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»Das werdet ihr auch«, versicherte ihr Verna. »Wir werden alle auf der Stelle fliehen.«

»Niemand wird fliehen, Verna. Jagang hat sich deiner bemächtigt. Und Warrens auch. Er erzählte uns, er sei in der ersten Nacht nach dem Vollmond, während ihr schlieft, in die Zwischenräume Eures Verstandes eingedrungen.« Tränen traten ihr in die Augen. »Es tut mir leid, Verna. Ihr hättet niemals kommen dürfen, um mich zu retten. Das hat Euch beide die Freiheit gekostet.«

Trotz wachsender Panik lächelte Verna. »Das ist ganz ausgeschlossen, Janet. Die Bande beschützen dich.«

»Das würden sie«, meinte Janet, plötzlich in einem barschen, drohenden Tonfall, »wenn Richard Rahl noch lebte. Aber vor vier Nächten, in der Vollmondnacht, hat Richard Rahl die Welt des Lebendigen verlassen.«

Janet brach in schallendes, aus ihrem tiefsten Innern kommendes Lachen aus, obwohl ihr dabei die Tränen übers Gesicht liefen.

Verna verschlug es den Atem. »Richard … ist … tot?«

Warren drückte sich die Hände an die Schläfen und stieß einen gequälten Schrei aus. »Nein! Nein!«

Verna hielt ihn fest, als er auf dem Boden zusammenbrach. »Warren, was ist?«

»Seine Exzellenz … Seine Exzellenz hat Aufgaben für mich.«

»Aufgaben? Was ist mit dir, Warren? Was ist passiert?«

»Seine Exzellenz hat einen neuen Propheten!« rief Warren. »Bitte, mach, daß die Schmerzen aufhören! Ich werde dienen! Ich tue alles, was man mir befiehlt!«

Verna kauerte über ihm. »Warren!«

Es war, als bohrte sich ein weißglühendes Eisen durch ihren Schädel. Verna schrie auf und preßte die Hände an den Kopf. Nichts in ihrem einhundertsechsundfünfzigjährigen Leben hatte sie auf den Quell des Schmerzes vorbereitet, der jetzt in ihrem Verstand aufbrach. Ihre Arme und Beine zuckten wild hin und her.

Unheilvolles Lachen züngelte durch die heiße Qual wie Flammen durch die Trümmer eines Hauses.

Verna rief den Schöpfer an, er möge sie in Ohnmacht fallen lassen. Ihr Gebet verhallte ungehört.

Über sich hörte sie Janets Stimme.

»Es tut mir so leid, Verna. Du hättest nie hierherkommen dürfen, um uns zu retten. Jetzt wirst du Seiner Exzellenz als Sklavin dienen.«

Die Blonde, Cara, folgte ihm in den Empfangssaal. Sie blieb drei Schritte hinter ihm, wie er es angeordnet hatte. Es gefiel ihm, daß das rote Leder ihnen das Aussehen verlieh, als seien sie voller Blut. Eine von ihnen befand sich stets in seiner Nähe, eine blutrote Erinnerung an die glitschige, klebrige Ausschweifung, die noch kommen würde.

Ihre blauen Augen wandten sich ab, als er über seine Schulter sah. Sie blieb nur, um in Kahlans Nähe zu sein, das wußte er. Zwar war sie jetzt harmlos, trotzdem sah es besser aus, wenn Lord Rahl eine Eskorte aus Wachen ihres Kalibers um sich scharte – als angemessenes Zeichen seines Ranges.

Lord Rahl, das war nun er – genau wie es ihm die Stimmen aus dem Äther eingeflüstert hatten. Nur er besaß die geistige Kraft, diese Stimmen zu empfangen, die Weisheit, sie zu hören, die Klugheit, ihnen zu gehorchen. Dadurch hatte er triumphiert. Stets auf die Einzelheiten zu achten hatte sich für ihn gelohnt. Seine außergewöhnliche Erkenntnisfähigkeit hatte ihn in jene Machtposition geführt, die ihm schon immer zugestanden hatte. Seine Gabe war sein Genie und würde ihm bessere Dienste leisten als bloße Magie.

Er war ein Mann, der über den anderen stand, und das aus gutem Grund. Er war ihnen überlegen – ein Mann mit ungewöhnlichem Verstand, trefflichem Instinkt und ausgezeichneter Sittlichkeit, von den gewundenen Ausflüchten, mit denen Frauen ihre vulgären Freuden entschuldigten, unverfälscht.

Er berauschte sich an seiner Tugend.

Kahlan blickte auf, als sie ihn entschlossenen Schritts den Saal betreten sah. Ihr Gesicht täuschte Leere vor, ein Ausdruck, den sie fast ständig nach außen zeigte. Sie glaubte nur, daß er nichts verriet. Für ihn offenbarte sich darin ein Panzer gegen jedes Gefühl. Wenn er sich in die Einzelheiten ihres berückenden Gesichts vertiefte, konnte er den reichen Strom an Gefühlen erkennen, den sie zu verbergen suchte.

Er bemerkte, wie sie ihn betrachtete. Schon in der Vergangenheit waren ihm diese Blicke nicht entgangen. Er wußte: Sie wollte ihn. Sie sehnte sich nach ihm. Sie wollte von ihm befriedigt werden.

Daß sie versuchte, es abzustreiten, erregte ihn nur um so mehr. Daß sie ihr Verlangen nach ihm hinter schroffen Worten versteckte, war für ihn nur ein weiterer Beweis. Daß sie vorgab, angewidert zu sein, zeigte ihm die außergewöhnliche Tiefe ihres Verlangens.

Wenn sie endlich ihrer Lust nachgab, würde es nach all der Warterei, nach der Enthaltsamkeit, nach der Sehnsucht und wegen der späten Erfüllung nur um so grandioser werden. Dann endlich würde er ihr geben, wonach sie verlangte. Dann endlich würde er ihre Schreie hören.

Der General in Kahlans Begleitung verbeugte sich. »Guten Morgen – Lord Rahl.«

»Was ist das?« erwiderte er. Er mochte es nicht, wenn die Soldaten Kahlan Dinge brachten, ohne offenkundig zuerst ihn in Kenntnis zu setzen.

»Nur die Morgenberichte, Drefan«, sagte Kahlan in dem ihr eigenen ausdruckslosen Ton.

»Warum hat man mir dann nicht Bescheid gegeben? Berichte sollten erst zu Lord Rahl gelangen.«

Der General warf Kahlan einen verstohlenen Blick zu. Er verneigte sich abermals. »Wie Ihr wünscht, Lord Rahl. Ich dachte bloß – «

»Das Denken übernehme ich. Ihr spielt den Soldaten.«

Der Zurechtgewiesene räusperte sich. »Natürlich, Lord Rahl.«

»Also, was wissen die Morgenberichte zu sagen?«

Der General sah erneut zu Kahlan hinüber. Drefan bemerkte das knappe Nicken. Als ob der General die Erlaubnis der Gemahlin des Lord Rahl benötigte, um einen Bericht vorzutragen. Drefan ließ es durchgehen. Er fand Gefallen an ihren Spielchen, daran, daß sie glaubte, er bekäme etwas nicht mit. Das amüsierte ihn. »Nun, Lord Rahl, die Pest ist fast vorbei.«

»Erläutert bitte ›fast vorbei‹, wenn Ihr die Freundlichkeit hättet. Als Heiler steht mir Ungenauigkeit wohl kaum zu Gesicht.«

»Während der letzten Woche ist die Zahl der Toten auf drei bestätigte Fälle in der vergangenen Nacht zurückgegangen. Fast jeder, der erkrankt war, als Lord Rahl« – er fing sich – »als Richard verschwand, hat sich wieder erholt. Was immer Richard getan hat –«

»Mein Bruder ist gestorben, das hat er getan. Ich bin der Heiler. Ich bin es, der für das Ende der Seuche verantwortlich ist.«

Kahlan verlor ihre Gelassenheit. Ihre Miene verzog sich zu einem Ausdruck mühsam beherrschten Zorns. Er fragte sich, wie ihr Gesicht sich wohl verzerren würde, wenn es Schmerzen, wenn es Entsetzen wäre. Bald würde er es erfahren.

»Richard ist in den Tempel der Winde gegangen! Er hat sich geopfert, um alle zu retten. Richard! Nicht du, Drefan. Richard!«

Drefan tat ihren Zornesausbruch mit einer lässigen Handbewegung ab. »Unsinn. Was versteht Richard denn von Heilkunst? Ich bin der Heiler. Lord Rahl persönlich hat sein Volk vor der Pest gerettet.« Drefan drohte dem General mit erhobenem Zeigefinger. »Und Ihr solltet dafür sorgen, daß jeder das erfährt.«

Kahlan nickte dem General abermals kaum merklich zu.

»Jawohl, Lord Rahl«, antwortete der General. »Ich werde persönlich dafür Sorge tragen, daß jeder erfährt, es war Lord Rahl, der die Pest aufgehalten hat.«

Auf Kahlans Gesicht war angesichts der zweideutigen Antwort des Generals die winzige Andeutung eines Lächelns zu erkennen. Drefan ließ es ihr durchgehen. Er hatte sich um Wichtigeres zu kümmern als um ihren mangelnden Respekt vor ihrem Gatten.

»Und was habt Ihr außerdem noch zu berichten, General?«

»Nun, Lord Rahl, wie es scheint, werden einige von unseren Einheiten … vermißt?«