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Nadine auf der einen Seite und Kahlan auf der anderen, führte Cara die beiden in der Dunkelheit über die Straße bis zum Rand des Abgrunds.

In tiefschwarzer Nacht stand Kahlan am Rand des Abgrunds und fühlte sich benommen und verloren. Sie wußte nicht, wie lange Cara mit Nadine fortblieb, um sie zu Richard in das verfallene Gebäude rechts zu bringen. Plötzlich spürte sie Caras Hand wieder unter ihrem Arm.

»Hier entlang«, kam die eiskalte Stimme.

Kahlan ließ sich von der Frau zu den Ruinen links führen. Kahlan konnte kaum etwas erkennen. Cara, von den Winden geleitet, hatte keine Mühe, sich in den Fluren und Räumen des völlig heruntergekommenen Gebäudes zurechtzufinden.

Sie kamen an eine Tür. Kahlan erkannte so gerade eben Drefans Schwert, das draußen an einer Wand lehnte. Sie legte ihre Finger auf das mit Leder umwickelte Heft. Drinnen konnte sie gerade eben die Rechtecke ausmachen, wo sich einst die Fenster befunden hatten. Dahinter, wo einst der Tempel der Winde gestanden hatte, lagen der Rand des Abgrunds und das Nichts.

»Dies ist deine Frau«, sprach Cara mit ihrer eiskalten, schauerlichen Stimme in den Raum hinein. »Hier ist dein Gemahl«, sagte sie zu Kahlan.

»Diese Ehe muß vollzogen werden. Das zu tun ist jetzt eure Pflicht. Die Winde stellen Forderungen. Ihr dürft keine weiteren Fragen stellen. Sprecht kein einziges Wort. Die Winde haben ihre Gründe, und euch steht es nicht zu, diese zu erfahren. Wenn ihr dem Sterben ein Ende bereiten wollt, braucht ihr nichts weiter zu tun, als zu gehorchen.

Sobald die Prüfung dem Höhepunkt zustrebt, nimmt sie an Heftigkeit zu.

Ihr müßt jetzt wie Mann und Frau beieinanderliegen. Gebt ihr auch nur ein einziges Wort von euch, endet die Prüfung, und der Zugang in den Tempel der Winde wird euch verwehrt. Berufung ist ausgeschlossen. Die entwendete Magie wird weiter wüten, wie auch das durch sie ausgelöste Sterben.

Die Winde werden erst kommen, wenn ihr die Bedingungen erfüllt habt. Sobald sie da sind – und ihr werdet keinen Zweifel haben, daß es soweit ist –, dürft ihr miteinander sprechen. Vorher nicht.«

Cara drehte Kahlan um und half ihr aus dem Kleid und der Unterwäsche. Kahlan fiel das Schweigen nicht schwer, sie hatte nichts zu sagen.

Sie spürte die schwarze Nachtluft auf ihrer nackten Haut. Mit einem Blick auf Drefans Schwert dachte sie, wenn dies alles vorüber wäre, könnte sie es gegen sich selbst richten. Wenn nicht, wenn er sich weigerte, es ihr zu überlassen, war da immer noch der Abgrund.

Cara faßte sie am Handgelenk und führte sie vorwärts. Die Mord-Sith zwang sie mit Gewalt, sich hinzuknien und vorzubeugen, bis sie mit der Stirn das Strohlager berührte. »Dein Gemahl erwartet dich. Geh zu ihm.« Kahlan hörte, wie Caras Schritte in der Ferne verhallten. Dann war sie mit Drefan allein.

58

Als Kahlan sich vortastete, streifte ihre Hand Drefans behaartes Bein. Sie bewegte sich ein Stück zur Seite, um sich neben ihn zu legen. Es gab eine über Stroh gelegte Decke oder jedenfalls etwas, das weicher war als nacktes Holz. Wenigstens tat es ihr am Rücken nicht so weh, wie es der nackte Fußboden getan hätte.

Sie lag auf dem Strohlager und starrte mit aufgerissenen Augen nach oben in die Dunkelheit. Außer der vagen Andeutung der Fenster vor sich konnte sie nichts erkennen. Sie bemühte sich, ihren Atem zu beruhigen, auch wenn sie kein Mittel gegen ihren panikartigen Pulsschlag wußte.

Es gab Schlimmeres, versuchte sie sich einzureden. Dies war lange nicht das Schlimmste. Ganz und gar nicht. Das war keine Vergewaltigung. Jedenfalls nicht wirklich.

Nach einer Weile spürte sie, wie Drefans Hand sich auf ihren Bauch legte. Kahlan stieß sie, einen Aufschrei unterdrückend, zur Seite.

Das hätte sie nicht tun sollen, sagte sie sich. Was war eine Hand, verglichen mit der Seuche? Wie viele von der Pest geplagte Menschen hätten nur zu gern mit ihr den Platz getauscht? Eine zarte Berührung – da gab es wirklich Schlimmeres.

Drefans Hand fand ihre und versuchte, sie mit einem Händedruck zu trösten. Sie riß ihre Hand los, als hätte eine Schlange sie gestreift. Sie wollte nicht von ihm getröstet werden. Sie hatte nicht gelobt, mit ihm Händchen zu halten. Sie hatte nicht gelobt, sich von ihm trösten zu lassen. Sie hatte sich verpflichtet, seine Frau zu sein, aber nicht, seine Hand zu halten. Sie würde ihn gewähren lassen, soweit sie dazu verpflichtet war, aber seine Hand brauchte sie nicht zu halten.

Verzweifelt versuchte sie, einen klaren Gedanken zu fassen. Richard mußte in den Tempel der Winde gelangen. Der Tempel der Winde verlangte dies als Preis. Die Seele von Chandalens Großvater hatte sie gewarnt, sie dürfe sich ihrer Pflicht nicht entziehen. Sie erinnerte sich nur zu gut an seine Worte:

Man hat mir den Preis nicht gezeigt, aber ich warne dich vorab: Du hast keine Möglichkeit, dies zu umgehen oder zu vermeiden. Es muß geschehen, wie es dir offenbart wird, oder alles ist verloren. Ich möchte dich bitten, schlage den Pfad ein, sobald die Winde ihn dir zeigen, denn sonst wird sich ereignen, was ich dir gezeigt habe.

Kahlan erinnerte sich an die Szenen des Massensterbens, die die Ahnenseele ihr vor Augen geführt hatte. Wenn sie nicht tat, was die Winde von ihr verlangten, würde das geschehen, was man ihr gezeigt hatte.

Sie mußte Drefan gewähren lassen. Durch Hinhalten würde es nicht einfacher werden.

Für Drefan war es bestimmt auch nicht leicht. Sicher alles andere, so wie sie seine Annäherungsversuche brüsk von sich wies. Der Gedanke entfachte ihren Zorn aufs neue. Sie wollte seine Zärtlichkeiten nicht.

Was wollte sie dann? Wollte sie, daß er grob war? Natürlich mußte sie ihm erlauben, daß er sie anfaßte. Wie konnte er es tun, ohne sie zu berühren? Richard mußte in den Tempel der Winde gelangen. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als Drefan gewähren zu lassen.

Kahlan reichte hinüber und ergriff Drefans Handgelenk. Sie legte seine Hand dorthin zurück, wo er sie zuvor hatte hinlegen wollen, auf ihren Bauch. Dann ließ sie sie los. Sie blieb dort liegen.

Worauf wartete er? Am liebsten hätte sie ihn angeschrien, er solle es hinter sich bringen, er solle es tun und fertig. Er solle sich nehmen, was dem Herzen nach seinem Bruder gehörte, wenn auch nicht dem Gelübde nach.

Sie lag da, Drefans Hand auf ihrem Körper, und lauschte in die totenstille Nacht. Sie ertappte sich dabei, daß sie auf Geräusche von Nadine und Richard lauschte. Dann schloß sie die Augen.

Drefans Hand schob sich hinauf zu ihrer Brust. Die Hände neben ihrem Körper zu Fäusten geballt, zwang sie sich, reglos liegenzubleiben. Sie mußte ihn gewähren lassen. Sie versuchte sich abzulenken. Im stillen sagte sie mechanisch Sprachlektionen aus ihrer Jugend auf und versuchte, seine Hand zu ignorieren. Es ging nicht.

Er war zärtlich, aber das bot ihr keinen Trost. Schon seine Berührung kam einer Schändung gleich. Wie zärtlich er dabei vorging, änderte nichts, machte es nicht zu einem Recht. Daß er jetzt ihr Gemahl war, bedeutete für sie keinen Unterschied. In ihrem Herzen wußte sie, es war falsch, und das machte es zu einer Schändung.

Innerlich schrie sie sich an. Sie benahm sich mehr als kindisch. Sie war die Mutter Konfessor und hatte schon viel schlimmeren Situationen gegenübergestanden, viel schlimmeren als dieser, viel schlimmeren als der, daß ein Mann, für den sie nichts empfand, ihr so nahe war, so intim mit ihr wurde.

Aber sie war nicht mehr die Mutter Konfessor. Der Tempel der Winde, die Seelen, hatten ihr auch das genommen.

Kahlan schnappte japsend nach Luft und hielt den Atem an, als Drefans Hand ihren Bauch erkundete und schließlich zwischen ihren Beinen innehielt. Sie mußte daran denken, wie Drefan dasselbe mit Cara gemacht hatte. Jetzt war sie an der Reihe.