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Kahlan wußte nicht, wohin mit ihren Händen.

»Natürlich, Richard.«

Er bedankte sich mit einem Nicken. Er schien Schmerzen zu haben. Er wirkte gequält. Seine Augen hatten den stumpfen Glanz eines Menschen, der leidet.

Nichts wünschte sie sich so sehr, als daß er sie um Verzeihung bäte. Das allein hätte ihr gebrochenes Herz wieder gesund gemacht. Das waren die einzigen Worte, die für sie eine Bedeutung gehabt hätten. Sie wollte, daß er es aussprach, doch er stand einfach da und hielt den Blick auf den kalten Stein der Mauer gerichtet.

Sie entschied, daß er es nur dann aussprechen, ihr nur dann verzeihen würde, wenn sie ihn dazu zwang.

»Du bist also gekommen, um mir zu verzeihen, Richard?«

Er sprach leise, aber mit großer Entschlossenheit.

»Nein, ich bin nicht hier, um dir zu verzeihen. Ich kann dir nicht verzeihen, Kahlan.«

Sie wandte sich ab. Endlich hatte sie einen Platz für ihre Hände gefunden. Sie preßte die geballten Fäuste gegen ihren Bauch.

»Verstehe.«

»Kahlan«, meinte er in ihrem Rücken, »ich kann dir nicht verzeihen, weil es verkehrt von mir wäre, herzukommen, um dir zu verzeihen.

Würdest du wollen, daß ich dir deine Menschlichkeit verzeihe? Soll ich dir verzeihen, daß du deinen Durst löschst? Das Essen verzeihen, wenn du hungrig bist? Dir das Gefühl der wärmenden Sonne auf deinem Gesicht verzeihen?«

Kahlan wischte sich über die Wangen und drehte sich zu ihm um. »Was redest du da?«

In seinem Gürtel steckte der Stiel einer Rose. »Die hat mir deine Mutter mitgegeben.«

»Meine Mutter?«

Richard nickte. »Sie fragte, ob ich Freude daran hätte, und als ich das bejahte, fragte sie mich, ob ich zu dir zurückkehren würde. Es hat lange gedauert, bis ich begriff, was sie meinte.«

»Und was?«

»Daß wir über die Fähigkeit verfügen, uns an solchen Dingen zu erfreuen. Ist es schlimm, wenn du dich am Anblick einer Rose erfreust, an ihrem Duft, auch wenn ich nicht derjenige war, der sie dir geschenkt hat? Muß ich dir das verzeihen?«

»Hier geht es um etwas völlig anderes als um die Freude am Duft einer Rose.«

Er ließ sich auf ein Knie fallen. Er preßte die geschlossene Faust auf seinen Unterleib. »Kahlan, ich war einmal einer Frau über mein Fleisch und Blut verbunden, so wie du deiner Mutter verbunden warst. Das ist die einzige fleischliche Verbindung, die wir in diesem Leben kennenlernen.«

Er legte die Faust auf seine Brust. »Danach verbinden wir uns ausschließlich hierüber. Nur im Herzen können wir miteinander verbunden sein. Dein Herz hast du ihm nicht geschenkt. Das gehörte mir und mir allein.

Die Winde, die Seelen, haben ihren Preis von dir gefordert. Sie haben dir nicht viel gelassen, und du hast dich entschlossen, das, was blieb, zu nehmen und weiterzuleben. Du hast eine menschliche Wahl getroffen. Es war ein Kampf ums Überleben. Du hast dich einfach an etwas erfreut, das dir zustand.

Du gehörst mir nicht. Du bist nicht meine Sklavin. Ich habe dir nichts zu verzeihen. In deinem Herzen hast du mich nicht betrogen. Es käme einer Anmaßung widerwärtigster Art gleich, wenn ich dir meine Vergebung anbieten würde, obwohl du mich in deinem Herzen nicht verraten hast.«

Beim Luftholen spürte Kahlan, wie sie zitterte.

»Du hast mich verletzt, Richard. Ich hatte geglaubt, mein Herz sei bei dir in sicheren Händen, für immer, ganz gleich, was auch geschieht – und du hast mich einfach stehenlassen. Du hattest es mir versprochen. Ich durfte es dir nicht einmal erklären.«

»Ich weiß«, sagte er leise.

Sein anderes Knie berührte den Boden, als er sich zu ihren Füßen verneigte. Er senkte das Haupt.

»Aus diesem Grund bin ich zurückgekehrt. Ich bin gekommen, um dich um Verzeihung zu bitten. Ich bin es, der versagt hat. Ich bin es, der den wahren Schmerz verursacht hat, der unsere Herzen verraten hat, nicht du. Das ist die schlimmste Sünde, derer ich mich schuldig machen konnte, und ich allein trage die Schuld daran.

Zu meiner Verteidigung kann ich nichts vorbringen. Dafür gibt es keine Entschuldigung.

Was ich dir angetan habe, tut mir leid, Kahlan. Ich kann meinen Fehler nicht ungeschehen machen. Ich habe dich zutiefst verletzt, und dafür werfe ich mich dir zu Füßen und bitte dich um Vergebung. Verdient habe ich sie nicht, aber wenigstens möchte ich dich darum bitten.«

Als er vor ihren Füßen kniete, ragte sie hoch über ihm auf.

»Wirst du mir verzeihen, Richard?«

»In meinem Herzen ist für nichts anderes Platz als für die Liebe zu dir, Kahlan, auch wenn wir nicht Zusammensein können. Ich bin zwar von meinem Schwur befreit, du dagegen bist an einen anderen gebunden, und das muß ich respektieren. Aber dennoch liebe ich keine andere als dich. Wenn du es von ganzem Herzen wünschst, dann werde ich dir verzeihen.

Bitte, Kahlan, alles, was ich mir in diesem Leben wünsche, ist, daß du mir verzeihst.«

Noch Augenblicke vorher hatte sie gezweifelt, war sie sich über ihre wahren Gefühle ihm gegenüber im unklaren gewesen. Jetzt überrollte sie die Gewißheit wie eine Lawine.

Kahlan sank vor ihm zu Boden. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und zwang ihn, sie anzusehen.

»Ich vergebe dir, Richard. Ich liebe dich von ganzem Herzen, und ich vergebe dir.«

Er lächelte traurig. »Danke.«

Sie spürte die wundersame Gesundung ihres Herzens, die Freude, die in diese Leere hineinströmte, als kehrte das Leben selbst zurück.

»Während der Zeremonie, als ich mit Drefan verheiratet wurde, habe ich die Worte, die man von mir verlangte, laut gesprochen, in Gedanken jedoch, in meinem Herzen, habe ich dir den Eheschwur geleistet.«

Richard wischte ihr eine Träne vom Kinn. »So wie ich dir.«

Sie drückte seine Arme. »Was sollen wir jetzt nur tun, Richard?«

»Es gibt nichts zu tun. Du hast Drefan die Treue geschworen.«

Mit den Fingern berührte sie sein Gesicht. »Aber was wird aus dir? Was wird aus dir und mir?«

Sein Lächeln erlosch. Er schüttelte den Kopf. »Das spielt keine Rolle. Ich habe, was ich brauche – deshalb bin ich hergekommen. Du hast mir mein Herz zurückgegeben.«

»Aber wie können wir so weiterleben? Und nicht nur das, wir müssen schnellstmöglich etwas unternehmen. Drefan will die Truppen nach D'Hara zurückziehen und sich dort der Imperialen Ordnung entgegenstellen.«

In Richards Augen blitzte Wut auf. »Nein. Daran mußt du ihn unbedingt hindern, Kahlan. Wenn du zuläßt, daß Jagang die Neue Welt teilt, wird er sie sich Stück für Stück einverleiben, und ganz am Ende wird D'Hara fallen. Du darfst nicht zulassen, daß Drefan es so weit kommen läßt. Versprich mir, daß du das nicht zulassen wirst.«

»Das brauche ich dir nicht zu versprechen. Du bist Lord Rahl. Du kannst es sofort verhindern. Ich bin die Mutter Konfessor. Wir werden es gemeinsam verhindern.«

»Du mußt es tun, Kahlan. Ich kann dir nicht helfen.«

»Aber warum nicht? Du bist zurückgekehrt. Alles wird wieder gut werden. Wir werden uns etwas einfallen lassen – irgendeine Möglichkeit finden. Du bist der Sucher, du findest immer einen Weg.«

»Ich sterbe.«

Eine eisige Kälte durchzuckte ihren Körper. »Was? Was … meinst du damit, du stirbst? Du darfst nicht sterben, Richard, nicht jetzt. Nicht nachdem … Nein, Richard, nein, es ist alles wieder in Ordnung. Du bist wieder da. Alles wird gut werden.«

Dann sah sie es: das Gequälte in seinem Blick – und als er auf die Seite stürzte, wurde ihr klar, daß er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte.

»Die Seelen haben einen Preis verlangt, damit ich zurückkehren konnte.«

Er hustete und wand sich vor Schmerzen. Sie klammerte sich an ihn.

»Wovon sprichst du? Welchen Preis?«

»Als ich dort war, im Tempel der Winde, konnte ich mir das gesamte Wissen aneignen und Gebrauch davon machen. Ich benutzte es dazu, die Pest aufzuhalten. Irgendwie gelang es mir, den Kraftfluß der Winde zu unterbrechen, über den das Buch der Magie in dieser Welt funktionierte.«