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»Verstehe«, sagte Nathan leise.

»Ich weiß nicht, was Euch durch den Kopf geht, Nathan. Lord Rahl, allerdings.« Verna warf einen Blick auf die Stelle, wo Clarissas Leiche gelegen hatte und wo jetzt nur noch weiße Asche zu sehen war. »Wie ich sehe, hat sich bei Euch nichts verändert. Wieder einmal habt Ihr dafür gesorgt, daß eine Eurer kleinen Huren getötet wurde.«

Die Wucht von Nathans Faust hob Verna glatt von den Füßen. Ihr Kieferknochen zersplitterte mit lautem Krachen. Blutfäden segelten hinaus in die Nacht. Warren schrie auf, als Verna flach auf dem Rücken landete. Sie rührte sich nicht mehr.

Warren, an Vernas Seite kniend, schaute aus verzweifelten Augen hoch. »Nathan! Gütiger Schöpfer, warum habt Ihr das getan! Ihr habt ihr den Kiefer gebrochen. Warum versucht Ihr, sie umzubringen?«

Nathan spannte und entspannte seine Faust. »Hätte ich versucht sie umzubringen, wäre sie jetzt tot. Wenn du willst, daß sie überlebt, schlage ich vor, du heilst sie. Wie ich gehört habe, bist du fürs Heilen recht begabt, und nach allem, was ich heute abend für dich getan habe, solltest du eigentlich in der Lage sein, das ohne viel Aufhebens zu erledigen. Und wenn du schon dabei bist, bringe ihr gleich ein wenig Verstand bei.«

Warren beugte sich über Verna und preßte seine Hände auf das Gesicht der bewußtlosen Frau. Kahlan schwieg. Sie hatte Nathans liebevollen Blick gesehen, als er Clarissa angeschaut hatte. Aber eben hatte sie auch den Zorn gesehen.

Nathan bückte sich und nahm das tiefschwarze Buch wieder an sich, das neben Schwester Amelias Leiche auf der Erde lag. Er richtete sich auf und richtete seinen Rahl-Blick auf Kahlan. Er reichte ihr das Buch.

»Ihr könnt niemand anderes sein als Kahlan. Ich habe Euch schon erwartet. Eine Prophezeiung, müßt Ihr wissen. Ich bin froh, daß ich nicht zu spät gekommen bin. Euch bleibt nicht viel Zeit. Gebt dies Lord Rahl. Hoffentlich weiß er, wie man es vernichtet.«

»Im Tempel der Winde wußte er es noch, er meinte jedoch, er habe sein Wissen aufgeben müssen, um ihn wieder verlassen zu können. Er hat sich allerdings eine Notiz auf die Handfläche geschrieben. Sie lautete: ›Eine Prise weißen Zauberersand auf die dritte Seite. Ein Korn schwarzen dazu‹. Und dann standen da noch drei Worte, deren Bedeutung ich aber nicht kenne.«

Nathan legte ihr seine große Hand auf die Schulter. »Die Worte stehen für die drei Grußformeln: Reechani, Sentrosi, Vasi. Ich habe nicht die Zeit, um Euch über die drei Grußformeln ins Bild zu setzen, aber Ihr müßt wissen, daß sie nach Verabreichung des weißen und vor dem schwarzen Sand gesprochen werden müssen. Das allein ist wichtig.«

»Reechani, Sentrosi, Vasi«, wiederholte Kahlan und versuchte sie sich einzuprägen. In Gedanken wiederholte sie die Worte wieder und wieder.

»Richard ist doch im Besitz von weißem und schwarzem Zauberersand, oder?«

Kahlan nickte. »Ja. Er hat mir davon erzählt. Er besitzt beide Sorten.«

Nathan schüttelte den Kopf, als hinge er irgendeinem ganz eigenen Gedanken nach. »Beide Sorten«, murmelte er. Nathan drückte ihr die Schulter. »Aus den Prophezeiungen weiß ich einiges von dem, was er durchgemacht hat. Steht zu ihm. Liebe ist ein viel zu kostbares Geschenk, um es zu verlieren.«

Kahlan lächelte. »Ich verstehe. Mögen die Guten Seelen sie auch Eurem Herzen bringen, Nathan. Ich kann Euch nicht genug dafür danken, daß Ihr Richard geholfen habt – und mir auch.« Ihre Stimme brach. »Ich wußte nicht, was ich tun würde. Ich wußte nur, daß ich herkommen mußte.«

Nathan nahm sie in die Arme. »Ihr habt das Richtige getan. Vielleicht haben die Guten Seelen Euch geleitet. Geht jetzt zu ihm zurück, sonst verlieren wir unseren Lord Rahl noch.«

Kahlan nickte. »Das Morden ist vorüber.«

»Das Morden fängt gerade erst an.«

Nathan drehte sich um und reckte beide Fäuste in den Himmel. Ein gewaltiger Lichtblitz entzündete sich an seinen Händen und schoß in den Nachthimmel. Kahlan verfolgte, wie er Richtung Nordosten raste, so hell, daß die Sterne in seinem Gleißen verblaßten.

Verna setzte sich mit Warrens Hilfe auf. Er wischte ihr das Blut vom frisch geheilten Unterkiefer.

»Was habt Ihr getan?« fragte Kahlan Nathan.

Er sah sie lange an, dann ging ein Lächeln über seine Lippen. »Ich habe Jagang eine böse Überraschung bereitet. Soeben habe ich General Reibisch das Signal zum Angriff gegeben.«

»Zum Angriff? Zum Angriff gegen wen?«

»Gegen Jagangs Expeditionsstreitkräfte. Sie haben Renwold dem Erdboden gleichgemacht. Zudem planen sie weiteres Unheil in der Neuen Welt, sind aber völlig ahnungslos, wer sie beschattet. Es wird eine kurze Schlacht werden. In der Prophezeiung heißt es, die D'Haraner würden leidenschaftlich kämpfen wie nie zuvor und den Feind noch vor Ende der Nacht auf die traditionelle Art der D'Haraner vernichtend schlagen: ohne Gnade.«

Verna kam wieder auf die Beine. Kahlan hatte sie noch nie so sanftmütig gesehen. »Ich möchte Euch um Verzeihung bitten, Nathan.«

»Ich habe kein Interesse –«

Kahlan legte ihm die Hand auf den Arm und flüsterte ihm etwas zu. »Nathan, bitte, Euch selbst zuliebe, hört Euch an, was sie zu sagen hat.«

Nathan schaute Kahlan einen Moment lang in die Augen, dann richtete er seinen wütenden Blick auf Verna. »Ich höre.«

»Ich kenne Euch schon sehr lange, Nathan. Mein ganzes Leben. Und auch habe ich bereits einige Dinge erlebt … die ich vielleicht nicht recht verstanden habe. Ich dachte, Ihr wolltet selbst die Macht ergreifen. Bitte verzeiht, daß ich auf Euch losgegangen bin, obwohl es meine eigene Schuld war, daß meine Freunde sich gegen mich gewandt haben – gegen uns. Manchmal bin ich etwas vorschnell. Jetzt sehe ich, daß ich das, was sich zwischen Euch und Clarissa abgespielt hat, falsch eingeschätzt habe. Sie hat Euch angehimmelt, und ich dachte – bitte, verzeiht mir, Nathan.«

Nathan brummte zur Antwort: »Wie ich Euch kenne, Verna, ist Euch das so schwergefallen wie noch nie etwas zuvor. Ich verzeihe Euch.«

»Danke, Nathan«, seufzte sie.

Er bückte sich und gab Kahlan einen Kuß auf die Wange. »Mögen die Guten Seelen mit Euch sein, Mutter Konfessor. Erzählt Richard, ich hätte ihm seinen Titel zurückgegeben. Vieleicht begegne ich ihm eines Tages doch noch.«

Damit legte er Kahlan die Hände auf die Hüften und hob sie auf den Mauerrand der Sliph.

»Danke, Nathan. Jetzt verstehe ich, wieso Richard Euch mag. Und wieso Clarissa Euch liebte. Ich glaube, sie hat den wahren Nathan erkannt.«

Nathan lächelte, wurde dann aber wieder ernst. »Wenn Ihr zurück seid, müßt Ihr Richards Bruder, wenn Ihr Richard retten wollt, das anbieten, was er wirklich will.«

»Möchtest du reisen?« fragte die Sliph.

Kahlan drehte sich der Magen. »Ja, zurück nach Aydindril.«

»Lebt Richard tatsächlich noch?« fragte Verna.

»Ja«, antwortete Kahlan mit neuerwachter Panik. »Er ist krank, aber sobald ich ihm dieses Buch gebracht habe und es vernichtet ist, wird es ihm wieder bessergehen.«

»Walsh, Bollesdun.« Nathan winkte, während er sich anschickte aufzubrechen. »Meine Kutsche wartet. Brechen wir auf.«

»Aber Nathan«, meinte Warren, »ich möchte noch etwas über Prophezeiungen lernen. Ich möchte bei Euch studieren.«

»Zu einem echten Propheten wird man geboren, nicht gemacht.«

»Wohin geht Ihr?« rief Verna ihm nach. »Ihr könnt nicht fort. Ihr seid ein Prophet. Man kann Euch nicht einfach frei herum … ich meine, wir müssen doch wissen, wo Ihr seid – falls wir Euch brauchen.«

Ohne sich umzudrehen, zeigte Nathan in eine bestimmte Richtung. »Eure Schwestern sind dort entlang, Prälatin. Nach Nordwesten. Geht zu ihnen, und erspart Euch die Mühe, mir zu folgen. Es wird Euch nicht gelingen. Eure Schwestern sind vor dem Traumwandler sicher. Ich habe sie ihre Bande auf mich übertragen lassen, während Richard in der Welt der Toten weilte. Falls Richard überlebt, könnt ihr sie wieder auf ihn übertragen. Lebt wohl, Verna. Warren.«