werden. Ich kann nur hoffen, daß Ihr nach der heutigen Nacht noch lernt, mich nicht mehr auszufragen.«

Clarissa mußte sich verrenken, um durch das Schlüsselloch sehen zu können, wie Nathan sich von den beiden Schwestern abwandte und überlegte.

»Und mit allem anderen ist er einverstanden?«

»Mit allem«, versicherte ihm Schwester Willamina. »Er freut sich darauf, Euch als Generalbevollmächtigten in D'Hara zu haben, und ist mehr als einverstanden mit Eurem Angebot, ihm bei den Büchern mit Prophezeiungen zu helfen, die er über die Jahre zusammengetragen hat.«

Nathan knurrte: »Wo befinden sie sich überhaupt? Ich glaube kaum, daß ich dafür zu begeistern bin, durch die ganze Alte Welt zu reisen, nur um einen Blick in ein paar alte Bücher zu werfen. Ich habe schließlich Geschäfte in D'Hara. Als der neue Lord Rahl werde ich meine Macht festigen müssen.«

»Seine Exzellenz hat vorhergesehen, daß Euch das ungelegen käme, und daher vorgeschlagen, die interessanten Dinge von seinen Zauberern herausschreiben und Euch zur Prüfung vorlegen zu lassen.«

Clarissa wußte, wovon die Schwester sprach. Bevor sie angekommen waren, hatte Nathan ihr erklärt, man werde ihm womöglich überhaupt nicht gestatten, die Prophezeiungen aus Jagangs Besitz einzusehen, ganz zu schweigen davon, daß man ihm verriet, wo sie sich befanden. Jagang würde wollen, daß Nathan nur ausgesuchte Bände zu Gesicht bekäme, die zuvor bereits von anderen einer Auswahl unterzogen worden waren.

Schließlich richtete Nathan seine ganze Aufmerksamkeit auf die beiden Schwestern.

»Alles zu seiner Zeit, alles zu seiner Zeit. Wenn wir erst einmal zusammengearbeitet haben, die Neue Welt auf Vordermann gebracht haben und soweit sind, daß wir dem Wort des anderen voll und ganz trauen, werde ich nur zu gerne Besuche von Jagangs Schoßhunden akzeptieren. Bis dahin jedoch hat unser Kaiser sicher Verständnis dafür, daß ich nicht gerade versessen darauf bin, jenen mit der Gabe meinen Aufenthaltsort preiszugeben. Deshalb werde ich auch unverzüglich aufbrechen.«

Schwester Jodelle seufzte. »Wie gesagt, er war erfreut, es Euch bringen zu lassen. Dennoch werdet Ihr verstehen, daß er Grund zur Sorge hätte, wenn er einen Zauberer mit Eurer Macht, dessen Denkweise ihm ein Rätsel ist, zu nahe an sich heranließe. Er ist zwar an dieser Übereinkunft überaus interessiert, aber auch ein Mann, der Vorsicht walten läßt.«