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»Selbst wenn sie mit einem anderen verheiratet ist, selbst wenn du nicht bei ihr sein kannst, selbst wenn es dir das Herz bricht, zu wissen, daß du sie nicht haben kannst, liebst du sie nicht genug, um ihr Herz zu heilen? Ihrem Herzen seinen Frieden zurückzugeben? In dieser Liebe, die du empfindest, zählst du dort allein und sie überhaupt nicht?«

Richard warf der Seele einen wütenden Blick zu. »Sie hat auch ohne mich ihr Glück gefunden. Ich kann ihr nichts mehr geben.«

»Hat dir die Rose Freude gebracht, Richard?«

Richard ging weiter. »Ja, sie ist sehr schön. Danke.«

»Wirst du dir also überlegen zurückzugehen?«

Richard wirbelte zur Seele von Kahlans Mutter herum. »Danke für die Rose. Hier sind eintausend zurück, damit du nicht behaupten kannst, ich sei dir etwas schuldig geblieben!«

Richard streckte die Hand aus, und die Luft füllte sich mit Rosen. Rosenblüten wehten und wirbelten herum wie in einem roten Schneesturm.

»Es tut mir leid, daß ich dich nicht zwingen kann zu verstehen, Richard. Offensichtlich tue ich dir nur weh. Am besten lasse ich dich jetzt alleine.«

Richard brach zusammen, fühlte sich zu elend, um sich auf den Beinen zu halten. Bald würde er zu ihnen gehören, eine Seele sein und dieses Zwischenreich nicht mehr ertragen müssen, wo er zwischen den Welten hin- und hergerissen wurde. Er hatte zu essen, wenn ihn danach verlangte, er konnte schlafen, wann er wollte, aber er konnte das Leben hier auf keinen Fall endlos weiterführen. Dies war nicht die Welt des Lebendigen.

Schon bald würde er einer von ihnen sein und mit dieser Leere, die sein Leben darstellte, abgeschlossen haben.

Früher hatte Kahlan diese Leere ausgefüllt. Sie war sein ein und alles gewesen. Er hatte ihr vertraut. Er hatte geglaubt, sein Herz sei bei ihr sicher aufgehoben. Er hatte sich zuviel erträumt. Wie hatte er ein solcher Narr sein können? War das alles Einbildung gewesen?

Richard hob den Kopf. Er sah zur anderen Seite des Saales hinüber. In Gedanken ging er die Gegenstände durch, die dort aufbewahrt wurden. Der Quell der Blicke. Dort irgendwo stand er, auf der anderen Seite des Saales. Wie man ihn benutzte, wußte er.

Er stand auf, ging quer durch den Saal und trat zwischen zwei der Säulen hindurch zum steinernen Quell der Blicke. Der bestand aus zwei in Stufen übereinander angeordneten Becken, das untere hüfthoch und das obere gleich oberhalb seines Kopfes. Beide Becken waren längliche Rechtecke. In den glitzernden, holzkohlengrauen Stein waren reich verzierte Symbole der Unterweisung und der Kraft geschlagen. Das untere Becken war bis zum Rand mit einer silbrigen Flüssigkeit gefüllt, die der Sliph zu ähneln schien und doch ganz anders war, wie er wußte.

Richard nahm den silbernen Krug aus dem Regal darunter und tauchte ihn in das untere Becken. Er leerte den Krug in das obere.

Damit fuhr er fort, bis das obere mit der vorgesehenen Menge der Flüssigkeit angefüllt war.

Richard beugte sich über das untere, um seine Hände auf die entsprechenden Symbole zu legen, die sich zu beiden Seiten hin erstreckten. Die Hände auf die Blickschlitze gelegt, las er vornübergebeugt die uralten Worte. Nachdem die Worte gesprochen waren, konzentrierte er sich auf den Menschen, den er beobachten wollte. Dabei setzte er ein schmales Kraftband frei, um die Flüssigkeit im oberen Becken freizugeben.

Das silbrige Naß ergoß sich vor seinem Gesicht in einer dünnen, silbernen Fläche über die messerscharfe Kante des oberen Beckens. In diesem Wasserfall aus Blickflüssigkeit erkannte Richard den Menschen, den er in Gedanken gerufen hatte: Kahlan.

Ihm schnürte sich die Brust zusammen, als er sie sah. Fast hätte ihm der Atem gestockt, fast hätte er gequält aufgeschrien.

Sie trug ihr weißes Konfessorenkleid. Die vertrauten Konturen ihres Gesichts weckten in ihm eine quälende Sehnsucht. Sie befand sich in der Nähe ihrer Gemächer, ihres Schlafzimmers im Palast der Konfessoren. Dort war es Nacht. Richard fühlte sein Herz gegen seine Rippen schlagen, als er sah, wie sie mit einer gleitenden Bewegung vor irgendeiner Tür stehenblieb.

Drefan schlich sich von hinten an sie heran. Er legte ihr die Hände auf die Schultern und drückte sie, dabei beugte er sich weiter vor und brachte seinen Mund dicht an ihr Ohr.

»Kahlan, meine Gemahlin, meine Liebste. Bist du bereit, zu Bett zu gehen? Ich hatte einen schweren Tag. Ich freue mich auf eine Nacht lustvoller Leidenschaft.«

Richard ließ den Quell los. Er riß die Fäuste hoch und taumelte zurück. Der Quell der Blicke zerschellte explosionsartig, gewaltige Feuer- und Rauchsäulen trieben schwere Gesteinsbrocken vor sich her. Steinsplitter sirrten durch den Saal und verschwanden in der Ferne. Mächtige Steintrümmer stiegen heulend, aufgewirbelt von einem tosenden Inferno, in die Höhe, bis sie ihren Aufwärtsschwung verloren und wieder abwärts stürzten, um zu Splittern und Staub zu zerspringen. Die Blickflüssigkeit überflutete den Boden.

In jedem Tröpfchen, in jeder Pfütze konnte Richard Kahlans Gesicht erkennen.

Er machte kehrt und ging. Ein Feuerstoß fegte sengend über den Boden hinweg und verdampfte jedes einzelne Tröpfchen, dennoch konnte er ihr Gesicht noch in den feinsten Nebeltröpfchen erkennen, die die Luft füllten. Er riß die Fäuste hoch. Jedes Tröpfchen, jeder winzig kleine Dunstpartikel, erlosch hinter ihm zu nichts.

Benommen sank Richard in der Mitte des Saales zu Boden und starrte ins Leere.

Ein hämisches Lachen wurde mit den Winden herangeweht. Richard wußte, wer das war. Sein Vater war zurückgekehrt, um ihn ein weiteres Mal zu quälen.

»Was ist, mein Sohn?« fragte Darken Rahl mit seiner spöttisch zischelnden Stimme. »Bist du nicht glücklich über meine Gattenwahl für deine einzig wahre Liebe? Mein eigener Sohn, mein eigenes Fleisch und Blut, Drefan – verheiratet mit der Mutter Konfessor. Ich persönlich halte ihn für eine gute Wahl. Er ist ein guter Junge. Sie wirkte eigentlich ganz zufrieden. Aber das weißt du ja bereits, nicht wahr? Du solltest dich freuen, daß sie zufrieden ist. Und wie zufrieden.«

Darken Rahls Gelächter hallte durch den Saal.

Richard dachte nicht einmal daran, die leuchtende Gestalt über ihm zu verscheuchen. Was spielte das jetzt noch für eine Rolle?

»Nun, was meinst du, meine Gemahlin? Wollen wir uns eine Nacht voller wilder Leidenschaft gönnen? Wie du sie meinem Bruder geboten hast, als du ihn für mich gehalten hast?«

Kahlan rammte Drefan den Ellenbogen mit aller Kraft unters Brustbein. Sie erwischte ihn in einem unbedachten Augenblick.

Darauf war er nicht vorbereitet. Er krümmte sich vor Schmerzen und bekam keine Luft.

»Ich habe dich gewarnt, Drefan. Wenn du mich anfaßt, schlitze ich dir die Kehle auf.«

Bevor er sich soweit erholen konnte, um sich über ihren Wutausbruch lustig zu machen oder sie mit der Androhung von Gewalt zu verhöhnen, schlüpfte sie in ihr Gemach, schlug die Tür zu und schob den Riegel vor.

Zitternd stand sie in der nahezu völligen Dunkelheit. Sie hatte etwas gespürt. Einen Moment lang war ihr so gewesen, als sei Richard bei ihr. Um ein Haar hätte sie laut seinen Namen gerufen – geschrien, daß sie ihn liebe.

Sie hielt sich den Bauch vor Schmerzen. Wann würde sie endlich aufhören, an ihn zu denken?

Richard kam nicht mehr zurück.

Kahlan lief über den dicken Teppich in ihrem Salon und ging in ihr Schlafgemach. Als plötzlich jemand vor sie trat, ging sie Deckung suchend in die Hocke.

»Verzeiht«, flüsterte Berdine. »Ich hatte nicht die Absicht, Euch zu erschrecken.«

Kahlan entspannte seufzend ihre Fäuste und erhob sich wieder. »Berdine.« Sie schlang der Frau die Arme um den Hals. »Oh, Berdine, ich bin so froh, Euch zu sehen. Wie geht es Euch?«

Berdine war auf der verzweifelten Suche nach Trost und erwiderte Kahlans Umarmung.

»Es ist schon ein paar Wochen her, und doch erscheint es mir, als sei Raina gestern erst gestorben. Ich bin so wütend auf sie, weil sie mich verlassen hat. Und wenn ich wütend auf sie werde, weine ich, weil ich sie so vermisse. Hätte sie nur ein paar Tage länger durchgehalten, würde sie noch leben. Nur ein paar Tage.«