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Die Person, die diese Seele einst gewesen war, hatte er verabscheut und gefürchtet. Ein einziges Mal nur hatte er sie verstanden, und erst nachdem er ihr das, was sie im angetan hatte, vergeben hatte, war es ihm möglich gewesen, Erlösung zu finden. Diese Seele hatte er getötet und sie durch diese Tat von ihrer Qual erlöst.

Dafür hatte die Seele Kahlan und Richard später an besagtem Ort zwischen den Welten zusammengeführt.

»Richard«, rief die Seele, die zu lächeln schien.

»Denna.«

»Wie ich sehe, trägst du einen Strafer. Aber nicht meinen.«

Richard schüttelte langsam den Kopf. »Er gehört einer anderen Mord-Sith, die durch meine Schuld gestorben ist.«

»Raina. Ich kannte sie in der Welt des Lebendigen, und hier kenne ich sie auch. Sie ist erst nach der Schändung des Tempels der Winde in die Welt der Seelen hinübergewechselt, deshalb ist es ihr nicht gestattet, dich hier aufzusuchen. Sie gehört nicht zu jenen, die Einfluß auf die beteiligten Kräfte haben, da sie dich und die Winde betreffen. Du sollst wissen, daß ihre Seele Frieden gefunden hat. Den hast du ihr schon im Leben gegeben, und deshalb hat sie mich gebeten, dich aufzusuchen.«

Richard rollte den Strafer zwischen seinen Fingern. »Euren Strafer habe ich Kahlan geschenkt. Wie ich Euch damals angekündigt habe, ist sie der einzige Mensch, der mir größeren Schmerz zufügen kann als Ihr.«

»Der einzige Mensch, der dir größeren Schmerz zufügen kann als ich, bist allein du selbst, Richard.«

»Ganz wie Ihr meint, ich will mich nicht streiten. Es tut gut, Euch zu sehen, Denna.«

»Vielleicht wirst du anderer Meinung sein, wenn ich mit dir fertig bin.«

Richard mußte lächeln, als ihr wahres Wesen selbst in ihrer Seelengestalt durchschimmerte. »Hier könnt Ihr mir nicht weh tun, Denna.«

»Glaubst du? Vielleicht nicht körperlich, aber weh tun kann ich dir ganz sicher.« Sie nickte, scheinbar zu sich selbst. »O doch, Richard. Ich kann dir weh tun.«

»Und wie das?«

Denna hob ihren Arm. »Ich kann dich zwingen, dich zu erinnern – und ich kann deine Erinnerung wieder Wirklichkeit werden lassen. Du und ich, wir haben eine gemeinsame Vergangenheit.«

Richard breitete die Hände aus. »Und welchen Sinn sollte das haben?«

Denna breitete ihre leuchtenden Arme aus. »Das liegt ganz bei dir, Richard.«

Ein Lichtblitz jagte durch seine Gedanken, dann verblaßte der Tempel der Winde in seinem Bewußtsein und war verschwunden. Er befand sich an einem Ort, den er wiedererkannte: das Schloß in Tamarang.

Er war tatsächlich wieder dort.

Er konnte das Entsetzen geradezu schmecken. Denna hatte ihn gefangengenommen. Sie hatte ihn tagelang gefoltert. Er hatte hohes Fieber und war geschwächt.

Jeder Schritt schmerzte, während er Denna durch den großen Speisesaal folgte. Seine Handgelenke waren von den Handschellen, mit denen sie ihn gewöhnlich an einen Dachbalken hängte, eingeschnitten und geschwollen. Sobald Denna stehenblieb, um sich mit jemandem zu unterhalten, richtete Richard den Blick wie gebannt auf ihren Zopf und wartete stumm hinter ihr.

Denna beherrschte sein Leben, sein Schicksal. Ihm war ausschließlich das erlaubt, was sie gestattete. Seit der Gefangennahme durch sie hatte er nichts mehr gegessen. Er sehnte sich danach, etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Was auch immer.

Das Durcheinander aus Unterhaltungen und Gelächter der Gäste der Königin ringsum dröhnte ihm im Kopf. Auch Denna war Gast der Königin. Richard, am Ende einer Kette, die von dem Ring um seinen Hals bis zu seiner Herrin reichte, war Dennas Gefangener.

Sie hatte ihm während der tagelangen Folter nicht erlaubt zu essen, und jetzt konnte er es nicht mehr. Als sie an der Tafel Platz nahm, deutete Denna, mit den Fingern schnippend, hinter ihrem Stuhl auf den Fußboden. Richard ließ sich, erleichtert, daß man ihm diese winzige Annehmlichkeit gewährte, nieder. Er durfte sich ausruhen. Er hing nicht in den Handschellen, man zwang ihn nicht, die ganze Nacht zu stehen, er wurde nicht gefoltert.

Die Gäste waren sämtlich mit Speisen beschäftigt. Die köstlichen Düfte setzten ihm zu. Sein Hunger quälte ihn. Alle anderen aßen, er jedoch mußte hinter Dennas Rücken auf dem Fußboden kauern und zusehen, wie andere sich gütlich taten – an Dingen, die man ihm vorenthielt.

Richard dachte an die Zeiten, als er mit Kahlan zusammen an Lagerfeuern gesessen und über dem Feuer gebratenes Kaninchen oder mit Beeren gesüßten Haferbrei gegessen hatte. Er leckte sich die Lippen, wenn er an das saftige, heiße, zarte, außen vom Feuer braune und knusprige Fleisch dachte. Er hatte diese Mahlzeiten mit ihr sehr genossen. Das Essen und die Gesellschaft hätten nicht besser sein können.

Jetzt verwehrte man ihm dies alles und spannte ihn in das Joch einer anderen Frau.

Nachdem alle eine Weile gespeist hatten, brachte ein Tischdiener eine Schale mit Haferschleim. Denna befahl ihm, sie Richard hinunterzureichen. Er hielt sie in seinen zitternden Händen. Früher hätte er sie angewidert weggestoßen, jetzt aber war dies alles, was er hatte.

Man zwang ihn, den Inhalt auf den Boden zu leeren und wie ein Hund zu fressen, während ihm das Gelächter der Gäste in den Ohren klang. Ihm war es gleichgültig. Endlich erlaubte man ihm zu essen.

Haferschleim, etwas anderes bekam er nicht, in diesem Augenblick jedoch, in seinem Zustand quälender Gier, schmeckte er wundervoll – er bedeutete die Erlösung von dem nagenden Hunger, die Erlösung von der Qual, anderen beim Essen zusehen zu müssen, während er darbte, die Befriedigung eines schlichten, aber lange unerfüllt gebliebenen Bedürfnisses.

Er schleckte den Brei auf, fiel darüber her, schlang ihn hinunter. In seinem neuen Leben, auf das er keinen Einfluß hatte, war Flucht unmöglich, also beschloß er, wenn man ihm außer Haferschleim nichts zugestand, dann würde er diese Tatsache hinnehmen müssen und seinen Hunger mit dem stillen, was man ihm vorsetzte.

Der Lichtblitz jagte durch seinen Kopf.

Sein Stehvermögen ließ nach, fast schmerzhaft gingen die Farben verloren, und ringsum sah er wieder die gedämpften Nebelschwaden des Tempels der Winde.

Richard kauerte, vor Entsetzen keuchend, auf Händen und Knien am Boden. Dennas leuchtend weiße Seele ragte über ihm auf.

Sie hatte recht. Noch immer konnte sie ihm Schmerz zufügen. Diesmal jedoch hatte sie es aus Liebe getan.

Richard erhob sich schwankend auf die Beine. Wie hatte er glauben können, früher sei er unwissend gewesen, und der Tempel der Winde habe ihm die Augen geöffnet? Augen hatte er immer schon gehabt, nur hatte er nicht hingesehen. Wissen ohne Herz war hohl.

Zauberer Ricker hatte ihm durch die Sliph eine Nachricht hinterlassen, und er hatte sie ignoriert.

Abwehr links hinein. Abwehr rechts hinaus. Hüte dein Herz vor Stein.

Er hatte es versäumt, sein Herz vor der Versteinerung zu bewahren, und das hätte ihn fast alles gekostet.

»Danke, Denna, für dieses Schmerzensgeschenk.«

»Hast du etwas daraus gelernt, Richard?«

»Daß ich nach Hause gehen muß, zurück in meine Welt.«

»Danke, Richard, weil du meine Erwartungen nicht enttäuschst.«

Richard lächelte. »Wärest du keine Seele, ich würde dich jetzt küssen.«

Denna lächelte traurig. »Der Gedanke allein zählt.«

Sein und ihr Blick trafen sich für einen Augenblick, ein Blick zwischen den Welten.

»Bitte richte Raina aus, daß wir sie alle lieben, Denna.«

»Raina weiß das. Gefühle, die von Herzen kommen, durchdringen jede Grenze.«

Richard nickte. »Dann weißt du auch, wie sehr ich dich liebe.«

»Deswegen bin ich hergekommen, um auf deiner Suche nach den Winden für dich zu bürgen.«

Richard breitete die Arme aus. »Würdest du mich zum Ausgang führen? Deine Gesellschaft gibt mir Frieden, bis ich diesen leeren Ort verlasse. Das Schlimmste steht mir noch bevor.«